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Der Galgen in Kleinheubach

Auf einer Anhöhe über dem Main wurde 1561 ein Galgen errichtet, unter dem 1619 erstmals eine Hexenhinrichtung vollzogen wurde. Eine der ursprünglich drei Steinsäulen dieses Galgens steht heute noch.

eine von drei Sandsteinsäulen

In Kleinheubach, das von 1559 bis 1721 erbachisch war, spielte sich das düsterste Kapitel in der Justizgeschichte der Grafschaft ab. Zwischen etwa 1617 und 1630 wurden hier 81 Menschen (49 Frauen, 32 Männer) wegen Hexerei vor Gericht gestellt. 45 von ihnen nachweislich hingerichtet. Das machte nahezu zehn Prozent der damaligen Einwohnerzahl von etwa 500 aus. Die meisten Hexen wurden zum Tode durch das Schwert „begnadigt“ und erst nach der Hinrichtung am Galgen verbrannt. Eine der Verurteilten habe sich ihrer Hinrichtung durch eine Flucht nach Großheubach entzogen.

Haasische Situationskarte” von Südhessen, Ausgabe um 1800

1619 die erste Hinrichtung

Durch Erbfolge wurden 1559 die Grafen von Erbach Lehnsherren in Kleinheubach. Sie bauten dort die Georgenburg und machten sie zu ihrem Wohnsitz. 1560 wird das Zentgericht des Grafen von Erbach in Kleinheubach erwähnt. Ein Jahr später wurde dort ein Galgen errichtet. An dieser Stelle wurde erstmals 1619 eine Hexen-Hinrichtung vollzogen. Im Dreißigjährigen Krieg zwischen 1618 und 1648 wurde im Frühjahr 1627 Kleinheubach durch einen Brand fast vollständig vernichtet. Der Ort gehört heute zu Bayern.In Kleinheubach seien Hexenprozesse in verhältnismäßig großer Anzahl durchgeführt worden. Allein im Jahr 1629 hätten 27 Menschen den Tod gefunden, nachdem sie nach Folterungen alle Vorwürfe “gestanden” hatten. Aus der Zeit nach 1630 sind in Kleinheubach dagegen keine Hexenverbrennungen mehr bekanntgeworden. Die Familie von Anna Maria Conrad hatte unter den Hexenprozessen schon früher zu leiden gehabt. Unter der Folter beschuldigte ihr Bruder Conrad der Blutschande, was ihre Verhaftung auslöste. Nach Verhören und Folterungen erreichte ihr Mann, dass sie nicht weiter leiden musste. Er erklärte den Rechtsherren, dass seine Frau schwanger sei.Unter dieser Bedingung gelang Anna Maria Conrad die Flucht über den Main. Sie fand in Frankfurt Zuflucht. Doch sie habe einen entscheidenden Fehler gemacht, so Heidi Banse: Sie wollte ihr Recht und nicht weiterhin als Hexe bezeichnet werden. So schrieb sie einen Brief an den Frankfurter Rat und schilderte ihre Erlebnisse. Das führte aber zum Gegenteil dessen, was sie erreichen wollte: Anna Maria Conrad wurde festgenommen und nach Kleinheubach ausgeliefert.

Der Graf stoppte die Verfolgung

Dort geschah das Ungeheuerliche, dass sich ihr Mann weigerte, sie wieder zu Hause aufzunehmen. Da es nach 1630 keine Hexenverbrennungen in Kleinheubach mehr gab – dafür setzte sich wohl der Graf von Erbach ein – wurde die bei dem Urteil verhängte Strafe über Anna Maria Conrad aber trotzdem nicht vollzogen. Sie starb eines natürlichen Todes, aber als verurteilte Hexe. Der Prozess habe 640 Gulden gekostet plus 200 Gulden für Kost und Unterbringung. Das entspreche in jener Zeit dem Wert eines großen Bauernhofes mit Stallungen und Scheunen.

© jhs, Bergsträßer Anzeiger, 06.05.2015, https://www.morgenweb.de/bergstraesser-anzeiger_artikel,-lautertal-ein-dunkles-kapitel-der-geschichte-_arid,658852.html


Abb. 45 bei Karl Frölich, Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, 1938
Genau am Grillplatz steht die Galgensäule, 2020
GPS-Koordinaten: 49.728733N, 9.188156E
Fußweg vom Parkplatz Galgen, Kleinheubach

Quellen