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Die Einladung bekam ich Ende Oktober und ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut. Auf den Tag genau standen wir am Ende der Tour genau auf dem Galgenberg in Bessungen (heute Wolfkehl’scher Park), wo Grasmann, Heusner, Erbeldinger, Dascher und natürlich Martin Rupprecht vor 209 Jahren (am 05.11.1814) hingerichtet wurden.

Wir laufen vom Luisenplatz Richtung Marktplatz. Blickt man auf das Schloss – so stand hier einst auf der linken Seite der Galgen.

Schlossansicht von Peiter Rodingh (1676), Stadtarchiv Darmstadt

https://www.p-stadtkultur.de/darmstadts-dunkle-seiten-von-galgen-hexen-und-suendenboecken/hexen-schlossansicht-von-pieter-rodingh-von-1676/

Aus heutiger Sicht ist allerdings fraglich, dass zur Zeit dieser Räuberbande, also um die Zeit der Jahrhundertwende hier noch gehangen wurde.
In früheren Zeiten blieben die Verurteilten zur Abschreckung nämlich hängen, bis die Vögel sich über sie hermachten. Oft wurden die Überreste zudem auch unter dem Galgen “begraben”. Zudem war das gesamte Rechts- und Justizwesen im Umbruch und man verzichtete weitestgehend auf das Erhängen. Dabei galt Köpfen als die ehrenvolle und leichtere Form, Hängen galt als entehrend und wurde häufiger gegen Räuber oder Räuberbanden verhängt.
Darmstadt und Bessungen bildeten einen gemeinsamen Verwaltungsbezirk und besaßen einen gemeinsamen Galgen, der sich zwischen beiden Orten an der Stelle befand, an der heute das Teehäuschen im Wolfskehl’schen Park steht. Auch in Pfungstadt gab es zunächst einen hölzernen Galgen, der später, 1603 durch drei gemauerte Säulen ersetzt wurde, die heute noch an der Grenze zwischen Pfungstadt und Eberstadt stehen. Oft war der Galgen dann mehr als Richtstätte zu sehen.

Bis in das 18. Jahrhundert wurden die Gefangenen in Stadttürmen und Torhäusern (Stadttore, Stadtmauer) der Darmstädter Stadtbefestigung untergebracht. Als das älteste Gefängnis Darmstadts gilt die Betzenkammer, später Stockhaus genannt. Einige Meter entfernt befand sich das Spinnhaus, das zur Vollstreckung kleinerer Strafen verwendet wurde. Nachdem die Zellen in den Stadttoren und Türmen der Stadtmauern nicht mehr ausgereicht hatten, konkretisierte sich um 1830 der Wunsch der hessischen Justizbehörde nach einem Neubau eines Arresthauses. Aus beiden entstand nach einigen Um- und Erweiterungsbauten von 1832 bis 1834 das Großherzogliche Provinzial-Arresthaus. Das bis dahin genutzte Gefängnis Runder Turm in der Stadtmauer (heute Kreuzung Fraunhofer Straße/Rundeturmstraße), wurde samt Verlies und Anbau abgerissen und der dahinter gelegene Teich zugeschüttet, um noch mehr zusammenhängende Fläche für den Neubau zu schaffen.

Vom Schloßplatz laufen wir nun zum Ludwigsplatz. Hier erfahren wir allerhand interessante Dinge über die Räuberbanden am Ende des 18. Jahrhundert. Der Siebenjährige Krieg hatte die Menschen zermürbt, die Revolutionskriege mit Frankreich und vor allem die napoleonischen Kriege brachten nicht nur Armut und Not, sondern sie stellten die geltende staatliche Ordnung in Frage. Die überwältigende Mehrheit der Räuber stammte aus unterständischen Schichten, mit großer Nähe zum Vagantentum.

Die nächste Station ist der Wilhelminenplatz. Hier lernen wir unsere Protagonisten näher kennen: Johann Adam Grasmann, Johann Adam Heusner, Johann Jakob Erbeldinger, Johann Georg Tascher und natürlich Johann Martin Rupprecht. Nun hatten sie nicht nur alle den gemeinsamen Vornamen Johann, sondern alle (bis auf Rupprecht), waren Räuber, die jahrelang im Odenwald tätig waren und nun gemeinsam hier in Darmstadt einsaßen und auf ihr Urteil warteten.

In einem kleinen Parkstück an der Wilhelminenstrasse erfahren wir etwas über die vielfältigen Taten unserer 5 Räuber. Straßenraube, Diebstähle durch Einbruch und Einsteigen bis hin zur Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf der Straße von Laudenbach nach Hemsbach. Ich fand es sehr schön, wie Matthias Lothhammer immer wieder die ganze Gruppe einbezogen hatte. Am Ende hatte jeder von uns wenigstens ein Bild in der Hand oder irgendein notwendiges Requisit, sei es die Wäscheleine oder nur eine Klammer.

Wir machen noch einen kurzen Stopp an der Goethestrasse, wo wir einen Überblick über die Anzahl der Verbrechen bekommen, die den 5 Angeklagten zur Last gelegt worden: Grassmann mindestens 134, Heusner 121, Erbeldinger 18, Tascher 15 und nun ja – Rupprecht mindestens 25. Letzterer wurde im Dezember 1811 ins Stockhaus Darmstadt verlegt und angeklagt. Dort traf er auf die anderen Vier, die kurz vorher schon gefasst und auch dort eingeliefert worden.

Am 20. Juni 1814 verurteilte das Großherzoglichen Hofgerichte Darmstadt alle 5 Räuber zum Tode durch das Schwert, Revisionsverhandlungen des Urteils waren nicht erfolgreich, den am 26. Oktober 1814 wurde das Urteils bestätigt.

Wolfskehl’scher Park – Schafott mit Melibokusblick

Die Sonne geht langsam unter und es fängt an zu regnen. Auf dem Galgenberg in Bessungen stand seit 1896 eine Gründerzeitvilla, welche eine alteingesessene jüdische Familie Wohlfskehl bewohnte. Im Krieg wurde die Villa zerstört und nur noch das Teehäuschen auf der Nordseite blieb übrig. Wir laufen den Hügel hinauf und machen einen kurzen Halt. Rechterhand können wir durch die Häuser hindurch nun wirklich bis zum Melibokus sehen.

5. November 1814 – man hatte hier ein hohes Gerüst erbaut, das von zwei Treppen aus zugänglich war. Um das “Blutgerüst” stand ein Karree von Soldaten, dahinter die Zuschauer. Der Scharfrichter Hofmann aus Frankfurt vollzog die Hinrichtung in weniger als siebzehn Minuten. Zuerst kam Tascher an die Reihe, dann wurde Erbeldinger geköpft. Als Rupprecht auf das Gerüst geholt wurde, bemerkte Heusner zu Grasmann: “Petter, jetzt kommt ihr!” Als die Gehilfen des Scharfrichters Grasmann packten, gab Heusner ihm noch einmal die Hand zur Versöhnung, küsste ihn und sprach: “Ich komme euch gleich nach”.

So fielen die Köpfe dieser fünf Hauptverbrecher. Im Detail kann man alles hier noch einmal nachlesen.

Es war ein sehr schöner und interessanter Nachmittag, der gut recherchiert und unterhaltsam von Matthias Lothhammer vorgetragen wurde. Gerne mehr davon ….

Gerne auch hier: www.hessen-martin.de