Zum Inhalt springen

Kirchbrombach, südöstlich von Darmstadt, nördlich von Erbach am Fuße der Böllsteiner Höhe, der alten Birkunhart im Plumgau gelegen, erscheint urkundlich unter folgenden Namensformel: im 11. Jahrhundert Brambuch, 1012 und 1324 Branbach, 1450 und 1461 Kirchbranbach, zur Unterscheidung von dem nahen Langenbranbach, jetzt Langen-Brombach, 1602 Brambach genannt, vom althochdeutschen -prama, mittelhochdeutsch brame, brome, Brombeere.

Kirchbrombach war Hauptort der vom Mümlingthal zum Gersprenzthal Allgemeines über vierzehn Dörfer sich erstreckenden Zent gleichen Namens und bildete, wie eine Zent, so auch eine Pfarrei. Zu beiden gehörte in ganz alter Zeit auch die Zent Oberkainsbach mit Ober- und Untergersprenz. Die Zent Kirchbrombach war nicht, wie die Zent Lützelbach, Breubergisches Allodialgut, sondern Fuldisches Lehen.

Kirchplatz Kirchbrombach

Wir stehen vor der Kirche in Kirchbrombach. Hier steht eine gewaltige Linde, die aber nichts mit der Gerichtslinde, also mit der Zentgerichtsstätte zu tun hat. Die heutige Linde auf dem Kirchhof wurde am 11.11.1883 zum 400. Geburtstag von Martin Luther gepflanzt.

Plan zur Errichtung einer Mauer um einen Privatgarten an der Stelle des früheren Lindenplatzes 18.4.1857, Gemeindearchiv Brombachtal, Sa 137

Der eigentliche Lindenplatz, lag damals nur 60m südöstlich an der heutigen Kreuzung Hauptstrasse/Burghof.

Grundstück Nr. 12 auf der Straße südöstlich der Kirche
Gewannbuch 1756, Johann Adam Ley 1757, Tractus O: N 12 der gemeine Lindenplatz u. sich darunter befind(licher) gehorsamb (Gefängnis) so mit einer Mauer umgeben. [Gemeindearchiv Brombachtal, Ki 3]

Bei Straßenbauarbeiten wurde 1926 unter dem Lindenplatz ein Keller gefunden mit einem 1568 bezeichneten Torbogen, der wohl zu dem 1756 genannten Gefängnis gehörte. [Vgl. Straßenbauakte im Gemeindearchiv Brombachtal, Ki 1177]. Der datierte Stein wurde in die Fundamentmauer des Gartenzauns Burghof 2 sichtbar eingebaut.

Dass das Zentgericht unter einer Linde in unmittelbarer Nähe zur Kirche (aber außerhalb der Mauer) gehegt wurde, spricht für eine ziemlich gleichzeitige Anlage, wie das auch dem Übereinstimmungs-Befund von Kirchensprengel und Zentbereich entnommen werden kann. Es mag also von Anfang an eine Art Wehrkirche mit angeschlossenem Herrschaftssitz gewesen sein. Alles beides scheint um 1400 restlos abgebaut (oder zerstört?) worden zu sein. Danach wurde die Kirche am alten Platz durch die Patronatsinhaber, die Grafen v. Wertheim und die Schenken v. Erbach, die den eppsteinischen Anteil erheiratet hatten, neu aufgebaut, d.h. der Chor kann dieser Zeit noch entstammen. Die Wehranlagen wurden nicht mehr erneuert.


Grundherrschaft und Grundbesitzer von Kirchbrombach

Das Bestehen des Ortes ist unter dem Namen Branbach seit 1324 urkundlich bezeugt. Auf einem flachen Bergsporn in der Ortsmitte stand im 13./14. Jahrhundert die Burg Kirchbrombach. Sie bildete den Mittelpunkt der zur Herrschaft Breuberg gehörigen Zent Kirch-Brombach. Beherrscht durch den Zent-Schultheißen mit seinem Zent-Knechten als Stellvertreter der Breuberger Herren, hatte die Cent eine eigene Gerichtsbarkeit und auch einen eigenen Galgen.

Zur Zeit, als die Herrschaft Breuberg im 15. Jahrhundert zu drei Viertel Wertheimisch und zu ein Viertel Erbachisch war, gehörte diese Cent beiden Ganerben gemeinschaftlich und jede der Herrschaften hatte hier einen Schultheissen. Wie in allen Orten dieser Cent waren auch zu Kirchbrombach verschiedene Geschlechter vom niederen Adel begütert. Namentlich hatten die Starkerade und Erlebache hier Gefälle, die sie theilweise von Wertheim, theils von der Erbacher Linie der Schenken zu Lehen trugen, bevor noch Erbach Antheil an Breuberg hatte. (G. Simon.). 1408 und 1424 hat Henne Starkerat Güter von Graf Johann von Wertheim zu Lehen. 1445 haben Fritz von Erlebach und Philipp Starkrat das 1424 genannte Lehen von Graf Georg von Wertheim.

Das Zentgericht

Das Zentgericht stand unter der Leitung des Zentschultheißen (auch Zentgraf). Das Gerichtsurteil fällten („schufen“) jedoch die 12 Zentgerichtsschöffen. Diese waren Laien und urteilten ursprünglich nach gesundem Menschenverstand und altem Herkommen – also dem mündlich überlieferten Gewohnheitsrecht – wie es in den Landrechten schriftlichen Niederschlag fand. 1792 werden im Protokollbuch der C.gerichts Schopf [Zentgerichtsschöffe] N. Hofmann und der Centgerichts Schöpf König zu Balschbach [Balsbach] genannt. Das Gericht wurde auf dem Lindenplatz unterhalb der Kirche bzw. der früheren Burg abgehalten (gehegt), wo sich auch das Gefängnis befand. Im Gewannenbuch von Kirchbrombach aus dem Jahre 1757 heißt es dazu unter Nr. 12: der gemeine Lindenplatz u. sich darunter befindl.[iche] gehorsamb [Gefängnis], so mit einer Mauer
umgeben.
Die Hegung (feierliche Eröffnung und formale Abhaltung) des Zentgerichts begann mit einem Wechselgespräch nach einem festgelegten Wortlaut zwischen Zentschultheiß und Zentschöffen, in dem u.a. abgefragt wurde, ob das Gericht richtig – das heißt nach altem Herkommen – abgehalten werde. Der Zentschultheiß verkündete nach dem Urteilsspruch der Schöffen das Urteil und überwachte die Vollstreckung durch den Nachrichter (Scharfrichter, Henker).

  • bis 1806: eigene Cent
  • 1806 gelangt Kirch-Brombach mit der Cent an das Großherzogtum Hessen
  • 1820: standesherrliches Amt Breuberg
  • 1822: Landgericht Höchst
  • 1879: Amtsgericht Höchst

Ein Siegelstempel des Centgerichts befindet sich im Besitz des Herrn Gastwirth Schwinn; die Formen weisen auf die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts. — Die letzte Fahne der Cent wird im Pfarrhof aufbewahrt; sie besteht aus Seidenstoff in doppelt übereinander angeordneter hellroth-blau-weisser Streifung. Die eine Seite zeigt das aufgemalte Wappen Von Erbach-Breuberg in lebhafter Farbengebung; auf der anderen Seite erscheint die Wappengruppe von Löwenstein, Wertheim, Pfalz und die Jahrzahl 1784. Wann die letzte Exekution stattfand, ist nicht bekannt.

Bemerkenswert ist , dass auch die Eintragungen der Zent- und Amtsstrafen in den Breuberger Amtsrechnungen mit dem Jahre 1612 beginnen. Um 1612 scheint also eine administrative Regelung ergangen zu sein über die Niederschrift der Zentrügen und über die Aufbewahrung der Halsgerichtsakten. Über den Verbleib der älteren Gerichtsakten der Herrschaft Breuberg sind wir nicht unterrichtet. Von Höreth liegt ein Hinweis vor, dass im Wertheimer Archiv ein ’Gerichtsbuch’ vorhanden war.

Leider ist der Aktenbestand ’Criminalia’ auf Anordnung der Grafen von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg vernichtet worden.

Ob nicht doch die eine oder andere Akte der Vernichtung entging, ist augenblicklich nicht auszumachen. Unser Interesse richtet sich vorerst auf das erhalten gebliebenen Repertorium ’Criminalia’. Ihm ist einmal zu entnehmen, dass ohne Vernichtung der Akten viele offene Fragen der Territorial-, Rechts-, Justiz- und Verwaltungsgeschichte beantwortet werden könnten. Aber auch viele Ortsforscher werden mit Bedauern feststellen, dass mit den Akten Unwiederbringliches verloren ging.

Aber es kann kein Zweifel bestehen, dass mehrere der wegen schweren Vergehens Angeklagten ihr Leben auf einem der vier Breuberger Zentgalgen beendeten; oder wie sich im Repertorium Criminalia Breuberg (Staatsarchiv Wertheim Sig. 16b) unter Punkt 103 und 114 für Kirchbrombach findet:

  • [103] Untersuchung Georg Webers, Gastwirt und Gemeinsmann zu Wallbach, wegen einiger bei sich aufgehaltener Diebe 1737, 1740
  • [114] Die Zentkosten des zu Kirchbrombach decollirten [enthaupteten] Georg Weber 1746

Wer in der Gegenwart einen Galgenberg besteigt, sollte etwas innehalten und sich daran erinnern, dass hier, in Anwesenheit einer großen Menschenmenge, tatsächlich eine Anzahl armer Seelen vom Leben zum Tode befördert wurde, und zwar teilweise für Vergehen, die im heutigen modernen Staat nicht mehr unter Anklage stehen würden oder mit einer Geldstrafe abgetan werden.


Der Galgenberg und das Hochgericht

Fundamentsteine hölzerner Galgensäulen in Kirchbrombach nahe der Hohen Straße Michelstadt –
Böllsteiner Höhe – Abb. 47 bei Karl Frölich, Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, 1938

Auf einer Karte der Herrschaft Breubergs um 1610 ist der Galgen vermerkt:

Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Wertheim G-Rep. 106 Nr. 24
http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=7-294221-1

Interessanterweise ist der ehemalige Galgen von Kirchbrombach nicht mehr in den Haas’schen Karten von 1800 eingezeichnet. Der Galgen von Ober-Kainsbach allerdings schon. Diese frühen Karten waren militärische Situationskarten der Ländern zwischen dem Rhein, Main und Neckar nebst den angrenzenden Gegenden im Maßstab ca. 1:30380 und wurden ab 1788 vom hessischen Artillerieoffizier und Militärkartographen Johann Heinrich Haas (1758–1810) „geographisch aufgenommen und herausgegeben“. Dies war die erste Karte großen Maßstabes des Rhein-Main-Gebietes, auf der unter anderem sämtliche Siedlungen im Grundriss dargestellt sind. Sie galt als mustergültig für die damalige Zeit und wurde viel beachtet.

„Haasische Situationskarte“ von Südhessen, Ausgabe um 1800,
24 Blätter mit Übersichtskarte und Umband, Blatt 15

In einer späteren Karte aus dem 19. Jahrhundert findet man dagegen den Galgen (Symbol) auf dem Galgen-Berg wieder eingezeichnet:


Drei aus dem Boden ragende, triangulär gestellte Pfeilerstumpfe bezeichnen die Überreste der alten Richtstätte. Es handelt sich, ähnlich wie in Höchst/Odw., um drei dreieckig zugehauene Sandsteine, in die nach der Grundlinie des Dreiecks Vertiefungen, angeblich zur Aufnahme der Galgensäulen, angebracht sind. Wahrscheinlich waren es die Bodenbalken des Galgens, die dort eingesetzt wurden oder aber die Steine sind nur die Begrenzung des eigentlichen Galgens gewesen.

Foto: (c) Alexander Lang, PropZone

Lage

Läuft man heute den damaligen Weg vom Kirchhof bzw. der Zentlinde am Lindenplatz hinauf zum Galgenberg, wäre das die folgende Route (1,62 km lang):

(c) komoot

Vom Kirchplatz (Hauptstraße 13) den Burghof hinunter, über die Hauptstraße (alter Lindenplatz), die Pfarrgasse entlang und links einbiegend in die Gartenstraße. Immer weiter geradeaus der Sachsenhäuser Straße folgend kommt man nach dem Golfplatz zum Waldrand. Hier gibt es einen Wegweiser – Diebspfad. Quer durch den Wald, an einer kleinen Schonung entlang, stößt man alsbald auf den Galgenplatz [GPS-Koordinaten: 49.7283333N, 8.9375E]

Der Galgenberg ist in geografischen Karten mit 413 m Höhe angegeben, bei komoot (c) ist der höchste Punkt allerdings bei 365 m.


Die Reste des Galgens sind im „Eckwald“ – Am Galgenberg Flur 11, Flurstück 3 zu finden

http://www.geoportal.hessen.de/ ((c) Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation)

Grabungen am Galgen

Zwei Mitarbeiter von „hessenARCHÄOLOGIE“, dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, waren im Dezember 2024 vor Ort und wir haben zusammen um einen der Galgensteine zwischen Hembach und Kirchbrombach gegraben. Ziel war es herauszufinden, wie der Aufbau des Galgens ausgesehen haben könnte, da keine historischen Abbildungen existieren. Bei einem darauffolgenden Austausch mit Denkmalprofis der Zünfte Zimmermann und Steinmetz konnte man sich auf eine Holzkonstruktion in Form eines dreischläfrigen Galgens einigen, ähnlich wie er in Beerfelden steht. Es sollen im Laufe des Jahres 2025 noch weitere Grabungen stattfinden und danach soll die Holzkonstruktion gestellt werden. Abschließend soll der Galgen als Geopunkt des UNESCO Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald gelistet und in einen der Rundwanderwege integriert werden. Brombachtal hätte damit nach dem Böllsteiner Gneis Felsen einen zweiten UNESCO Geopunkt!

Text: Ulla Eckstein


Mit freundlicher Genehmigung – (c) Alexander Lang, PropZone

Update 18.02.2024

Ich war in Kontakt mit Jost Auler, Archäologe und Historiker, der vielfältige Publikationen zu Richtstätten des ausklingenden Mittelalters verfasst hat. Er hat auch einen weiteren, polnischen Kollege Dr. Daniel Wojtucki angefragt – er kennt solche Steine bei sich auch nicht und bezweifelt auch einen Zusammenhang mit Hochgerichten. Grundaussage ist nun – dass es sich eher um moderne Steine handelt, um den ehemaligen Standort des Galgens zu markieren.

Die Abmessungen passen eigentlich sehr genau (in der Regel 8-9m pro Seite) für ein hölzernes dreischläfriges Hochgericht. Nur die Form der Steine können keine senkrechten Säulen aufnehmen. In der Regel sind das wirklich runde Steine/Säulen, die in die Erde eingelassen sind -> siehe auch die Steine am Kainsbacher Galgen.

Die echten Steine wird man wohl weggeschleppt haben und sie finden sich als Baumaterial in den umliegenden Gehöften -> siehe Vergleich Schnellertsberichte zu den Galgensteinen von Kainsbach.

Dieser Annahme folgend – ergeben auch die Galgensteine auf dem Höchster Galgenberg Sinn. Sie sind wesentlich kleiner als unsere, gründen auch nicht so tief und könnten dadurch überhaupt keine Last aufnehmen. Auch hier wird man also damit nur die Richtstätte markiert haben.

Wir wissen aus den Akten, dass es einen Galgen gegeben hat – zumindest noch eine Richtstätte in neuerer Zeit. Es wäre halt schön, wenn man das Umfeld, also ringsum die Steine noch etwas mehr untersuchen würde. Vielleicht kommen wir dann zu neuen Erkentnissen…


Update 28.02.2025

Ein weiterer Hinweis, dass die heutigen drei Galgensteine nur den Bereich markieren, findet sich im Gewannbuch der Zent-Kirchbrombach, dass der Renovator Johann Adam Ley am 16. Juli 1757, nach vierjähriger Arbeit, seinen Auftraggebern, dem regierenden Fürsten „Carolus“ zu Wertheim und dem regierenden Grafen „Georgius Augustus“ zu Erbach, vorlegte: Langen-Brombach (S. 281 – 380) : „Das Hochgericht (Richtstätte der Zent Kirch-Brombach), so mit 7 Steinen versteinet.“


Quellen: