Geschichte der Beraubung und Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf der Straße von Laudenbach nach Hemsbach
Mittwoch, 1. Mai 1811
Teilnehmer:
Georg Phillip Lang vulgo Hölzerlips
Phillip Friedrich Schütz vulgo Mannefriedrich
Veit Krämer
Johann Andreas Petri vulgo Köhler-Andres
Sebastian Lutz vulgo Basti
Andreas Frank vulgo Langer Andres
Für den geplanten Überfall auf eine Kutsche schnitten die Räuber mannshohe junge Buchen ab und richteten diese zu Knüppeln her, die ihnen als Waffen dienen sollten. Als in der Nacht die Kutsche nach langem Warten endlich kam, wollten die hungrigen Ganoven gerade in die Küche des Wirtshauses in Unterlaudenbach einbrechen, um etwas Essbares zu beschaffen. Sie waren bereits im Hof dieses Wirthauses, als einer ihrer Schmiere stehenden Kumpane meldete, dass die Kutsche jetzt komme. Daraufhin rannten die Räuber der durch Laudenbach in Richtung Hemsbach fahrenden Kutsche auf der Straße entgegen.
Um 1.30 Uhr nachts passiert eine Kutsche aus Frankfurt kommend das verschlafene Laudenbach. Das Poltern der Räder, das Ächzen der Federn und der rhythmische Schlag der Hufe füllt die enge Dorfstraße. Der Postknecht Simon Hofmann blickt mißmutig in den Himmel. Von der Rheinebene her ziehen Wolken auf. Als die Kutsche die letzten Häuser Laudenbachs hinter sich läßt, setzt auch noch leichter Regen ein. Die nächste Gemeinde heißt Hemsbach. Die Bergstraße verläuft zwischen Laudenbach und Hemsbach fast gerade, nur zweimal macht die Straße einen Bogen. An der linken Seite der Chaussee (in Fahrtrichtung gesehen) liegen Weingärten, rechts am Abhang zur Ebene kann Hofmann Buschwerk und Obstbäume erkennen.
Es war geplant, dass Krähmer und «Basti» den Pferden in die Zügel fassen und so die Kutsche zum Anhalten zwingen sollten. Doch die beiden verließ der Mut, worauf der Anführer «Hölzerlips», welcher der stärkste von allen war, selbst erfolgreich diese gefährliche Aufgabe erledigte.
Am zweiten Bogen passiert es. Hofmann sieht Schatten, hört gekeuchte Kommandos, will die Pferde antreiben, aber da fällt jemand den beiden Kutschpferden in die Zügel. Hofmann verspürt einen heftigen Schlag, die linke Gesichtshälfte brennt wie Feuer, er hört Schläge, die auf die Kutsche fallen, registriert auch noch, wie die Reisenden, zwei Schweizer Kaufleute, aus der Kutsche flüchten, er nimmt auch wahr, daß die Reisenden von den Räubern verfolgt werden. Er hört die Schreie der Passagiere. Er sitzt wie gelähmt auf dem Kutschbock. Erst als einer der Räuber ihn auffordert, auf die Pferde aufzupassen, klettert er von der Kutsche herunter.
Als die Pferde standen, erhielt der Postillion vom «langen Andres» und «Köhler-Andres» einige Hiebe. Er wurde gezwungen abzusteigen, sich vorn zu den Pferden zu stellen und diese zu halten. Die beiden Reisenden, zwei Schweizer Kaufleute namens Hanhart und Rieder, wurden im Schlaf von dem Überfall überrascht. Sie erwachten erst, als die Räuber mit ihren Prügeln auf die Kutsche schlugen, um die Insassen in Furcht und Schrecken zu versetzen und zum Herausspringen zu bewegen. Als die Kaufleute aus der Kutsche sprangen, erhielt jeder von ihnen auf der Straße einen so heftigen Schlag auf den Kopf, dass er betäubt zu Boden stürzte.
Der Überfall spielt sich in Ruf- und Sichtweite des Bergstraßendorfs Hemsbach ab. Die Straße wird in den Nachtstunden kaum befahren. In Hemsbach schlafen die rechtschaffenen Bürger. Dennoch gibt es einen Zeugen. Ein Weinheimer Postknecht wandert in dieser Nacht durch Hemsbach. Er soll Briefe nach Heppenheim bringen. Er nähert sich dem Ort des Überfalls bis auf wenige Schritte. Da schreckt ihn ein Schrei auf: „Laßt mir mein Leben!“ Der Postknecht rennt daraufhin nach Hemsbach zurück, trommelt mit den Fäusten gegen die Fensterläden eines am Ortsrand liegenden Hauses, alarmiert so den dort wohnenden Winzer und Straußenwirt Wolf. Der wiederum schreckt ein wenig später den Schultheiß Anton Wigand aus dem Schlaf und schließlich läutet der Küster der katholischen Kirche auf Befehl Wigands das vorzeitige Ende dieser Nacht ein.
Zum Glück für den Kaufmann Rudolph Hanhart war seine Betäubung von längerer Dauer. Zwar bekam er noch einige Schläge, aber nur auf den Rücken. Dagegen erholte sich der Kaufmann Jacob Rieder aus Winterthur, als ihm die Räuber sein Geld und seine Uhr abnahmen, erhielt vom «langen Andres» insgesamt neun Hiebe, bat um sein Leben und wollte alles hergeben, was er besaß. Rieder versuchte, das Mitleid seines Peinigers zu erregen, indem er angab, dass er Vater von sechs Kindern sei. Doch der «lange Andres» prügelte weiter auf ihn ein. Als der auf der Erde sitzende Rieder den Prügel festhalten konnte, zog der «lange Andres» seine geladene Pistole und schlug mit dem Kolben und Schloss seinem Opfer auf den Kopf und die Stirn, bis dieser den Prügel losließ, erneut betäubt und völlig ausgeplündert wurde.
Während der Misshandlung des Kaufmanns Rieder brachen Veit Krähmer und «Manne Friederich» einen Koffer, der hinten auf die Kutsche gepackt war, auf und raubten den gesamten Inhalt. Anschließend wurde die Kutsche selbst nach Beute durchsucht. Dann zogen die Räuber mitsamt ihrer Beute ab.
Von Wigand stammt der erste offizielle Bericht vom Hemsbacher Raub. Um drei Uhr nachts schreibt der Schultheiß an das vorgesetzte Amt Weinheim: … ich (ließ) unverzüglich drey Rotten der hiesigen Bürgerschaft aufbrechen und gegen Laudenbach streifen. Kaum war dieses geschehen, so kamen zwey Kaufleute in einer Chaise hier angefahren; ich verfügte mich gleich zu denselben und schickte zugleich nach dem Chirurg, welcher denn auch die Wunden des einen Kaufmannes verband. Dieser ist so arg geschlagen, daß ich Gefahr für sein Leben befürchtete. Der andere Kaufmann hat auch Schläge erhalten, so wie der Postknecht, welcher beyde führte, aber nicht so gefährlich. Nach Aussage des Postkutschers waren es zehn bis zwölf Spitzbuben; – sie waren theils mit kurzen Wämsern, theils mit Kitteln bekleidet. Übrigens ist der eine Kaufmann aus Winterthur in der Schweiz, der andere aus Zürich. Das Geraubte besteht, nach geschwinder Übersicht, in etwas Geld, zwey goldenen Uhren und den Kleidern der Kaufleute. Endlich sagte der Chirurg, daß es nothwendig seye, daß der Herr Doctor sogleich hieher komme und stärkende Mittel mitbringe, indem beyde Kaufleute sehr schwach seyen.
Wigands Report läßt vieles aus, ist auch in einigen Passagen nicht exakt, weil Polizeiliches im Dienst des Schultheißen auf das Aushorchen von Felddieben beschränkt ist. Aber der Wigand’sche Report erfüllt dennoch seinen Zweck: Er veranlaßt die Herren des Weinheimer Amtes zum überstürzten Aufbruch in das nahe Hemsbach. Die Weinheimer platzen in die lärmende Prahlerei der zurückkehrenden Rotten, beginnen das Informativ- Verfahren mit der Besichtigung der Kutsche. Der Amtsschreiber notiert: “ … keine Beschädigungen, allerdings sey der hinten aufgeschraubte Koffer gewaltsam geöffnet worden; Deckel und Lade zeigten unverkennbare Spuren eines Brecheisens.“ Der Postknecht Hofmann, immer noch unter der Einwirkung des Schocks, gibt eine zusammenhängende Darstellung der Tat. Er sagt, die Kerle seien von beiden Seiten der Chaussee auf die Kutsche zugestürmt, zwei Räuber hätten die Pferde aufgehalten. Er sei gleich zu Beginn des Angriffs von einem Schlag getroffen worden (Hofmann weist auf die Wunde im Gesicht -links). Einer der Räuber habe ihn angeherrscht: Halt stille oder wir schlagen dich tot!
Was war mit den Reisenden? Hofmann: Die seien plötzlich aus der Kutsche gestürmt, vorwärts gegen Hemsbach zu geflüchtet, immer die Chaussee entlang, etwa fünfzig Schritte. Weiter? Ein Teil der Räuber habe die Schweizer Herren verfolgt, die anderen hätten am Koffer hantiert, der hinten an der Chaise aufgeschraubt ist. Und er. .. ? „Ich blieb bei meinen Pferden.“ Was er da wahrgenommen habe? „Ich hörte die Reisenden schreien und lamentieren. Sie schrieen: Bringt uns nicht um. Ich habe deutlich das Auffallen der Schläge gehört. Es muß ihnen alles mit Gewalt genommen worden sein.“ Die Verfolger seien dann zurückgekommen. Er habe gehört, wie einer sagte: Los, wir wollen einpacken und fortziehen! Wie sprachen die Räuber? Hofmann meint, sie hätten in „einer hierländischen Mundart“ gesprochen. Danach seien die Banditen in zwei Partien wegmarschiert, die eine Richtung Hemsbach, die andere in Richtung Laudenbach. Und wieviele waren es? Hofmann meint: Zehn oder zwölf. Und er fügt hinzu, einige hätten blaue Wämser getragen. Nach dem Abzug der Räuber hat dann Hofmann die Sitzkissen aufgelesen und in die Chaise zurückgelegt. „Die Räuber haben sie vermutlich auf die Straße geworfen“, sagt er, und der Weinheimer Schreiber notiert auch diese Nebensächlichkeit. Dann, sagt Hofmann, sei er bis zu der Stelle gefahren, wo er die Reisenden vermutete. „Ich rief: Meine Herren, sind sie noch da? Ich erhielt aber keine Antwort und weil ich nicht wußte, ob sie vorausgegangen oder gar schon tot seien, so fuhr ich fort bis Hemsbach, um zu veranlassen, daß von da aus nach ihnen gesehen werde.“
An dieser Stelle muß nun Wigands Report berichtigt werden. Hofmann hat also die Schweizer nicht aufgelesen und nach Hemsbach gefahren. Vielmehr hat der Kaufmann Rudolph Hanhart aus Zürich den schwerverletzten Reisegefährten Jakob Rieder ins Dorf geschleppt. In Hemsbach gibt es kein Hospital. Wigand hat den schwerverletzten Rieder im katholischen Pfarrhaus untergebracht.
Aber er kann ihn nicht dem Zugriff der Weinheimer entziehen. Die Weinheimer haben zwar einen Amtsarzt mitgebracht, den Dr. Falk, und der möchte gerne eine Vernehmung des Verletzten verhindern, kann es jedoch nicht. Der Amtsschreiber nimmt lediglich die Bedenken des Arztes zu Protokoll. „Der Vertreter des Physikats erklärt, daß Herr Rieder der strengsten Körpcr- und Geistesruhe bedürfe“, notiert der Schreiber. Jakob Rieder ist ein robuster Mann, fünfundvierzig Jahre alt, verheiratet, Vater von sechs Kindern. Er stammt aus Winterthur, ist vermögend, Mitbesitzer einer 1775 gegründeten Kattundruckerei. (Hanhart sagt später, Rieder habe aus der Kattundruckerei ein florierendes Unternehmen gemacht, seine Kundschaft immer mit den neuesten Dessins der Mode versorgt). Rieder sagt aus, er sei aufgewacht, als die Kutsche plötzlich hielt. Fast zur gleichen Zeit seien Schläge auf den Kutschkasten gefallen. Er habe sofort an einen Raubüberfall gedacht – und an Flucht. Er selbst habe die Chaisentür aufgerissen, sei ins Freie gestolpert. Die ersten Schläge habe er gleich nach dem Verlassen der Kutsche verspürt – heftige Hiebe seien es gewesen. Es sei ihm dann aber doch gelungen, an den Pferden vorbei die Straße zu gewinnen. Von den Schlägen sei er so benommen gewesen, daß er eigentlich mehr getaumelt als gesprungen sei. Dann sei er gestolpert und einen Abhang hinuntergefallen. Nun hätten die Räuber ihn mühelos einholen können. Rieder gibt an, er sei wiederholt und sehr heftig geschlagen worden. Von den heftigen Stockschlägen seien ihm die Sinne geschwunden. Er wisse nicht, wie lange die Ohnmacht gedauert habe. Wieder zu sich kommend habe er zunächst Hanhart erkannt und der habe ihn sogleich beruhigt: die Räuber seien auf und davon.
Rieder versichert den Weinheimern, daß er nur einmal bei der wütenden Attacke in Ohnmacht gefallen sei. Er fühle momentan starke Schmerzen, aber er könne nicht behaupten, daß ihm von Zeit zu Zeit die Sinne schwänden. Er könne sich auch nicht erinnern, daß er sich nach dem Angriff erbrochen habe. Wieviele haben geschlagen, wie sahen die Leute aus? Rieder weiß es nicht. Der Amtmann läßt auch die Aussagen des Arztes ins Protokoll aufnehmen: “ … Rieder hat zehn, meistens sehr bedeutende Kopfwunden, wovon die eine die Nasenbeine aus ihrer Verbindung unter sich und mit dem Stirnbeine gebracht hat, überdies aber auch noch andere, minderbedeutende Verletzungen an sich.“
Rudolph Hanhart aus Zürich, sechsunddreißig Jahre alt, ist nur leicht verletzt. Laut Protokoll hat er eine Kontusion (das ist: eine Quetschung) an der rechten oberen Stirngegend erlitten. Auf diese Verletzung angesprochen, erklärt Hanhart, er sei geprügelt worden. Sein Bericht deckt sich mit den Aussagen des Postknechts Hofmann und denen seines Reisegefährten. Zum Kummer der Befrager kann auch Hanhart keine Täterbeschreibungen liefern.
Die Streifer sagen: Die Nacht hat das Gesindel geschluckt. Eine Rotte hat am Tatort Reste aufgeklaubt: eine graue Filzkappe mit blauem Taftfutter, sechs rote und blaue Sacktücher, zwei Paar wollene, ein Paar leinene und ein Paar graue, florettseidene Strümpfe, eine weiße, leinene Kopfbinde, ein Paar schwarze Tuchgamaschen, ein Sackmesser mit Feuerstahl. Diese Dinge gehören zweifellos den Schweizer Kaufleuten. Der Protokoll er bucht also diese Fundsachen aus der mit Hanharts Hilfe erstellten Liste der geraubten Habe wieder aus. Er darf auch eine leinene Kopfbinde mit eingesticktem Monogram: J. R. aus der Liste der geraubten Gegenstände streichen. Die Binde wurde von der zweiten Rotte am Thaläckerweg gefunden, der in die Vorberge führt. Zwei wichtige Beweisstücke haben die Rotten gesichert, frischgeschnittene Buchenprügel mit deutlichen Blutauftragungen. Ein Prügel lag beim Tatort (dreieinhalb Schuh lang, ein halbes Zoll dick), der andere Prügel wurde auf dem Thaläckerweg kurz vor Oberlaudenbach gefunden. Er ist vier Schuh lang und ein Zoll dick ( 1 Schuh = ca. 32 cm).
Am Morgen beginnt der offizielle Augenschein des Tatorts. Zu den Weinbergen hin steigt das Terrain etwa zwölf Schuh (etwa vier Meter) an, zur Ebene hin fällt es um acht Schuh (knapp drei Meter) ab. Von Laudenbach kommend hatte die Kutsche exakt zwei Drittel des Weges nach Hemsbach zurückgelegt. Die Weinheimer Herren suchen nach Spuren. Die vom Regen aufgeweichten Chausseeränder sind arg zertreten. Nur eine bestimmte Spur zeichnet sich deutlich ab: es sind die Fußabdrücke eines Mannes von riesiger Gestalt.
Am Vormittag des 1. Mai verlassen die Weinheimer Herren Hemsbach. Der Fall sei für das Weinheimer Amt eine Nummer zu groß, erläutern sie dem übermüdeten Wigand. Zuständig sei hier das Stadtamt Heidelberg. Hanhart will noch rasch eine Verlegung des Reisegefährten veranlassen. Aber Dr. Falk winkt ab. Zu riskant. Hanhart fleht die Weinheimer an: Der Herr Rieder bedarf der dringenden Hilfe der allerbesten Ärzte. Deshalb müsse er nach Heidelberg gebracht werden. Die Weinheimerwollen keine Entscheidung treffen. Sie verweisen den Fall Rieder auf den Dienstweg. Ein reitender Bote soll Hanharts (und wohl auch Rieders) Bitte dem Mannheimer Hofgericht übermitteln. Ein zweiter Bote reitet nach Heidelberg, die Protokolle des Informativ- Verfahrens in der Kuriertasche, in einem Bündel sorgfältig eingeschlagen, zwei Buchenprügel. „Bring das dem Herrn Pfister“, befehlen die Weinheimer dem Boten.
…und was weiter geschah
Die Räuber zogen also mitsamt ihrer Beute ab. Laut Beschreibung von Hofmann seien die Banditen in zwei Partien wegmarschiert, die eine Richtung Hemsbach, die andere in Richtung. Warum?
Zunächst über Oberlaudenbach hinweg zur Juhöhe. Dort, am so genannten Juchhe-Häuschen, einem beliebten Treffpunkt von Räubern und Dieben, ließen sich vom Wirt Michael Fuhr Apfelwein geben, kehrten jedoch nicht ein. Nehmen wir mal an, der war Überfall etwa gegen 2 Uhr beendet. Von Laudenbach sind es etwa 4km über Oberlaudenbach zur Juhöhe, also gut in einer Stunde zu schaffen.
Läuft man von Hemsbach durch den Wald in Richtung Oberlaudenbach und dann die Straße zur Juhöhe hinauf sind es etwas weniger als 6km. Somit dürften die Räuber gegen 3 Uhr, spätestens halb 4 Uhr in der Nacht den Wirt aus dem Bett geholt haben. Von dem kurz zuvor geraubten Geld bezahlten sie also ihre Zechschulden vom 29. April 1811. Dem Wirt schenkten sie eines der geraubten Halstücher und setzten dann ihren Marsch in den Odenwald fort.
Veit Krämer berichtet bei den späteren Untersuchungen gegenüber Pfister: Jeder von uns hatte ein Bündel zusammengerafft. Nach eienm dreistündigen Marsch habe Hölzerlips gesagt, nun könne man rasten. Aus den Beutestücken habé man sechs gleichgroße Haufen gebildet und jeder habe seinen Anteil genommen. Was nicht bei den Haufen gewesen ist, sei versteigert worden. So habe zum Beispiel der Basti 22 Gulden für eine Uhr bezahlt.
Weiter erfahren wir, man sei in der Nacht bis etwa in die Gegend von Waldmichelbach marschiert. Inzwischen war es längst hell.Von hier aus weiter ins Sensbachtal, von da aus Richtung Eberbach. Um das Städtchen habe man einen Bogen geschlagen. Ziel war der Höllgrund, wo sie schon am Abend ankamen.
Am Morgen des 2. Mai 1811 tranken die Räuber im Wirtshaus im Höllgrund sehr viel Branntwein. Dabei kamen diese Kerle mit ihren Bündeln, einem Großherzoglich Hessischen Soldaten recht verdächtig vor und er machte deswegen einige Bewohner des Höllgrunds auf sie aufmerksam. Als Hölzerlips, Mannefriederich, Köhler-Andres und der Basti das Wirtshaus verliessen, versuchten die «Streifer» die Räuber festzuhalten. Allerdings konnten sie nur den Mannefriedrich stellen, den anderen gelang die Flucht. Auch die Bündel, welche die Räuber flüchtend abgeworfen hatten, wurden sichergestellt und zusammen mit Schütz dem Amte Zwingenberg überführt.
Veit Krämer gab an, den Höllgrund schon gegen 10 Uhr verlassen zu haben. Der Lange Andres war bei ihm. Krämer wollte sich mit seiner Frau in Mülben am Feuerplatz treffen….
Aber das ist eine andere Geschichte.
Quellen:
[1] PFISTER, LUDWIG: Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwald : enth. vorzügl. auch die Geschichte der Beraubung und Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf d. Bergstraße
[2] REUSS, DIETER/DIETRICH, PETER: Bericht vom poetischen Leben der Vaganten und Wegelagerer auf dem Winterhauch, besonders aber vom Aufstieg des Kastenkrämers Hölzerlips zum Odenwälder Räuberhauptmann, Modautal-Neunkirchen, Anrich 1978
[3] PROBST, ERNST: Der Schwarze Peter, Ein Räuber im Hunsrück und Odenwald; Verlag Ernst Probst, 2005