Nachtrag zu der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwalde. Enthaltend vorzüglich auch die Geschichte der weitern Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung der Mörder des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur. Nebst einer neueren Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache.
Der Beifall, mit welchem man, besonders von Seiten gar man eher wackerer Geschäftsmänner die Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner Sprache im ersten Theile aufgenommen hat, veranlasst mich, hier eine Fortsetzung dieser Sammlung zu geben. Sie besteht zum Theile aus weiterer Aushebung meiner früheren Collectaneen, teils aus Benutzung einiger zerstreuten Bekanntmachungen, zum größten Theile aber aus neueren Aufnahmen und Vergleichungen, welche ich machte. Ich habe, wie man bemerken wird, geflissentlich auch auf Anführung der besondern Aussprache Rücksicht genommen. Man wird auch hier wieder die schon gemachte Bemerkung bestätiget finden, dass ein sehr großer, vielleicht der bedeutendere Theil dieser Wörter aus der hebräischen oder vielmehr aus der Juden: Sprache und aus jener der Zigeuner entlehnt sei. Dies führt allerdings mit einigem Grunde auf die Vermutung, dass die sogenannten Gauner ursprünglich nichts anderes gewesen seien, als einzelne Christen, welche sich bald aus diesem, bald aus jenem Beweggrunde, teils an Zigeunerhorden, teils an vagierende Juden anschlossen; sich nach und nach vermehrten, eigene Horden bildeten; und nach Vertreibung der Zigeuner und Verminderung der Betteljuden allein übrig und ruhig und ungestört blieben; weil man ihr eigentliches Thun und Treiben noch nicht, wenigstens noch nicht in seinem ganzen Umfange, kannte, und noch nicht von dem schädlichen Zusammenhang dieser neuen Nomaden unter sich unterrichtet war.
Wenn man diese Vermutung einiger Glaubwürdigkeit wert erachtet; so wird man davon leicht auf die Idee kommen, und sie für richtig anerkennen, dass, so wie es möglich war, die zahllosen Zigeunerhorden und unzählbaren Schwärme von Betteljuden, welche Deutschland überschwemmt hatten, auszurotten; es eben so leicht möglich sei, die Gauner zu vertilgen, wenn man nur erst in vollem Ernste will.
Die Bemerkung, welche ein Herr Br., von Aschaffenburg aus, in den Nummern 174 und 175 des allgemeinen Anzeigers von 1812 gemacht hat, bestimmt mich, noch folgende kurze Erklärung hier beizufügen: Was Herr Br. über die Etymologie und Orthographie meiner Wörtersammlung sagt, wusste ich teils bestimmt, teils vermutete ich es, und kam dadurch auf die Idee: diese meine Sammlung einem hiesigen sprachkundigen Gelehrten vorzulegen, auch diesen zugleich zu eigner Ausforschung der Gauner über ihre Sprache aufzufordern, damit er die Abstammung und die Rechtschreibung der Wörter aufsuche, bestimme und mich in den Stand setze, die wahren Wurzelwörter und die richtige Orthographie , – nicht wie Herr Br. zu verlangen scheint, allein zu geben, sondern den gesammelten nach der Aussprache der Gauner niedergeschriebenen Wörtern beizufügen. Hätte ich meine Idee verfolgt, und sie nach dem nun geäußerten Wunsche des Herrn Br. ausgeführt; so hätte ich zwar eine Sammlung echt Hebräischer Wörter geliefert, für die mir kein Mensch gedankt hätte, aber keine Sammlung Jenischer Wörter, die ich einzig geben wollte. Der Hebräer hätte ihrer nicht bedurft, da er sie längst kannte, – ein Nicht-Hebräer oder ein Gauner hätte sie nicht verstanden, weil sie so nicht gesprochen werden, wie ich sie dann geliefert hätte, und dem Richter und Polizei-Beamten wäre sie ohne allen Nutzen gewesen, weil er darin die Wörter, welche er, oder andere, von Gaunern vernahmen, nicht, sondern nur jene gefunden hätte, deren die Gauner sich hätten bedienen müssen, wenn sie echt hebräisch hätten sprechen wollen. Ich hatte wirklich schon meine vorgedachte Absicht einem meiner hiesigen gelehrten Freunde mitgeteilt; – ging aber später, motu proprio, wieder davon ab, indem ich bedachte, dass ich, nach meinem vorgesteckten, einzig Nutzen bringen könnenden Zwecke, nur eine Sammlung Jenischer Wörter, wie sie wirklich von den Gaunern am Main – ausgesprochen werden; – nicht wie sie ausgesprochen wer den sollten, zu liefern hatte; – dass es den praktischen Kriminalisten bei seinen Geschäften durchaus nicht interessieren könne, zu wissen: woher die Wörter abstammen und wie sie der Hebräer schreibe, welche ich lieferte; – sondern dass nur dadurch Ihm und durch Ihn dem ganzen Publikum ein Dienst geleistet werden könne, wenn er erfahre : was der Gauner sagt, wenn er ein von mir aufgenommenes Wort so ausspricht, wie ich es nach seiner Aussprache geschrieben habe; – und dass bei einem Werke, wie ich es lieferte, und wenn ich meine Absicht (möglichste Gemeinnützigkeit) erreichen wollte, liefern musste, alle gelehrte Ostentation um so mehr vermieden werden musste, wenn sie durchaus nicht zur Sache gehört, und, beim Lichte betrachtet, bloße Micrologie ist.
Noch finde ich diese meine Betrachtungen richtig, und darum folgt auch diese weitere Sammlung ganz nach der früheren Weise.
Wenn es Herrn Br., welcher hier abermals reichlichen Stoff zu weiterer linguistischen Recherche finden wird, nicht zu viele Mühe bei so wenig Umfang dieser seiner Arbeiten macht, so mag er seine erworbene wissenschaftliche Kenntnis der hebräischen Sprache auch hieran wieder zu eigner Unterhaltung und zum Vergnügen jener, welchen es Spaß macht, üben; – nur bitte ich ihn recht schön, meine Gauner: Idylle nicht von den hebräischen Entstellungen zu reinigen; – denn sie soll durchaus nichts weiter sein, als eine Gauner : Idylle, kein hebräisches Gedicht; sonst hätte ich, mit leichterer Mühe, einige Verse des hohen Liedes aus einer hebräischen Bibel abdrucken lassen. Der Zweck ihrer Dichtung ist ja Seite 232 des ersten Theils deutlich angegeben. Will Herr Br. sie aber durch aus rein hebräisch haben, so erlaube ich ihm, mit vielem Vergnügen, sie ganz und gar in diese Sprache zu übersetzen und zu seinem eigenen Vergnügen, in perpetuam studii sui et laboris memoriam, aufzubewahren; – einen andern Werth kann sie dann nicht mehr haben.
Was würde (sit venia: magna componere parvis!) aus Hebels allemannischen Gedichten werden, wenn irgendein anderer Hr. Br., ausgerüstet mit einiger erworbenen wissenschaftlichen Kenntnis der deutschen Sprache, es unternähme, sie von den hochdeutschen Entstellungen zu reinigen ? – Ihre Haupttendenz: der Ausdruck ländlicher Natur und Sitten, wie man sie in dem Winkel des Rheins zwischen dem Frikthal und dem ehemaligen Sundgau wirklich findet, wäre zernichtet; – und wer würde begreifen, was der Allemanne sagen wolle, wenn Herr Hebel in den Erklärungen der allemannischen Wörter nicht wie der Allemanne spricht; Basseltanz, sondern Passe le temps; … geschrieben hätte ?
Eheu – jam satis est !