Actenmäßige Nachrichten von dem Räubergesindel in den Maingegenden, dem Odenwald und den angrenzenden Ländern. Besonders in Bezug auf die in Darmstadt in Untersuchung befindlichen Glieder desselben Von C.F. Brill, Großherzogl. Hessischem Kriminal-Richter zu Darmstadt. Erste Abtheilung.
Dies sind die Verbrechen, welche Heusner in seinem Untersuchungs-Protokoll eingestanden hat. Man wird über ihre große Anzahl erstaunen, wenn man bedenkt, dass derselbe zuerst 36 Jahre alt ist, und sie nach seiner eigenen Angabe die ganze Menge seiner Verbrechen noch nicht begreifen. Heusner stand auch mit dem berüchtigten Schinderhannes in Verbindung und es hätte vielleicht keinen größeren Zeitraum mehr bedurft, dass dessen Name als Räuber-Anführer berüchtigt geworden wäre, als der des Schinderhannes. Viele der erzählten Verbrechen hat Heusner mit bekannten Mitgliedern der Bande von Schinderhannes verübt: von diesem, meint er, sei mehr Getöse und Lärmen gemacht worden, als er als Räuber verdient hätte, er wirft ihm in dieser Hinsicht besonders Feigheit vor.
Einmal war Heusner mit dem Schinderhannes und andern Mitgliedern seiner Bande über den Rhein von Semd aus auf Verbrechen gezogen und etwa 16 Tage drüben geblieben; es geschah indessen nichts von Verbrechen, weil, wie Heusner sagt, dazumal die neue Garde (Gensd’armerie) errichtet worden und sie deshalb nichts hätten unternehmen können. Sie lagen während ihres Aufenthalts jenseits des Rheins meistenteils in Waldungen. Der bekanntlich von dem vormaligen Peinlichen Gerichtshof zu Mainz zu 22jähriger Zuchthausstrafe verurteilte Vater des Schinderhannes kam hierher einst zu ihnen, und förderte diesen seinen Sohn, nach Heusners Erzählung, bei Allem, was ihm heilig sein könnte, auf, von seinem Räuber-Leben abzulassen, allein vergeblich.
Schinderhannes lachte der Tränen und Ermahnungen seines Vaters. Heusner sagt, wenn er noch daran denke, wie der alte Mann seinen Sohn mit entblößtem Haupte gebeten habe, so mögte er weinen.
In der Folge veruneinigte sich Heusner mit Schinderhannes zu Semd, wo er mit dem Grasmann zu demselben und andern seiner Bande gekommen war. In einer dabei entstandenen heftigen Schlägerei wurde Heusner so zerschlagen, dass er vor dem Blut das ihm über das Gesicht strömte, nichts mehr sehen konnte. Er würde, wie er sagt, den Schinderhannes damals ermordet haben, wenn ihm das herabströmende Blut zu sehen erlaubt hätte.
An den Teilnehmern an den sub. No. I., II., III. und IV. erzählten gewaltsamen Einbrüchen sieht man, dass Heusner auch mit den Mitgliedern der Neuwieder Bande in Verbindung stand. Mit dem berüchtigten, in Keils Aktenmäßiger Geschichte usw. als Hauptglied dieser Bande vorkommende, Johann Müller kam Heusner einstens bei Lohr im Fürstentum Aschaffenburg zusammen. Müller hatte mehrere von der Niederländer Bande, besonders Juden, bei sich und war eben auf dem Weg in die Gegend von Schwäbisch-Hall, um dort einen Raub auszuführen. Auch Heusner wurde zu dem Unternehmen angeworben und in das Wirtshaus zum Riesen nach Walddürn, als dem bestimmten Sammelplatz, bestellt. Er kam indes nicht dahin, weil, wie er angibt, Schinderhannes ihm abgeraten hatte.
An dem bekannten mit offener Gewalt und Mord in dem Pfarrhause zu Dettingen in der Nacht von dem 4ten auf den 5ten Februar 1807 verübt wordenen Raub, den Herr Stadt-Direktor D. Pfister in seiner Aktenmäßigen Geschichte Thl. Il. p. 126, erzählt, will Heusner keinen Anteil gehabt haben, ob er gleich nicht nur in der zu Aschaffenburg wegen dieses Verbrechens geführten, Untersuchung, sondern auch von Peter Eichler als Teilnehmer angegeben war.
Am 27ten Mai 1807, Abends elf Uhr zogen ungefähr 30 bis 40 Mann, unter Lärmen und Singen in das sehr volkreiche Ort Lengfeld in dem Großherzogl. Hessischen Ams Otzberg. Der Nachtwächter wurde aufgegriffen und gebunden. Den Kirchhof besetzten die Räuber, um das Stürmen zu verhindern, mit Wache. Unter fortwährenden Lärmen und Singen ging der Zug nun an die Behausung des 80jährigen Amts-Unkosten- Erhebers Walter. Dieser war mit seiner Familie noch nicht zu Bette, hörte gleich dieser den Lärmen.
Niemand ahndete aber darin eine Vorbedeutung von dem, was kommen sollte. Plötzlich wurde das Hoftor mit dem Rennbaum eingestoßen, die Räuber drangen mit brennenden Lichtern in den Hof, sprengten die in denselben führende Haustüre ein, und stürmten nun in das Haus. Die Familie Walters wurde alsbald gebunden, mit Schlägen misshandelt und mi tBettung zugedeckt. Nur der alte Walter blieb von Misshandlungen verschont, da er gleich anfänglich durch das Fenster stockwerkshoch herabgesprungen war und sich auf einen Backofen verborgen hatte. Kisten und Schränke wurden zerschlagen und 2300 fl. Geraubt. Nicht unbedeutende Vorräte von Leinwand und andern Gegenständen blieben unberührt. Währenddem dieses geschah, wurde der Nachtwächter gebunden in die Stube gebracht und in eine Ecke geworfen. Nach vollbrachtem Raub zogen die Räuber unter Lärmen und Schreien wieder ab. Die Einwohner von Lengfeld hielten die Räuber für einen Trupp französischer Soldaten und blieben deshalb ruhig in ihren Wohnungen.
Nach Heusners Angabe haben an diesem Verbrechen der
Überrheiner Wilhelm
Itzig Muck
der in Wiesbaden hingerichtete Polack und
Salmge Haag
namentlich teilgenommen. Die Übrigen waren meistens Juden von der ehemaligen Neuwieder Bande. Die Räuber kamen in zwei Parthien von Frankfurt und Hanau her. Beide Parthien wussten nichts voneinander, jede aber hatte den Raub zu Lengfeld zur Absicht. Sie stießen auf dem Weg zusammen, vereinigten sich und führten den Raub gemeinschaftlich aus. Nach Heusners Angabe fand die Vereinigung wahrscheinlich in dem, ungefähr drei Viertelstunden von Lengfeld gelegenen Orte Habitzheim in dem Haus eines dortigen vertrauten Juden statt.