Der Post-Raub in der Subach begangen von acht Straßenräubern von denen fünf am siebenten October 1824 zu Gießen durch das Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht worden sind – Carl Franz, 1825
Der 7. Oktober 1824 war zum Tag bestimmt, an dem die Vollstreckung des Todesurteils statt finden sollte. Herr Kriminalrichter Danz, beauftragt, die Exekution zu leiten, begab sich drei Tage vor diesem Tage in das Gefängnis der Verurteilten, ließ sie alle in eine besondere Stube bringen, hier von einem Kommando Soldaten einen Kreis um sie schließen und ihre Fesseln lösen. Jetzt war ihnen endlich der Zeitpunkt erschienen, wo sie Gewissheit ihres Loses erhalten, wo die Würfel zwischen Leben und Tod fallen sollten. In banger Erwartung sahen die Sünder ihren ernsten Richter das Blatt entfalten, stumm und erwartungsvoll auf seine Lippen, die auf sie herab das Schicksal ihrer Zukunft sprechen sollten. „In dreimal 24 Stunden, sprach sein Mund, werdet ihr durchs Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht; bereitet Euch darauf vor und söhnt Euch mit Gott und der Menschheit aus!” Zermalmt von dem Worte, das dem Menschen raubt, was ihm auf Erden am liebsten gewesen, und überdenkend den Jammer, den er über Weib und Kinder ausgeschüttet, stürzte einer der Verurteilten, Heinrich Geiz, im ersten Anfall von Verzweiflung auf den Herrn Kriminalrichter Danz, wie ein Rasender los und konnte nur durch das Dazwischentreten der Wache wieder zur Ruhe gebracht werden.
Die wenigen Tage, die den dem Tode Geweihten noch zugemessen waren, verlebten sie unter trostgebendem Zuspruche von drei Geistlichen. Der allgemein verehrte Herr Stadtpfarrer Dr. Engel zu Gießen, so wie der würdige Herr Inspektor Brummhardt von Langgöns und Herr Pfarrer Starck von Ostheim übernahmen den hohen Beruf, sie auf diese nahe und letzte Reise vorzubereiten. Die Religion, die auch dem Gefallenen ihren Stab noch reicht, um sich an ihm wieder glaubensvoll emporzurichten, stärkte sie durch den Trost, durch wahre innige Reue ihrem Gotte wieder geschenkt zu werden. So ging zum letzten Mal die Sonne für sie auf, der Morgen brach an, der zugleich den Abend ihres Lebens begrenzen sollte. Auf dem Marktplatze vor dem Rathause standen schwarz aufgeschlagen die Schranken, von Soldaten umringt, und um sie herum drängte sich mit dumpfen Getöse die Menge.
Die Glocke rief acht, da wurde ein Tisch, schwarz behangen, in die Schranken gestellt und ihn umstanden schwarz beflohrte Stühle. Auf ihnen nahmen Platz der Herr Kriminalrichter Danz, neben ihm zwei Kriminalgerichtssekretären und die Verteidiger der Verbrecher. Darauf erhob sich der Richter, gebot, sich zu dem Volke wendend, Ruhe, und eine feierliche Stille herrschte im ganzen Umkreis. Hierauf erzählte er kurz die Verbrechen der Verurteilten, die jetzt zum Tode geführt werden sollten. Während dieser Zeit umgaben die Geistlichen die Sünder in ihrem Gefängnis und ermahnten sie, mit Reue und Ergeben in ihr Schicksal diesen letzten Gang zu gehen. Nachdem die Verurteilten darauf das heilige Abendmahl, das sie sehnlichst gefordert hatten, mit christlicher Reuung unter einem Strom von Tränen genossen, verließen die Herrn Geistlichen sie, damit sie diese wenigen Augenblicke ihres Lebens ihrem Gotte widmen mögten, vor dessen Richterstuhl sie in wenigen Stunden Rechenschaft ablegen sollten.
Da schlug es neun. Unter dem traurigen Geläute der Sterbeglocke näherten sich, begleitet von den Geistlichen, unter militärischer Bedeckung die Sünder den Schranken und dem Tische, worauf ihr Todesurteil lag, dessen Lade ihre Todesstäbe einschloss. Hier angekommen, stellten sie sich Hand in Hand an die eine Seite des Tisches und unter ihnen ein Vater neben seine zwei Söhne. Der Richter erhob sich sodann, rief ihnen nochmals ihre früheren Vergehen ins Gedächtnis und sagte ihnen, dass jetzt die Stunde ihrer Strafe mit dem Schwerte zum Tode gekommen sei. Dann nahm er die schwarzen Stäbe aus dem Tische, brach einem Jeden den seinen und warf ihnen mit den Stücken nun alle Hoffnung des Lebens zu Füßen. Nun brach man zum Richtplatze auf und strömend begleitete eine große Menschenmasse den Zug. Mit langsamem Schritte schwankten, geführt von ihren Seelsorgern, die Verbrecher der Richtstätte immer näher und näher. Angelangt am Blutgerüste, ließen sie sich auf eine Bank nieder, demütigten sich vor dem Allmächtigen in reuigem Gebete und flehten zu ihm um Gnade.
Hierauf bestieg Acker zuerst die Stufen des Schafotts, entkleidete sich selbst und ließ sich standhaft auf den Stuhl nieder, den Todesstreich zu empfangen. Sein Haupt fiel auf den ersten Hieb. Ihm nach folgte Wege und starb mit gleicher Fassung. Nun traf Jacob Geiz die Reihe. Fest umschlungen lag er in den Armen seines Vaters und Bruders und nahm einen herzzerreißenden Abschied von ihnen. Gestärkt durch den Trost der Religion, ging auch er den Weg mit Ruhe – und ein Hieb endigte sein Leben.
Seinem Bruder sollte Heinrich Geiz folgen. Er riss sich laut weinend von dem Halse eines verzweifelnden Vaters los, der dumpf vor sich hinstarrend keine Worte seines Schmerzes hatte. Auf dem Schafotte hob Heinrich Geiz sein Sacktuch in die Hohe und zerriss es mit den Worten: „Zerreißt mein Leben, so sollst auch du zerreißen!” Dann setzte er sich gelassen nieder und starb einen standhaften Tod.
Jetzt bestieg Hans Jacob Geiz das Blutgerüste. Mit schrecklichem Schaudern sah er auf den Stuhl, wo seine Kinder sich verblutet und ließ sich dann halb ohnmächtig auf ihn nieder. Ein Schwertstreich trennte sein Haupt vom Rumpfe.