Actenmässige Geschichte der Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden und mehrerer mit ihnen in Verbindung gestandener Verbrecher, Nebst Personal-Beschreibung vieler in alle Lande teutscher Mundart dermalen versprengter Diebe und Räuber- Von Friedrich Ludwig Adolf von Grolmann, Giessen 1813
Diese Schrift ist bestimmt, die Forderungen des Publikums zu befriedigen, die es an Publizität der Kriminal-Verhandlungen hat. Vorzüglich aber ist ihr Zweck, Justiz- und Polizei-Behörden die treue und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten für öffentliche Sicherheit zu erleichtern, Sie soll übrigens als Geschichte ein treuer Spiegel der Wahrheit sein. Sie soll in den Erscheinungen der Gegenwart der Vergangenheit Resultate erblicken lassen, und in den Ursachen der Fehler die Mittel zu verstehen oder an Händen geben, wie sie für die Zukunft können gehoben werden.
Dass meine Schrift Unterhaltung gewähren wird, hoffe ich, trotz der Mängel meines unter dem Geschäftsdrang manchmal gelittenen Vortrags. Ich hoffe es von der Mannigfaltigkeit und dem Interesse der behandelten Gegenstände, ob ich mich gleich bescheide, dass nicht Alles Alle interessieren wird, Nutzen für die allgemeine Sicherheit wird sie gewiss stiften, überall wo sie von Polizei- und mit dem Kriminalsache beschäftigten Justiz- Behörden gelesen und beherzigt wird. und für diese ist sie auch besonders berechnet. Ich selbst habe in meiner Amtsverwaltung, schon als dieses Buch noch im Werden war, vielfältig den Vorteil davon erprobet, wiewohl es natürlich für mich nichts neues enthielt. Wie wäre es möglich gewesen, die in so vielen einzelnen, in diesen und jenen Händen befindlichen Akten-Konvoluten enthaltene Data, – so meinem – Gedächtnis einzuprägen, um bei jeder neuen Einfangs bei jeder Requisition benachbarter Behörden, alles Relevante meinem Geiste wieder gegenwärtig zu machen, es zu finden, zu ordnen und an seine Stelle zu übertragen! Aber die mühsame und treue Extrakte, in der Form, wie sie dieses Buch geht, haben mir stets den Überblick erleichtert, und mich in den Stand gesetzt, das sonst unmögliche zu erfüllen.
Durch sie wird es nun einem jeden, sei ihm auch die hiesige Untersuchung noch so fremd, ein Leichtes, sich so darin zu orientieren, als wenn er sie selbst geführt hätte. Durch sie wird jede Behörde ohne Mühe sich die Masse der hiesigen Erfahrung aneignen, und sich in der kürzesten Frist alle die er wünschten Nachrichten verschaffen können, welche die weitläufigste Korrespondenz nur unvollkommen, und – oft zu spät, zu geben vermag. Aber auch denjenigen, durch eigne ausgebreitete Untersuchungen und Korrespondenz-Nachrichten instruierten Behörden, welchen Vieles, was in diesem Buch gesagt wird, nichts Neues mehr ist, wird diese Schrift wenigstens, so wie sie mir es hat, den Vorteil gewähren, dass sie den Überblick erleichtert, und sie der Mühe überhebt, wenn es gilt, aus verstaubten und zerstreuten Papieren das mühsam hervorzusuchen, woran sie mein Buch in einer Minute erinnern kann.
Ehe die hiesige Untersuchung zu dem Resultat gediehen war, das ich jetzt dem Publicum vorlegen kann, übernahm man hiesigen Orts, um des allgemeinen Bestens willen, manche Mühe, Kosten und Arbeit, die man mit bestem Fug Rechtens anderen Behörden hätte zuschieben können. Möchten nun, auch um des allgemeinen Bestens willen, wenigstens diejenigen Regierungen und obere Polizei- Behörden, deren Administrierten ich auf solche Art zu nützen das Glück hatte, die Verbreitung dieser Schrift in einem Zeitpunkt unterstützen, der für das literarische Fach so wenig günstig ist. Ohne Erröten darf ich diesen Wunsch aussprechen, da eine Erfüllung mir keinen Vorteil gewährt, und er bloß – von der auf Erfahrung gegründeten Besorgnisse diktiert wird, dass der dermalige Drang politischer Ereignisse und kriegerischer Unruhen, den Sinn für innere Sicherheit grade in einem Zeitpunkt betäuben möge, wo er bei der ihr drohenden Gefahr von außen, doppelt geweckt zu werden verdienet.
Die Einsicht und rastlose Tätigkeit, womit mein Bruder, der Großherzogl. Beamte zu Burg Gemünden, den ersten Grund zu der resultatreichen hiesigen Untersuchung legte, führe ich hier bloß um deswillen an, damit es nicht scheinen möge, als wollte ich durch gänzliches Stillschweigen über diesen Punkt, fremdes Verdienst mir zueignen. Auch verpflichtet die besondere Bereitwilligkeit, womit beinahe alle in- und ausländischen Behörden meinen Requisitionen entsprochen haben, mich zum innigen Danke.
Das Titel-Kupfer enthält die Abbildungen der meisten Haupt-Verbrecher, in mehr als bloßen Umrissen, und mit großer Treue. Wem daran liegt, sich auch die der übrigen zu versinnlichen, der wird durch die von mir mit pünktlicher Sorgfalt entworfenen Signalelements dazu gelangen könne. Freilich dürfte das Interesse hierfür hauptsächlich auf die Verehrer der Physiognomik und Schädellehre beschränken. Doch auch ohne sich hierunter zu zählen, wird mancher andere Polizei-Beamte und Menschenforscher vielleicht die Gelegenheit willkommen heißen, seine über die äußere Charakteristik der Spitzbuben – aus der Erfahrung gemachte Abstraktionen, an neuen Erscheinungen in der Wirklichkeit zu prüfen.
Gießen, im April 1813