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Nachtrag zu der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwalde. Enthaltend vorzüglich auch die Geschichte der weitern Verhaftung, VerUrteilung und Hinrichtung der Mörder des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur. Nebst einer neueren Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache.

Die gegen Veit Krähmer und seine Raubgenossen geführten Untersuchungsakten wurden den 15ten Oktober 1811 dem Großherzoglich Badischen Hofgerichte zu Mannheim, als der hierin kompetenten Gerichtsstelle, zur Entscheidung vorgelegt. Diese Gerichtsstelle ersah aus den Akten sogleich, dass hier von so vielen und so schweren Verbrechen die Rede sei, dass nur Todes- oder langwierige

Zuchthaus-Strafe gegen die Verbrecher erkannt werden könne; – und da nun in solchen Fällen, nach den bestehenden Landesgesetzen, Verteidiger von Amtswegen aufgestellt werden müssen, so wurde auch in dieser Sache ein Verteidiger ernannt und ihm die ganze Aktenlast zugestellt, damit er sich daraus den Stoff zur Verteidigung suche, ihn gehörig ordne, und dann seine Verteidigungsschrift einreiche.

Nach Vorschrift des Großherzoglich Badischen 8ten Organisations-Edikts, die Verwaltung der Strafgerechtigkeitspflege betreffend, müssen statt der, durch die Halsgerichts- Ordnung vorgeschrieben gewesenen Haltung feierlicher Blutgerichte und der diesen vorausgegangenen Besiedenung, in Fällen, welche eine zwei- und mehrjährige Zuchthausstrafe zur Folge haben könnten, feierliche Schlussverhöre gehalten werden. In diesen feierlichen Schlussverhören mussss der Inquisit, in Gegenwart zweier Urkundspersonen, noch einmal über kurze Fragen vernommen werden, welche sein Geständnis oder sonst das Hauptsächlichste seiner Aussagen über das Verbrechen und über die erschwerenden und mildernden Umstände enthalten. – Zugleich muss derselbe befragt werden: Ob er noch etwas zu seiner Verteidigung anzugeben wisse und ob er einen Rechtsfürsprecher verlange. Dieser gesetzlichen Vorschrift zufolge waren diese feierlichen Schlussverhöre mit jedem der in Heidelberg einsitzenden Gauner gehalten worden. Das erste mit Basti: Er lachte hellauf, als man ihn fragte: Ob er einen Verteidiger verlange, und bemerkte, indem er mit: Nein! antwortete: „Was soll der mir nützen? Mehr kann er zu meiner Verteidigung doch nicht sagen, als das, was ich selbst zu Protokoll gesagt habe.“ Unmittelbar nach ihm kam Manne Friederich in das Schlussverhör. Dieser hatte sich früher, zu verschiedenen Malen, ängstlich darnach erkundigt: Ob er hier auch einen Verteidiger erhalte ? und dabei erzählt: dass er es vorzüglich seinem Verteidiger in Arensberg zu verdanken habe, dass er dort so gut abgekommen sei. Er hatte früher, als er einst in der Registratur, wie dieses gar oft geschah, den Augenblick abwarten musssste, wo man seiner bei einer Konfrontation nötig hatte, sich die Rede eines Advokaten bemerkt, welcher dem Registrator von einem Prozesse erzählte, welchen er nun zum dritten Male gewonnen habe, und nach dem Abgang desselben den Registrator gefragt: Ob der Herr ein Advokat seie?- und auf die Bejahung dieser Frage erklärt: „Den will ich mir zum Defensor ausbitten, denn der muss es gut verstehen, da er denselben Prozess dreimal gewonnen hat.“

Später hatte er freilich manchmal in den Verhören gesagt: hier könne ihm ein Defensor nicht so helfen, wie in Arensberg, da seine hiesigen Geständnisse nicht ausgekratzt werden könnten; – doch hatte er nie die Idee: einen Defensor zu verlangen, aufgegeben; und man war darum ganz fest überzeugt, wann auch keiner der Inquisiten einen Defensor verlange, so werde es doch gewiss Manne Friederich thun, besonders da er mit Andreas Petry, welcher behauptete: er, Manne Friederich, habe einem der Schweizer auf den Kopf geschlagen, im Widerspruche war. Allein, zu allgemeinem Befremden, verlangte Manne Friederich keinen Defensor; – vielmehr bekannte er wiederholt: sehr sträflich, ja des Todes schuldig zu sein, und erklärte: „er wisse wohl, dass sein Leben einzig und allein von der höchsten Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Herrn Großherzogs von Baden abhänge, er nehme daher einzig und allein zu dieser höchsten Gnade seine Zuflucht und bitte Se. Königliche Hoheit, um Höchstdero Frau Gemahlin, Kaiserliche Hoheit, um der neugeborenen Prinzessin, – um Christi Blut und Gottes Barmherzigkeit willen, wann nicht aus Rücksicht für ihn, doch – „seiner Frau und Kinder willen, ihm das Leben zu schenken,“ usw.

Er wiederholte diese und ähnliche Tiraden so oft, so bestimmt in dem nämlichen Tone, wie ein bibelfester Spießbürger seine Sprüche und Predigtfragmente, dass man wohl sehe, dass er lange daran studiert, dass er sie auswendig gelernt und dass er einen besonders hohen Werth darauf gesetzt habe; so wie er dann auch ängstlich darüber wachte, dass seine ganze Phraseologie richtig beim Protokolliren beobachtet wurde. Daran hatte man aber nicht gedacht, dass er, der stets wiederholte: “ er wolle mit dem Großherzog keinen Prozess „führen“ (damit bezeichnete er das Verlangen eines Advokaten zum Defensor) – Andere dazu verleiten würde; und doch war es so. – – Am folgenden Morgen nach dem feierlichen Schlussverhör ließ – Manne Friederich sich zum Verhöre melden. Man glaubte, seine – gestrige Erklärung habe ihn gereut; er werde nun dennoch einen Defensor verlangen. Nichts weniger. Sein ganzer Vortrag bestand in der Bitte an Seine Königliche Hoheit den Großherzog, dessen höchster Gnade er sich wiederholt empfahl, ihm, wann er dennoch sterben müsste, zu erlauben, dass er zuvor noch einmal seine Frau sprechen dürfe. Offenbar war dieses nur ein Vorwand, denn der sonst so kluge Manne Friederich wusste wohl, dass er zu dieser Bitte noch lange Zeit habe, – und dass man ihm dieselbe, so wie man früher schon gar oft getan hatte, willig gewähren werde, wenn es so weit mit ihm kommen sollte. Bald zeigte sich, was seine eigentliche Absicht war. Beim Abgehen erklärte er: Basti, welcher seit mehreren Tagen bei ihm in demselben Gefängnisse saß, verlange ins Verhör. Man fragte ihn: Ob er nicht wisse, was derselbe wolle.

Er antwortete: Nein! Er glaube aber, es sei wegen einem Defensor, welchen er verlangen wollte. Man ließ den Basti vorkommen, und er erklärte: Er habe sich näher besonnen, er verlange nun einen Defensor; – und zwar einen Herrn, welchen er (was falsch war ) einmal in der Registratur gesehen und welcher denselben Prozess dreimal gewonnen habe. Man forderte ihn auf: jenen Herrn näher zu beschreiben; er konnte dieses aber nicht, und bat daher bloß im Allgemeinen um die Ernennung eines Defensors für sich. – – – Wer sieht nun hierin nicht eine, nach seiner Weise sehr fein

ausgesonnene Spitzbüberei des Manne Friederichs? Nach seiner Idee erschien ihm das Verteidigen als ein Prozess, welchen sie mit dem Großherzoge führten, – also als Etwas, wodurch Se. Königliche Hoheit aufgebracht werden und denken müssten: Die Kerls wollen noch gar nicht einmal einsehen, dass sie gefehlt haben, sie haben noch sogar die Frechheit, sich verteidigen zu wollen; – die verdienen keine Schonung, – kreuziget sie! Mitten in diesem höchstgerechten Unwillen des Herrschers, tritt nun aus dem verruchten Haufen der einzige Manne Friederich zerknirscht und zermalmt hervor, ruft reuevoll: Vater, ich habe gefehlt! – willig unterwerfe ich mich der wohlverdienten Strafe, – nur deine höchste Gnade kann mir Barmherzigkeit gewähren. Erschüttert, erweicht musssste, nach Manne Friederichs Berechnung, durch diese tragische, gleich einem Kotzebueschen Theaterstücke auf Rührung vorzüglich berechnete Wendung das Gemüt des Herrschers werden, – und dann hatte Manne Friederich gesiegt. Diese Erschütterung konnte aber nicht, – oder doch nicht in dem berechneten Grade erfolgen, wenn Andere auch keine Verteidiger verlangten; – darum stimmte er den Basti um ; – der musssste sich selbst in den Schatten zurück- stellen, um ihn, Manne Friederich, in seinem vorbereiteten hellstrahlenden Lichte besser hervorspringen zu machen. Er hatte aber seinen Plan falsch berechnet, der gute Manne Friederich; – denn auch nicht ein Einziger von allen hiesigen Inquisiten (außer Basti) verlangte einen Verteidiger.

Dennoch wurde vom Großherzoglichen Hofgerichte ein Verteidiger für sie Alle angeordnet. Ich muss bekennen, dass nach meiner Überzeugung die Verteidigung aller Inquisiten durch einen einzigen Verteidiger in dieser Sache zwar wohl tunlich, – aber nicht räthlich erscheinen konnte, da, obgleich sie wegen des Raubmordes unverkennbar als Coauctores und Socii ex Compacto zu betrachten sind und daher sie Alle gleiche Strafe treffen muss, den noch in den Augen der Inquisiten selbst und des Publikums, auf welches man doch immer einige Rücksicht nehmen sollte, die Interessen der einzelnen Räuber zu widerstreitend unter einander erscheinen. Wenn man auch, zu Vermeidung der dadurch freilich entstandenen, größeren Verzögerung, nicht jedem einzelnen Inquisiten einen eigenen Verteidiger hätte anordnen und durch diese Defensoren-Schaar ein Prioritäts- oder vielmehr Posteritäts-Verfahren hätte führen lassen wollen; so hätte doch, wie ich glaube, dem Bestellten (ut ita dicam) Procuratori Inquisitorum commussni ein Diabolus rotae entgegen gestellt werden sollen, um die von jenem etwa, auf Kosten der anderen, oder Einzelner von ihnen, gewagte Verteidigung eines Einzelnen gehörig zu beleuchten und das Interesse der Uebrigen zu wahren. Doch ich bescheide mich gern, dass diese meine Ansicht auch wohl irrig sein könne; – was ihr aber, in meinen Augen, immer noch einiges rechtliche Gewicht läßt, ist der Umstand, dass mit dieser meiner eigenen, früher nicht geäußerten Meinung eines praktischen Activ-Criminalisten, das Gefühl meiner Gegenfüßler, der praktischen Passiv- Criminalisten, nämlich der Inquisiten selbst, übereinkam. Wenn es richtig ist, dass, nach der alten Regel: fabricando fabri fimusss, der praktische Criminalist, nur durch das Inquiriren selbst vorzüglich gebildet werden könne; so ist dagegen eben so richtig, dass die Inquisiten durch das öftere in qui rirt werden gleichfalls eine criminalistische Bildung erhalten; – und insofern scheint denn auch jenes vorgedachte Gefühl der allerdings schon einen hohen Grad von criminalistischer Bildung sich erworben habenden Inquisiten allerdings einige Rücksicht zu verdienen.

Es war im December 1811, als ich, um den Veit Krähmer und Krämer-Mathes über das endlich eingekommene Verifications-Protocoll des Raubmords bei Königstein näher zu hören, nach Mannheim in das Zuchthaus kam. Keiner der Inquisiten konnte meine Ankunft wissen, und doch versicherten mich alle, indem sie mich jubelnd und unter Händereichen empfingen, einstimmig, dass sie von meiner Ankunft auf diesen Tag überzeugt gewesen wären, indem Andreas Petry ihnen, noch vor Tages- Anbruch, dieselbe, nach einem Traume, welchen er in der verflossenen Nacht (wie er wiederholt versicherte) gehabt, verkündet habe. Kaum war das Gespräch hierüber geendet, so beschwerte sich Manne-Friederich darüber: dass man ihm einen Verteidiger bestellt habe, wo er doch so bestimmt erklärt habe, dass er keinen verlange; – auch die andern, außer Basti, stimmten in diese Beschwerde ein. Ich suchte sie darüber zu beruhigen, indem ich ihnen vorstellte, dass es ja nichts Schlimmes sei, dass man sie dennoch verteidigen lasse. Nun erhoben sich aber alle und selbst Basti und behaupteten: Ein Defensor allein könne sie nicht alle zugleich verteidigen, weil sie unter sich selbst nicht ganz einig seien.

Als Episode und als kleiner Anhang zur Zuchthausphilosophie des Peter Eichler mag hier Folgendes stehen: Bei der so eben gedachten Anwesenheit im Zuchthause zu Mannheim ließ sich der, schon vor vielen Monaten, dahin gelieferte große Harzbub (Schmitt) bei mir melden. Sein Anliegen betraf eine unbedeutende Kleinigkeit. “Wie geht’s, Schmitt ?” fragte ich bei seinem Eintritt in das Verhör-Zimmer. – “Recht gut, Herr Direktor!” war seine Antwort.

“Nun das freut mich!” – entgegnete ich, und er erwiderte: – „Ja, Gottlob, recht gut, Herr Direktor; hier habe ich meine “Kost und meine Arbeit.” Der Defensor mag sich hüten, für diesen Schmitt, der so vergnügt im Zuchthause lebt, eine Verkürzung seiner Strafzeit zu erwirken.

Fälle der Art, wie der Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, welche das ganze nahe und entferntere Publikum affizieren, welche Tausende um ihre eigene und der ihrigen Sicherheit besorgt machen, und welche sogar die Aufmerksamkeit der Gauner selbst, hinsichtlich der vorgekehrt werdenden Maßregeln, spannen, erfordern durchaus, dass die Strafe, welche, leider! bei uns immer noch, nach alter Sitte, lahm hinter dem Verbrechen herhinkt, der Tat vorzüglich rasch folge. Nur dann kann sie den Zweck erreichen, welchen das Gesetz beabsichtigt. Erreicht sie diesen nicht, so erscheint sie zwecklos, und ist dann unverkennbare Grausamkeit gegen das Individuum, welches sie trifft, und kann, als solche, nur den widrigsten Eindruck auf das Publikum erzeugen, aus dessen Gedächtnis die Zeit das frühere Vergehen verwischt, – wenigstens die grellen Farben, womit es al fresco aufgetragen war, abgebleicht hat. Nach der in Deutschland noch üblichen Gerichtsverfassung ist aber ein schnelles Folgen der Strafe auf das Verbrechen durchaus unmöglich, – und eben darum sind vorzüglich diese Gerichtsverfassungen es, welche, wie so manches in dem ehemaligen heiligen römischen Reiche deutscher Nation, einer heilsamen Reform bedürfen.

Nur die in Frankreich, mit dem besten Erfolge, bereits eingeführten Special – Gerichte, – oder eigne Gerichtsstellen für Räuber und Gauner, ohne Gestattung eines Appellationszugs von denselben, können es möglich machen, die schnellere Aburteilung, welche das Publikum mit vollem Rechte fordert, herbeizuführen. Sollte hie und da die Errichtung solcher besonderer Gerichte, wenigstens für den Augenblick, wegen andern Rücksichten, untunlich sein; so könnte doch mit leichter Mühe und ohne besondere große – kein temporäres Auskunftsmittel gefunden werden. Wenn z. B. in der Untersuchungssache gegen Veit Krähmer und seine Raubgenossen die Einrichtung getroffen worden wäre, dass bei dem feierlichen Schlußverhöre zwei Verteidiger, nach der oben bezeichneten Weise, dann ein hiezu besonders committirter Ausschuß des Großherzoglichen Hofgerichts und Oberhofgerichts zugegen gewesen wären, – dass, nach geendigtem Schlußverhöre, die Verteidiger sogleich ihre Verteidigungen mündlich vorgetragen, dann, nach deren, der Inquisiten und aller Übrigen Abtretung, die Hofgerichts-Deputation ihr Urteil unter kurzer Anführung der Entscheidungsgründe gefällt, demnächst die Oberhofgerichts-Deputation es revidiert, im Uebereinstimmussngsfalle es sanctionirt und vollziehbar erklärt, im Nichtübereinstimmungsfalle aber ihr eignes Urteil, ebenfalls unter kurzer Anführung der Gründe, entworfen und dann beide Urteile, mit den Gründen, Großherzoglichem Justizministerio zur Bestätigung des Einen oder des Andern, vorgelegt hätte; so würde wenige Tage nach dem Schlusse der Untersuchung das Urteil haben vollzogen werden können, statt dass nun viele Monate bis dahin verlaufen.

Freilich ist eins, was Not tut. Unsere Advokaten und Richter sind nicht daran gewöhnt, mündliche Vorträge schnell aufzufassen, schnell die verschiedenen Seiten zu finden, ihre Gründe schnell zu sammeln, zu ordnen, vorzutragen, und dann das Punctum saliens zu finden. Man zwinge sie aber nur dazu, – und sie werden sich auch hieran gewöhnen. Die Kräfte wachsen im Drange. Haben es doch manche deutsche Richter und Advokaten jenseits Rheins auch gelernt! In der Untersuchungssache gegen Veit Krähmer und seine Genossen müssen sich die Verteidigungs- und Entscheidungsgründe in Allgemeine , das heißt solche, welche auf alle Teilnehmer, als Vaganten und Gauner, anwendbar sind, und in besondere, – diese Letzte aber wieder in solche teilen, welche nur aus dem zur Beurteilung kommenden einzelnen Factum, entnommen und auf dasselbe angewendet werden können, – dann in solche, welche nur auf einzelne Individuen als Teilnehmer daran Anwendung finden.

Die ersten, die Allgemeinen nämlich, müssen für den, welcher mit der Geschichte des Gaunerwesens nur einigermaßen bekannt ist, leichtaufzufinden sein, da sie nur hieraus entnommen werden können; – die andern, die Besonderen nämlich, lassen sich eben so leicht und schnell auffinden, wenn anders die Untersuchung mit Klarheit und Richtigkeit geführt ist. Der für Veit Krähmer und seine Genossen am Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach angeordnet gewesene Defensor, welcher sich diese Defension selbst erbeten hatte, hat, obschon er noch nicht unter die langjährigen Practiker gehört, jenen Unterschied der Verteidigungsgründe sogleich richtig aufgefunden. – Auch hat er, soviel die Allgemeinen betrifft, dieselben sehr richtig in solche abgeteilt, welche aus der Geburt und Erziehung der Gauner, und in solche, welche aus den gegen sie angewendeten Polizei-Gesetzen entnommen werden müssen. Hinsichtlich der Ersten hat sich, nach meiner Überzeugung, der Defensor zu sehr ans Allgemeine gehalten; er hat bei weitem nicht soviel darüber gesagt, als die Inquisiten selbst – und doch hätte er eigentlich mehr sagen sollen. Vielleicht wollte er aber nur Wiederholungen ersparen, – vielleicht fühlte er aber auch selbst, dass er, als gemeinschaftlicher Defensor, einen Einzelnen nicht allzu sehr, selbst aus allgemeinen Verteidigungsgründen, von der besseren Seite darstellen könne, ohne dadurch seine Pflicht gegen die Andern zu verletzen. Wahrscheinlich hat er auch in eben diesem Anbetrachte das Benehmen der Räuber vor Gericht einer besonderen Reflexion nicht gewürdigt, wenigstens dasselbe da, wo es tunlich gewesen wäre, nicht so herausgehoben, wie es doch hätte geschehen können. Auf die Abänderung der gesetzlich bestimmten und wirklich verwirkten ordinären Strafe kann dieses freilich keinen Einfluss haben; – wenn aber, wie der Defensor, den wir weiter unten hören werden, zu beweisen suchte, die ordinäre Strafe des Raubmords hier nicht in Anwendung kommen kann, – und wenn die Wiederholung der Räubereien, nach dem Gesetze, mit keiner besonderen Strafe belegt sein, wohl aber als verbrecherische Gewohnheit eine Schärfung der Strafe verdienen solle; – so kann und muss auch auf entgegengesetzte löbliche Gewohnheiten der Gauner Rücksicht genommen werden. Wenn der Defensor dadurch, dass er sich, z. B. bei Andreas Petry’s Verteidigung, beinahe einzig auf Deklamationen: “Was kann Andreas Petry dafür, dass er der Sohn des schwarzen Peters ist und dass seines abscheulichen Vaters Blut in seinen Adern rinnt?”

Auf Sprichwörter: “ Wie die Eltern, so die Kinder.”, “Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.”, “In equis et bobus viget matura patris. Aquilae non pro creant Columbas.” und auf Behauptungen der Art: “Als Sohn eines gefühlvollen Howards hätte Andreas vielleicht “ein gefühlvolleres Herz.”

beschränkte, offenbar zu sehr im Allgemeinen geblieben ist, und darum zu wenig für ihn getan hat, indem er es selbst nicht wagte (was sich doch aus solchen Argumenten am ersten deduzieren ließ, besonders wenn man sie noch mit einigen Andern dieser Art, z. B: ”Die Menschen seien als fleischfressende Tiere schon von der Natur selbst zum Rauben bestimmt; “die ganze sogenannte Aufklärung derselben habe keinen andern praktischen Nutzen, als ihnen die Mittel zu Ausübung ihres “Raubinstinktes zu vervielfältigen, zu erleichtern, und den Genuss des Geraubten zu verfeinern und zu erhöhen.” usw. unterstützte) eine absolute Prädestination des Andreas Petry zum Verbrecher und dadurch die höchste Ungerechtigkeit jeder Bestrafung desselben zu demonstrieren; – so hat er sich, von der andern Seite, verleiten lassen, bei Andern, zum Behuf ihrer allgemeinen Verteidigung, falsche faktische Umstände anzunehmen. Hierunter gehört, zum Beispiel, die in den Akten überall nicht erfindliche, vielmehr in denselben offenbar widerlegte Behauptung: “ Manne Friederich sei durch Ungerechtigkeit arm geworden.” und die Angabe: “ Hölzerlips stamme von Eckardroth ab, der uralten Herberge “der Räuber und Gauner.” Denn nicht von Eckardroth sondern von Roth am Berge ist Hölzerlips gebürtig. – Wenn er aber auch von Eckardroth gebürtig wäre, was ließ sich daraus folgern? Müssen, weil einmal Raubgesindel geraume Zeit über dort seine Niederlage hatte, alle Eckardröther geborne Gauner sein? – Auch jene, welche, wie Hölzerlips, vor jener Epoche geboren waren? Solche Gründe führen zu weit, – und taugen darum gar nicht. Auch waren die Eltern von Manne Friederich, Hölzerlips und Basti, nach den Akten, durchaus keiner Vergehen beschuldigt, – und darum ist denn auch alles das, was, in Beziehung auf Geburt und Erziehung, für diese angeführt wird, auf irrige Voraussetzung gegründet. Manne Friederich sowohl, als Hölzerlips behaupteten beide: bis in ihr reiferes Alter ehrlich geblieben zu sein und sich mit ihrem Gewerbe ernährt zu haben; – um so weniger kann daher das, was mit Recht zu einiger Entschuldigung Veit Krähmers und Andreas Petry angeführt wird, – auf diese beide angewendet werden, – und eben so wenig auf Basti.

Jene allgemeinen Verteidigungsgründe, welche aus den eingeführten Polizeigesetzen hergenommen wurden, hat der Defensor vorzüglich auf das beschränkt, was die Inquisiten desfalls selbst angegeben haben und was die Leser aus dem Munde des stumpfarmigen Zimmermanns Philipp Müller und des Peter Eichler gehört haben. Er hat aber zugleich weiter behauptet:

“Im Gegensatze von der unerbittlichen Strenge, womit die nirgends geduldeten Inquisiten so zu sagen zum Vaganten-Leben gezwungen worden seien, werde die Nachlässigkeit in der Polizeihandhabung ein Beförderungs- sohin Entschuldigungsgrund für Verbrechen. Eine Nachlässigkeit in Verfolgung und Festhaltung der Verbrecher nährt in diesen rohen Naturmenschen die ohnehin schon fixierten Ideen, dass ihr Handwerk doch nicht so ganz strafbar sein müsse und die Furcht vor dem Strafschwerte schwindet tief herab, wenn sie die Strafgewalt in ihrer Schwachheit erblicken. Nach Vol. Act. 2. pag 187. war Andreas Petry arretiert und zu dem Schultheißen nach Kailbach gebracht worden; diesem zeigte er seinen Pass vor, welcher falsch war. Der Herr Schultheiß zankte, ohne den Pass zu untersuchen, die “Bauern aus, weil sie ihn, ob er gleich einen Pass gehabt, arretiert hätten, und ließ den Vogel aus der Schlinge.”

Vol. Act. 4. pag 260. erzählt derselbe von dem Überrheiner Hannadam und dicken Buben gehört zu haben, dass der im Kerkerbeschließer zu Krautheim selbst Kochem sei. Ob sich auch gleich dieser Umstand nicht gehoben und bewährt darstellt; müssen doch diese durch einen reellen Übelstand erweckten Begriffe solcher Vaganten von der Schwäche der Justiz- und Polizei-Verwaltung ihnen die Furcht vor der Anwendbarkeit der Strafgesetze mindern, und da diese Furcht der einzige Abhaltungsgrund des sinnlichen Menschen von den verbotenen Handlungen ist, die Gesetzgebung selbst aber sich nur durch eine energische Handhabung ihrer Verordnungen autorisiert, so muss sich durch ihre vernachlässigte Handhabung die Zurechnung tief verringern.“

Der Defensor hat hierbei, indem er sich allzu sehr ins weite Feld wagte, offenbar außer Acht gelassen, dass er, wenn er von der einen Seite die Inquisiten als durch die allzu scharfe Handhabung der Polizeigesetze zum verbrecherischen Leben gezwungen verteidigen will, in einen auffallenden Widerspruch gerate, wenn er sie zugleich aus dem entgegengesetzten Grunde der allzu schlechten Handhabung jener Gesetze verteidigen will. Nur eins kann gelten. Wollte man aber auch jene beiden Opposita als koexistierend annehmen; so müsste man doch aber auch zugeben, dass eben wegen dieser Koexistenz die von dem Defensor angezeigten Wirkungen als Wechselwirkungen zu betrachten seien, wovon eine die andere, eben der Koexistenz wegen, neutralisieren muss. – Das durch Erfahrung erzeugte Bewusstsein nachlässiger Vollziehung der Polizei: – oder vielmehr der Criminal-Gesetze, kann nicht die Furcht vor der Strafe mindern, – wohl aber die Hoffnung, ihr zu entgehen, mehren. So wie der Schultheiß zu Kailbach (sifabula vera) haben schon gar manche Schultheißen, – gar manche Beamte gehandelt, – und werden noch ferner so handeln. Wenn den Angaben von Gaunern zu trauen wäre, so würde ich behaupten können; dass es nicht nur Gefangenwärter gäbe, welche Kochem sind, sondern dass auch kocheme Kyre existiren. Der schwarze Peter würde nach seiner eigenen mir gemachten Erzählung schon vor langen Jahren, als Schinderhannes einsaß, nach Mainz abgeliefert worden sein, wenn nicht ein Schultheiß, welchem er Kohlen brannte, sich für ihn verwendet und der Beamte ihm geraten hätte, er solle sich entfernen. “Er wolle seine Hände nicht in seinem Blute waschen.”

Alle dergleichen, so lange es Menschen gibt, unvermeidlichen Mängel in der exekutiven Gerechtigkeitspflege sind zwar höchst schädlich und beklagenswert; können aber, nach meiner innigsten Überzeugung, nie Verteidigungsgründe für Verbrecher werden. Hoffnung ist dem Menschen angeboren, – nichts kann sie ihm rauben; und wer wollte sie, das schönste Geschenk des Himmels, – das einzige, wesentlichste Unterpfand für seine Existenz, als eine in kriminalistischer Hinsicht höchstschädliche Zugabe unsers Glücks, tadeln?

Wenn das Leben der Gauner, wie der Defensor sagt, ein poetisches Leben ist; (in welchem Falle es denn freilich nur seine Richter auf dem Helikon haben könnte) so darf ihm diese höchste der Gottheiten nicht entzogen werden, wenn es nicht reine Prosa werden soll. Wenn die von dem Defensor gerügten kleinen, von unvorsichtigen Schulzen und schlechten Gefangenwärtern hergeleiteten Mängel in der Administration der exekutiven Gewalt wirkliche Verteidigungsgründe für Räuber und Gauner sein könnten; so ließen sich gar leicht noch weit triftigere in dem, selbst durch öffentliche Zeitungen, in unsern Tagen, so häufig verkündet werdenden Cassationen und Festungsarresten hoher öffentlicher Beamten, – in den eben so verkündet werdenden Steckbriefen (welche im Sinne des Defensors allemal schlechte, momentane Sicherheitspolizei beweisen) finden; der Hauptverteidigungsgrund würde aber stets der sein, dass die Richter nicht allwissend, nicht allmächtig sind. Denn nur wenn sie dieses wären, blieb kein Verbrechen unentdeckt, kein Verbrecher unbestraft. – Doch, ich bescheide mich, ohne Allgerechtigkeit reichte auch jenes nicht hin.

Selbst aber, wenn die Richter diese göttlichen Eigenschaften in sich vereinigen könnten – und wenn stets nur solche Gottmenschen Richter wären, blieb all ihr Tun und Treiben vergebens, selbst wenn Todesstrafe auf jedes Verbrechen gesetzt wäre und folgte; denn nie würde Hoffnung den Verbrecher verlassen. Auch auf das Schafott begleitet sie ihn, – und nur mit dem Todesstreich, vielleicht selbst nach diesem nicht, – nur mit dem Tode selbst kann sie ihn verlassen.

Die Verteidigungsgründe, welche der Defensor aus der Tathandlung selbst hernahm, beschränkten sich, soviel den Veit Krähmer, Manne Friederich, Hölzerlips, Basti und Andreas Petry betrifft, lediglich auf den Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, in- dem er hinsichtlich der übrigen vielen Verbrechen derselben folgende Grundsätze aufstellte und auf dieselben seine Argumentationen, wie sie hier nachfolgen, stützte: “Auf die Wiederholung von Räubereien, sagte er, haben die h Gesetze keine spezielle, ordinäre Strafe verordnet. Allerdings mag diese Wiederholung als verbrecherische Gewohnheit, Schärfungsgrund der Strafe werden; – in ihrer Art daher wird diese nicht geändert, darum liegt auch der besondere Einlass auf jedes einzelne “dieser Verbrechen um so mehr außer dem Plan der Defension, “als dieser durch den Rechtsgrundsatz: quod delictum majus ab “sorbeat minus schon überflüssig gemacht wird.” Bei dieser Menge vorliegender Verbrechen auf Strafbefreiung anzutragen, wäre eine sträfliche Verirrung, wäre selbst Verbrechen. Um ihres eigenen Besten willen muss vielmehr auch der gefühvollste Menschenfreund wünschen, dass diese zum Theil 18- und 19jährige Räuber durch eine derbe und einwirkende Strafe zurechtgewiesen und vielleicht noch gebessert – auf jeden Fall aber unschädlich gemacht werden möchten. Da aber hier ein Todtschlag zur Sprache kommt, dem die Gesetze wieder die Todesstrafe drohen; so ist die Ablenkung dieser Todesstrafe die Haupttendenz der Verteidigung.”

Vor allem dringt sich hier die wichtige Frage auf: Welches Gesetz wird hier die Entscheidungsnorm bei der Strafdiktatur? Für den Raub hat der § 67, für den Totschlag der §. 72 des 8ten (Organisations) Ediktes und die Erläuterung vom 20ten December 1805 die Strafe geregelt.” Unterm 30ten Jänner 1804 erschien aber eine gnädigste Verordnung, welche die Gauner und Vaganten vom Schutze der milden vaterländischen Gesetze ausschließt und nach der Strenge der peinlichen Halsgerichtsordnung behandelt wissen will. Diese Verordnung ist unterm 25ten May 1807 auf 3 Jahre und 3 Wochen (nicht auf 3 Jahre und 3 Wochen, sondern auf 3 Jahre 3 Wochen nach Verkündigung der Verordnung) “verlängert worden.

Nun erscheinen die 5 Inquisiten als Vaganten, daher die Frage: Ist die ausgesprochene Rechtloserklärung der Gauner, welche auch dem Straßenraube schon den Tod droht, auf die Defendenden anwendbar? Die Rechtskraft dieser Verordnung war mit dem 1ten Juli 1810 schon verloschen. Das bei Hemsbach begangene Verbrechen fiel in den 1ten May 1811, sohin nicht mehr in die Kraftperiode dieses Gesetzes. Die übrigen Verbrechen sind:

a) größtenteils nicht auf diesseitigem Territor begangen worden, und unterliegen daher nicht der Beurteilung spezieller vaterländischer Gesetze

b) von denen auch auf gegenwärtig zum Großherzogtum gehörenden Gebieten begangenen Delikten ist der Zeitpunkt ihrer Vollbringung entweder durchgängig nach dem Ablauf jenes Geltungs-Termins bestimmt, und wo nicht genau eruiert ist ungewiss: ob sie vor Emanirung der Rechtloserklärung gegen die Gauner begangen worden seien.”

c) Aus dieser etwaigen Ungewissheit des Vollführungsmoments gehet ferner die weitere Ungewißheit hervor: ob die Territorien, wo die Verbrechen verübt wurden und die jetzt zum Großherzogtum gehören, zur Zeit des Verbrechensvollzugs schon unter diesseitiger Souveränität standen und sohin nach diesseitigen Gesetzen beurteilt werden können? Bei dieser Ungewissheit, welche doch nie Basis eines peinlichen Urteils werden darf, muss die Vermussthung  für die Schuldigen angenommen werden, und die milde Vaterlandsgesetzgebung muss in substrato den strengen Straf-Codex des Mittelalters verdrängen. Wäre aber auch wirklich erwiesen, dass die Defendenden, während der Dauer dieser Rechtloserklärung, auf diesseitigem Boden, Verbrechen verübt hätten; so schlüge doch jetzt, wo sie, lange nach Auflösung dieser Verordnung, in Untersuchung gekommen sind, das Edikt gegen die Gauner nicht mehr an, denn wenn der §. 6. dieses Ediktes ausdrücklich verordnet, dass jeder Gauner, der in diesem Lande in Untersuchung fällt, nach der Carolina beurteilt werden solle; so ist dieses, wie das Bindungswort mithin ausdrückt, nur ein Corollar aus dem ersten Satze: dass alle Gauner aus dem Schirm der diesseitigen Gesetze ausgenschlossen seien. So wenig also der Vordersatz am 1. May 1811 noch galt; so wenig kann der Nachsatz als geltend angenommen werden; und die früher begangenen Verbrechen der Inquisiten sind, daher, in Absicht auf ihre Bestrafung nach dieser geschärften Versordnung, für verjährt anzusehen.” Ohne diese Stelle der Verteidigungsschrift rezensieren oder widerlegen und ohne in einem oder dem Andern dem Referenten im mindesten vorgreifen zu wollen, erlaube ich mir nur folgende, kurze Bemerkungen darüber: — Das Großherzoglich Badische Straf- oder 8te Organisationsedikt spricht § 67. von dem Raube also: “Der Raub (zum Art. 126. – der Halsgerichtsordnung -) setzt allemal eine Bemächtigung fremden Eigentums, die mit persönlichem Angriffe des Inhabers oder Bewohners unternommen wird, voraus, und kann, er sei nun auf öffentlichen Straßen oder in Häusern verübt worden, mit dem Tode nur alsdann bestraft werden, wenn der Angriff die Ertötung eines Menschen herbeigeführt hat. Außer diesem Falle ist scharfe Zuchthausstrafe zu erkennen, und zwar: wenn der Angriff lebensgefährlich war, 15jährige; wenn er zwar nicht lebensgefährlich war, aber doch dem andern einen bleibenden Schaden zufügte, 12jährige; – wenn er nur körperliche Misshandlungen, ohne alle bleibende Folgen, nach sich zog, 1ojährige; wenn er blos mit Beraubung der Freiheit, z. E. durch Binden, ohne alle weitere Misshandlungen, vollzogen wurde, 8jährige; – und wo er mit unbedeutender Gewalt, oder bloß durch Drohungen zu Stande kam, 5jährige Zuchthausstrafe.

Es spricht also wirklich von keiner speziellen, ordinären Strafe der Wiederholung der Räubereien; – so wie es denn auch nicht ausdrücklich sagt: ob es nur von dem durch einen einzigen Räuber, oder zugleich auch von dem durch mehrere Räuber zugleich verübten Raube spreche. Das Gesetz zeigt aber, indem es den Begriff des Raubes festsetzt, deutlich und bestimmt, – dass der Raub, wie der Diebstahl, eine Bemächtigung fremden Eigentums voraussetze, und sich von diesem nur durch den hinzutretenden persönlichen Angriff unterscheide; wie dieses §. 74., wo vom gefährlichen Diebstahl gehandelt wird, noch deutlicher ausgedrückt steht, indem es dort heißt:

Dieselben (gefährlichen Diebstähle) entstehen 5tens durch Waffen, die der Dieb mitführt und werden alsdann (vorausgesetzt, dass diese nicht zum Schaden einer Person dabei wirklich gebraucht worden) mit zweijähriger Zuchthausstrafe gebüßt; – sobald hingegen solche wirklich gebraucht worden; so ist alsdann das Verbrechen des Raubs vorhanden und gibt dadurch hinlänglich zu erkennen, dass die bei Bestimmung der Strafbarkeit der Diebstähle aufgestellten Grundsätze auch auf den Raub, (in welchem jedes Mal ein Diebstahl enthalten ist) angewendet werden dürfen, wenn es darauf ankommt; – und dass sie in andern Fällen sogar darauf angerendet werden müssen, weil sonst die Gesetzgebung mangelhaft erscheinen würde. Das würde sie allerdings sein, indem der §. 67, welcher vom Raub handelt, wenn er isoliert genommen wird, wie schon bemerkt wurde, nichts von dem von Mehreren oder in Banden verübten Raube spricht; – sie ist es aber nicht, da die folgenden §. 78 und 79 umständlich an Händen geben, wie die von mehreren Personen zusammen, und namentlich auch wie die von mehreren Gaunern zusammen verübten Diebstähle bestraft werden sollen; – und dadurch auch analogisch die Norm zu Bestrafung des von mehreren Gaunern zusammen verübten Raubes liefert. Nach den so eben angerufenen § des Strafedikts wird unterschieden:

  1. Ob mehrere Personen, welche sich zufällig zusammen gefunden haben, oder
  2. solche, welche sich zu einem einzelnen Diebstahle förmlich zusammen gesellt haben, oder :
  3. solche, welche in einer Diebsgesellschaft ihre Nahrung suchen; den Diebstahl verübt haben.

Im ersten Falle wird jeder nach den Regeln der Diebstahls. Bestrafung, jedoch nur nach Maßgabe des Antheils, welchen er bezogen hat; – in andern aber nach Maßgabe der Größe des Diebstahls im Ganzen, wozu er sich mit verbunden hat; – im dritten aber, ohne alle Rücksicht auf die Größe des Diebstahls, – im ersten Falle mit zwei- im zweiten mit vier – und im dritten mit sechsjähriger Zuchthausstrafe belegt, wenn auch gar keine Erschwerungen mit dem Diebstahl verbunden sind. Beträgt der Diebstahl jedoch über fünf Mark Silbers, so werden wegen jeder weitern Mark drei Monate Zuchthausstrafe zugesetzt. Wäre der Diebstahl mit einer Gefährlichkeit verbunden, so wird die Hälfte der Strafe, welche die Gefährlichkeit allein dem Täter zugezogen haben würde, noch jener Strafe zugesetzt. – Sollte es bei so genauer und pünktlicher Unterscheidung des Gesetzes wohl möglich sein, behaupten zu wollen, der Gesetzgeber habe nur bei dem geringeren Verbrechen des Diebstahls so präcis sein, bei denn weit schwereren Verbrechen des Raubs aber, diesen so Natur und Sachgemäßen Unterschied nicht angewendet wissen, sondern vielmehr haben wollen, dass der sonst völlig schuldlose Mann, welchen Mangel und Elend im Augenblicke der Verzweiflung zu einem Straßenraub verleitet, gerade eben so gestraft werden solle, wie Hölzerlips und Consorten, welche Handwerksmäßig, mitunter aus Kurzweil, rauben und das Geraubte mutwillig verschweigen!

– Ich habe alles dieses hier nur angeführt, damit die Leser nicht durch den Vortrag des Defensors auf die Meinung gebracht werden, als ob sich wirklich eine solche Lücke und Inkonsequenz in der Badischen Gesetzgebung fände. In Anbetracht der Sache selbst hätte es dieser Deduktion nicht bedurft; denn wenn auch das Strafedikt auf die Wiederholung der Räubereien eine spezielle ordinäre Strafe, so wie der Defensor erheischt, ganz ausdrücklich gesetzt hätte; so würde sie dennoch, in dieser Art, hier nicht anwendbar sein, da aus den Akten nicht erhellt, dass einer der fünf Inquisiten, von welchen die Rede ist, schon einmal wegen Raub bestraft worden wäre, mithin alle Räubereien derselben, in juristischer Hinsicht lediglich als erste Räubereien zu betrachten sind.

Wohl aber darf auf sie nicht die Strafe des Raubs, welche den Einzelnen, oder mehrere zufällig zusammengekommene, oder die nur zu einem einzelnen Raube sich verbunden habenden trifft, sondern es muss gegen sie die Strafe des Raubs angewendet werden, welche jene trifft, die in einer Räuber Gesellschaft ihre Nahrung suchen. Eben darum aber hätte die Defension auch auf jeden einzelnen Raub und selbst auf jeden Diebstahl, wenigstens im Allgemeinen, mit ausgedehnt werden sollen; besonders da der angeführte Grund: Delictum majus Sabsorbet minora hier nicht anwendbar ist, sobald man, nach dem Verlangen des Defensors, den Hölzerlips, Veit Krämer und Manne Friederich für gänzlich unschuldig am Mord; den Andreas Petry und Basti aber für nicht überwiesene wirkliche Mörderansieht, – und daher auch der Raubmord zwischen Laudenbach u. Hemsbach, besonders hinsichtlich der drei Ersten, in die Kategorie ihrer übrigen Räubereien herabsinkt.

Ich hätte gewünscht, dass der Defensor die derbe, einwirkende, zurechtweisende Strafe genannt hätte, von welcher er hofft, dass sie die Inquisiten, so wie wir sie kennen, vielleicht noch gebessert, auf jeden Fall aber unschädlich gemacht haben würde. – Sie müsste, als Besserungsstrafe, nach den Individuen verschieden – und doch als Sicherungsstrafe, für Alle gleich gewesen sein!

Wenn man die Gauner als Menschen betrachtet, welche keinem der Staaten, in welchen sie sich herumtreiben, angehören, so können sie auch auf die Gesetzgebung keines Staates zu ihren Gunsten Ansprüche machen. Vielmehr könnte man behaupten, dass nur jene Gesetze für sie gelten, welche einst allen diesen Staaten gemein waren, ehe jeder Einzelne anfing, seine Strafgesetzgebung nach Maßgabe der fortschreitenden Milderwerdung seiner Einwohner zu modifizieren; und dann würde sie der Strafcodex des Mittelalters, wie der Defensor sich ausdrückt, (die Halsgerichtsordnung Kaiser Karl des Fünften) um so mehr mit dem vollsten Rechte unter seine Herrschaft beugen, als sie wirklich noch ganz im Gee jenes Mittelalters leben. Doch will ich diese Behauptung, als unsern neuen positiven Gesetzen zuwider, nicht aufstellen; und der Defensor hat Recht, wenn er behauptet, die gegen die Gauner erlassene Großherz. Badische Verordnung vom 30 Jänner 1804 sei zur Zeit, als der Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach vorfiel, in ihrer Rechtswirkung erloschen gewesen, und Ad a. könnte auch, wenn dieses nicht wäre, auf die nicht auf Badischem Gebiete verübten Verbrechen nicht angewendet werden; besonders da – Ad b. etc. nicht nachgewiesen sei, dass sie während der Rechtsgültigkeit jener Verordnung, im Badischen Lande, Verbrechen verübt hätten. Ohne alle Not hat sich aber der Defensor bemüht, zu beweisen, dass, wenn auch Verbrechen in jener Periode von ihnen verübt worden wären, diese als verjährt (?) zu betrachten seien; – da die Verordnung ganz bestimmt, eingedenk der alten Nürnberger Maxime, durchaus nur von solchen spricht, welche, während ihrer Rechtsdauer, im Großherz. Badischen Lande, ergriffen und zur Untersuchung gelungen anzusehen?” bracht werden; – welches hier offenbar der Fall nicht war. Da der Defensor einmal in cursuwar, zu beweisen, dass eine erloschene Vererdnung nicht mehr auf spätere Fälle angewendet werden könne; so hätte – man glauben sollen, er werde hieran auch den weitern Beweis reihen, dass die unterm 2 August 1811 erfolgte, noch geschärftere Verordnung nicht auf die schon früher eingefangenen Gauner angewendet werden könne. Er hat aber diesen Beweis übergangen.

Die speciellen, aus der zu beurteilenden Tat entnommenen und auf diese dann auf die einzelnen Teilhaber daran, als solche, anzuwendenden Verteidigungsgründe hat der Defensor in folgende Fragen aufgelöst und in den Beantwortungen darzulegen gesucht.

  1. Ist Rieders Tod als absolute Folge seiner erlittenen Mißhandlungen anzusehen?
  2. Wer ist der Täter?
  3. In was für einem Verhältnisse stehen sämtliche Individuen zu Rieders Misshandlung?
  4. Was liegen für Milderungsgründe vor?

Ad 1)

Konnte der Defensor, einige völlig unbedeutende angebliche Verstoße gegen die Form abgerechnet, durchaus nicht das Mindeste an dem Heil- und Sektionsverfahren aussetzen. Dagegen suchte er nach der Pflicht, die ihm oblag zwar nicht zu beweisen, aber doch als Möglichkeit darzustellen, dass die Verwundung Rieders erst durch den Transport von Weinheim nach Heidelberg tödlich geworden sei und dass vielleicht dazu auch das beigetragen haben könne, dass eine, erst in Heidelberg noch entdeckte Verwundung am Hinterhaupte in Weinheim nicht entdeckt worden war; wobei er dann vorzüglich sich darauf stützt, dass das Physicat Weinheim in seinem Fundscheine die Verwundung Rieders anfänglich nicht für gefährlich gehalten und sogar später noch geglaubt habe: Rieder habe alle Gefahr überstanden. Gestützt auf diese Vorführungen verlangt der Defensor, dass (was nach der bestehenden Verfassung ohnehin geschehen musste) nicht allein auf das Gutachten des Physicats gebaut, sondern vordersamst noch ein weiteres ärztliches Gutachten eingeholt werden möge. Der Defensor scheint von der Gewährung dieser seiner Bitte viel Heil zu erwarten; allein er hat nicht bedacht, dass das schon oft allegierte 8te Organisations-Edict § 72. lit.d, ausdrücklich sagt: Dem Gerichtsgebrauch: ein ärztliches Gutachten über die Tödtlichkeit der Verwundung einzuholen, sei zwar nachzukommen; jedoch ohne ihm die übermäßige Ausdehnung zu geben, dass, über dem oft schwankenden Urteile der Ärzte von der Tödtlichkeit einer Wunde, überwiesene vorsätzliche Verbrecher der ordentlichen Strafe enthoben werden.

Wo die Tat und der Vorsatz außer Zweifel, auch der Tod wirklich erfolgt ist, ohne dass eine hinzugekommene fremde Ursache ihn herbeigeführt hätte, wo mithin die Verletzung, wenn nicht notwendige, doch einzig veranlassende Ursache des Todes war; da kann es nicht weiter darauf ankommen, ob die Ärzte dieselbe für allgemein tödlich, oder nur unter vorliegenden Umständen für an sich tödtlich (per selethalis) erklären; und nur dann kann auch hier ihr Urteil dem Verbrecher gegen die ordentliche Strafe zum Schutze dienen, wenn sie solche für bloß zufällig tödlich (per accidens lethalis) aus guten Gründen erklären und der Zufall, der sie tödlich machte, nicht unter die Um”stände gehörte, welche der Verbrecher durch seine Tat herbeiführte.

Ad 2)

Findet der Defensor, dass dieser Punkt in einem ziemlich reinen Lichte stehe. Die Leser werden sich der Geschichtserzählung in der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden am Main wohl noch erinnern, oder sie nachlesen, und dann sicher mit mir darin übereinstimmen, dass über die Frage, wie sie aufgestellt ist: – “Wer ist der Täter?” durchaus kein reines Licht verbreitet sei; wenn man, wie der Defensor, unter dem Täter, den wirklichen wahren unbezweifelten Mörder Rieders versteht. – Die Geständnisse der drei übrigen: dass Hölzerlips und Veit Krähmer nicht geschlagen haben, nimmt der Defensor sachdienlich an, indem sie als Defensional-Zeugen (?) Glauben verdienten. Ich glaube nicht, dass sie diesen Namen verdienen; aber ich bin mit dem Defenser einstimmig, dass ihre Nichtbeschuldigung gegen Beide um so mehr Rücksicht verdient, weilüberhaupt keine Beschuldigung gegen sie vorliegt und weil sie, besonders hinsichtlich des Veit Krähmer, durchaus unverdächtig ist. Denn diesen würde gewiss keiner der Übrigen geschont haben, da jeder in ihm seinen Verräter hasste. Schon hierdurch wird auch die Nichtbeschuldigung gegen Hölzerlips empor gehoben; und sie verdient um so mehr weitere Rücksicht, da Veit Krähmer, der Alles angab, hierin mit den Übrigen übereinstimmte, und da sie Alle noch viele andere Verbrechen gegen ihn angaben, auch Manne Friederich ihn sogar des Todschlags des Zahnfranzenheinrichs bezichtigte,- also jeder bewiesen hat, dass er in ihm den Bonherrn nicht schone. Dass Manne Friederich auf die einzige Angabe des Andreas Petry, während des Schweigens der Übrigen, nicht als überwiesener Mitschläger betrachtet werden könne, hat der Defensor mit Recht behauptet.

Der Defensor führt zwar im Allgemeinen an: es ergebe sich nicht so ganz bestimmt aus den Akten, ob Andreas Petry und Basti gerade den verstorbenen Rieder geschlagen haben, oder ob nicht vielmehr der flüchtige lange Andres dieses getan und jene Beide nur Hanharden gemißhandelt haben; – allein er hat, ich kann mir nicht erklären, warum ? unterlassen, dieses näher auszuführen. Und doch hätte gerade dieses um so mehr, sobald man von seiner Ansicht ausgeht, geschehen sollen, da aus den Acten durchaus gar nicht hervorgeht, dass Basti Riedern geschlagen habe, und selbst von Andreas Petry es zweifelhaft bleibt. Hier hätte sich der Scharfsinn des Defensors zeigen, hier hätte seine Kunst sich entwickeln können ! Hic Rhodus fuisset, – hic saltandum.

Ad 3)

Der Defensor betrachtet die Ermordung Rieders als eine von dem an ihm und Hanhard verübten Räube und den denselben zugefügten Injurien (so nennt er die Verwundungen) ganz unabhängige, damit nicht in Verbindung stehende Sache; und darum ist es ihm ein leichtes, zu beweisen, dass Hölzerlips, Veit Krähmer und Manne Friederich, obgleich Miträuber, doch, wie wir schon wissen, weder physische noch intellectuelle Coauctoren des Mordes gewesen seien. Der Defensor hat aber hierbei außer Acht gelassen: “dass die Gewalt, welche in der Tötung des Beraubten bestanden hat, und als Mittel zur Verbesserung des Vermögens oder der äußerlichen Umstände der Räuber angewendet worden ist, ein eigenes Verbrechen, – das des Raubmords (Latrocinii) wovon hier die Rede ist, bildet.”

Der Defensor erlaube uns, darauf aufmerksam zu machen, dass, nachdem in dem Großherz Klein Grundsätze des peinlichen Rechts §. 193. – Grolman, Grundahe der Criminäl-Rechts-Wissenschaft, Badischen Strafedicte aufgestellten Begriffe des Raubes, damit unumgänglich ein Angriff auf die Person des Inhabers oder Bewahrers verbunden sein müsse; dass er also, indem er selbst zugibt und zugeben muss, sämtliche fünf Inquisiten seien auf einen Raub ausgegangen und hätten ihn auch verübt, zugleich auch stillschweigend anerkenne, dass der Angriff auf die Person der Beraubten mit im Plane gewesen sei, und dass sie daher nach der übereinstimmenden Lehre aller Rechtslehrer als Teilnehmer vor, an und nach der verbrecherischen Handlung, als Socii ex Compacto oder als Miturheber (Coauctores) des Raubmords betrachtet werden müssen; dass die Gesellschaft, in welcher sie miteinander die Tat verübten, eine wahre Societas delinquendi war*). Das Maaß dieses Angriffs mag allerdings nicht bestimmt verabredet gewesen sein; das konnte es aber auch nicht sein; es hing von Umständen ab, deren Existenz und Nuancen sich nicht voraussehen ließen. Jene drei erscheinen also doch, hiernach wenigstens, als Coauctoren des persönlichen Angriffs, ohne welchen sich der Raub nicht denken ließ.

*) v. Quistorp, Grundsätze des peinlichen Rechts, §. 54. Klein, Grunds. des peinl. Rechts, § 138., Kleinschrod, Entwickelung der Grundbegriffe des peinl. Rechts, Th. 1. §. 198. Feuerbach, Lehrbuch des peinl. Rechts, S. 53. Koch, Instit. juris crim. Cap. 4, S. 41.

Wir tun diesen Räubern gewiss nicht Unrecht, wenn wir, um einigermaßen festzusetzen, welche Art von Angriff wohl in ihrem Plane gelegen sei, auf ihre vielen übrigen Räubereien rekurrieren und jene Art als die auch hier wahrscheinlich im Plane gewesene annehmen, welche bei ihren übrigen Räubereien gewöhnlich Statt fand. Thun wir dieses, so finden wir, dass die Art des Angriffs, welche im Plane gewesen sein muss, ganz eben die sei, welche wirklich Statt fand. – Dass Angriffe dieser Art, wobei mehrere Räuber den zu Beraubenden mit mannshohen, frischgeschnittenen, armdicken jungen Buchen auf die Köpfe schlagen, nicht bloß eine Beängstigung, sondern eine vollkommene Außerstandsetzung derselben zu aller Gegenwehr, zu aller zu frühen Anzeige zum Zwecke haben;  dass sie, wenn sie auch gleich (was ich sehr gern glaube, wegen des eignen Interesses der Räuber, indem ein Raubmordgewöhnlich 10mal mehr Lärm macht, als ein Rauballein)nicht den Todschlag der zu Beraubenden bestimmt zur Absicht haben, ihn doch gar leicht herbeiführen können, ist unverkennbar, und kann selbst von den Inquisiten umso weniger widersprochen werden, da, wie wir wissen, schon einige früher von ihnen und ihren Kameraden verübte Räubereien, wie z. B. die Beraubung des Glaswagens bei Mittelgründ und der dritte Straßenraub bei Königsstein diese Folge wirklich gehabt haben. Das Großherz. Badische Strafedict bestimmt, wie oben bemerkt, die Todesstrafe als die gesetzliche Strafe des Raubmords, und indem es dabei nicht zwischen den verschiedenen möglichen Graden der Teilnahme und Mitwirkung an diesem Verbrechen unterscheidet, so nimmt es, nach der alten Rechtsregel: ubi lex non distinguit, mec nostrum est distinguere, dem Richter alle Befugniß, einer solchen Distinction Statt zu gehen, und spricht also deutlich und unverkennbar genug aus, dass alle und jede wirkliche Teilnehmer an der Tat des Raubes durchaus gleiche Strafe treffen solle. Es kann hiergegen um so weniger ein Zweifel übrig bleiben, wenn man bedenkt, dass das Gesetz bloß bezüglich auf die Halsgerichtsordnung und, wie es selbst ausdrückt, als Zusatz zum Art 126. derselben spreche; wo verordnet wird: “ dass ein jeder boshaftiger überwundener Räuber am Leben gestraft werden solle;” dass es also, indem es diese auf jeden Raub gesetzte Strafe, nur auf den Raubmord einschränkt, ohne hiebei einer weitern Beschränkung Statt zu geben, sattsam zeige, dass hinsichtlich dieser Gattung des Raubs es bei der Bestimmung der  Halsgerichtsordnung verbleiben, und darnach ein jeder Teilnehmer an einem Raubmord am Leben gestraft werden solle. Hätte das Gesetz dieses nicht gewollt, so hätte es die Strafe des Raubs ohne alle Verwundung der Angegriffenen bestimmen und dann hinzufügen müssen: Wird hingegen durch solch einen räuberischen Angriff jemand verwundet, so findet, nach Maßgabe der größeren oder geringeren Gefährlichkeit solcher Verwundungen, an noch weiter jene Strafe Statt, welche §. 71. auf die Verwundungen; – und wenn gar ein wirklicher Totschlag mit dem Rauben verbunden ist, die § 72. Auf den Totschlag gesetzte Strafe Statt. “Nehmen wir einen Augenblick an, jenes Gesetz spreche wirklich in dem Sinne des Defensors und setzen wir den Fall: 8 Räuber hätten eine Reisenden angegriffen u. beraubt, beim Angriffe selbst aber vier von ihnen demselben 4 Wundengeschlagen, deren eine – tödlich, die andere lebensgefährlich, die dritte – zwar nicht lebensgefährlich, doch bleibenden Schaden stiftend, die vierte – aber ohne alle bleibende Folgen gewesen und dafür erkannt worden seien. Ein fünfter habe ihn gebunden, der sechste ihn bedroht – der siebente ihn lediglich beraubt und der 8te sei auf der Wache gestanden, alle Räuber bekennten dieses, und die vier ersten gäben jeder richtig und unverkennbar die Wunde an, welche jeder von ihnen geschlagen; so würde der, welcher die erste schlug – mit dem Tode,

  • der Urheber der zweiten – mit 15jähriger,
  • der Urheber der dritten – mit 12jähriger,
  • der Urheber der vierten – mit 10jähriger
  • der fünfte Räuber – – mit -8jähriger und
  • der sechste Räuber – – mit 5jähriger Zuchthausstrafe

zu bestrafen sein. Welche Strafe würde aber den 7ten und welche den 8ten Räuber treffen? – Das Gesetz spräche sie, wenn es so ausgelegt werden müsste, nicht aus, man müsste denn der eben so auffallend sonderbaren Behauptung statt geben, dass, weil nur derjenige, welcher zugleich misshandelt und nimmt, ein wahrer Räuber,- derjenige aber, welcher bloß nimmt, während seine Kameraden die Eigentümer totschlagen, nur als bloßer Dieb betrachtet, und seine Bestrafung nach dem Gesetz vom Diebstahl geregelt werden müsse. Es wäre im höchsten Grade traurig, wenn dieses Gesetz wirklich diese Auslegung intentionierte. Die Räuber hätten dann gewonnenes Spiel; und es wäre, ich möchte beinahe sagen, dumm von ihnen, wenn sie nicht jeden zu Beraubenden sogleich totschlügen und so sich gegen alle Gegenwehr, gegen alles Entlaufen, gegen die Anzeigen, gegen die Beschreibung ihrer Personen und des Geraubten sicherten. Gewöhnlich werden sie, auch im schlimmsten Falle, doch nicht alle ergriffen, – sie dürfen daher nur den nicht Ergriffenen als den eigentlichen Mörder bezeichnen; oder sie dürfen nur ungewiss lassen (und meistens ist es dieses wirklich, wie wir an dem gegenwärtigen Falle, an jenem bei Mittelgründ und * bei Königstein sehen) wer er sei; oder sie dürften sich, einer unter ihnen zutreffenden Abrede gemäß, für jeden Fall nur einen nicht existiert haben den fingierten Reserve-Mann halten, und immer diesen des Mord bezüchtigen, so wären sie stets vor der Todesstrafe, die sie einzig fürchten, geborgen.

Der Defensor giebt unbedingt zu, dass jeder Mitwirker an einem Raube auch für die Folgen des Raubes zu haften habe, – dass er aber, spricht er weiter, auch für den dabei von Andern begangenen Todtschlag haften müsse, bleibt so lange ein falscher Schluß, bis der Mittelsatz, dass die Tödtung nämlich eine Folge des Raubes sei, als unbezweifelt dasteht. In dem vorwürfigen Falle glauben wir, dass der sogenannte Mittelsatz eines Beweises weiter nicht bedürfe, besonders da aus den Acten klar hervorgeht, dass die Reisenden nicht erst nach vollbrachtem Raube, in einem zweiten Actegemißhandelt wurden; vielmehr in denselben verläßigt ist, dass Beides nicht nur in einem und demselben ununterbrochenen Acte, sondern auch: dass die Plünderung nach den Mißhandlungen erst geschah, folglich diese wirklich einen integrirenden Theil des Raubes selbst ausmachten. Der Defensor hat angeführt, dass der von einer französischen Jury angenommene, von ihm falsch genannte Schluß, dass jeder Theilhaber an einem Raubmord mit dem Tode bestraft werden müsse, in dem Kleinschen Archive fürs Criminalrecht, B. 5, H.3, S. 66. Trefflich widerlegt sei; allein er hat nicht bedacht, dass Hr. Werner, von welchem die dort befindliche Abhandlung herrührt, nur von mehreren tödtlichen Verwundern, nur vom Mord als solchem, nicht von Räubern, nicht vom Raubmord spreche und dass zwischen beiden Verbrechen doch ein sehr großer Unterschied zu machen sei. Hätte der Defensor in der Wernerischen Abhandlung nur noch die folgende Seite 67 gelesen, so würde er die Behauptung: “ Selbst aber auch darin irren sie” (Feuerbach und Koch) “sehr, wenn “sie jedes Individuum der Mordconcurrenten überhaupt nur mit einer außerordentlichen Strafe belegt wissen wollen; ohne dass in Bestimmmussng derselben, das genaueste Concurrenz-Verhältniß der Handlungen eines jeden zum Act der Ermordung eingehalten werde, gefunden, und dann bei Stellung seines Antrags diesen nach dem bezeichneten genauesten Concurrenz-Verhältniß gemodelt haben.

Der Defensor hat ferner (das einzige, was er an der ganzen Inquistion auszusetzen fand) behauptet: eine dem Basti gemachte Instanz Ob Inquisit nicht einsehe, dass, wenn er auch nicht geschlagen habe, er doch für alle Folgen des Raubs, sohin auch für Rieders Todtschlag mit verantwortlich sei – seie captios und müßte daher als auffallend gerügt werden. Er hat offenbar keinen richtigen Begriff von Captios, sonst hätte er nicht sprechen können. Captios ist eine Frage nur dann, wenn sie von der Art ist, dass der Angeschuldigte durch seine Antwort, auch ohne seine Absicht und seinen Willen einen ihn gravirenden Unzstand eingestehen kann *).

*) Feuerbach, Lehrbuch des peinl. Rechts, §3.655 S.508

Die dem Basti gemachte Instanz aber offenbar durchaus kein Factum, keinen Umstand, sondern eine Meinung, welche er ohne seine Absicht und seinen Willen nicht zugeben konnte. Uebrigens hätte der Defensor bedenken sollen, dass der Inquisitor, welcher bei verschiedenen Rechtsmeinungen nicht wissen kann, welche derselben die Urteilende Behörde als die Ihrige annehmen und aussprechen werde, seine Inquisition stets so richten und führen müsse, dass auch für den schlimmsten Fall gesorgt sei. Nur, wenn er dieses tut, wird er die Unannehmlichkeit vermeiden, die Acten ad supplendum rückzuerhalten; was beinahe immer erfolgt, wenn der untersuchende Richter schon bei sich das Urteil ausspricht und in Gefolge dessen nur das erhebt, was zu seiner eigenen Überzeugung, zu seinem Urteile nötig scheint. Von diesem praktischen Grundsatze ausgehend habe ich in der Untersuchung gegen Veit Krähmer und seine Mitschuldigen zwar dem Basti jene gerügte Instanz gemacht; dessen ungeachtet aber die Untersuchung, sowohl wegen dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, als wegen den andern gleichen Vergehen, so geführt, als ob ich wüsste, dass die Urteilende Behörde der Meinung des Defensors sei.

Ad 4)

Die Milderungsgründe, welche der Defensor aufstellte, hat er bloß auf Andreas Petry und Basti beschränkt. Sie sind folgende:

  1. Die Absicht tödtlich zu verwunden ist nicht einmal wahrscheinlich, vielweniger erwiesen. Sie gingen auf Raub, nicht auf Todtschlag aus. Die angegriffenen Reisende haben sich nicht zur Wehre gesetzt,  folglich verschwindet auch der mindeste Grund, warum dieselben absichtlich sollten verwundet worden sein.
  2. Die Instrumente, deren man sich bediente, waren Stöcke, Ob die beiden Acten befindlichen die eigentlichen Instumenta delicti seien, ist nicht durchaus konstatirt, ebgleich der Inquisit Sebastian Luz, Vol. 3. S. 174 behauptet: dass die gebrauchten Prügel densel”ben ähnlich und eher noch größer gewesen wären. Auf keinen Fall“sind die Stöcke nach dem §. 71. des 8ten Edictes als absolut tödliche Instrumente anzusehen. Wäre man auf Mord ausgegangen, so hätte man sich besser bewaffnet; ja Veit Krähmer die Flinte, die er in der Ziegelhütte zu Sickenhofen (Vol. 3. S. 137) stehen gehabt, statt des Prügels sicher mitgenommen.
  3. Es war dunkle Nacht, gerade bei der Attaque auf die Chaise überzog eine finstere Wolke das Sternenlicht. Petry und Luz waren sohin nicht Meister ihrer Handlung und konnten nicht sehen, wohin sie schlugen.
  4. Beide sind junge unbesonnene Menschen von 18 bis 2o Jahren, welche die Folgen ihrer Tat nicht so sehr überlegten und nicht “daran dachten, dass die dem Rieder etwa angebrachten Schläge jeden “ Tod zur Folge haben könnten. Zudem war Luz betrunken und wenn auch dieser Umstand, durch den gemeinschaftlichen Widerspruch der Andern und dadurch, dass sie nur einen Schoppen Brandwein, alle 6 zusammen, getrunken, viel an seiner Glaublichkeit verliert; so ist er dennoch nicht widerlegt, da ja einmal wahr ist, dass er Brandwein getrunken und immer möglich bleibt, dass er das Meiste von diesem Schoppen Brandwein getrunken und dieser Genuss den jungen heftigen Menschen, bis zum Mangel an Willensfreiheit, berauscht habe.
  5. Nach den Aussagen des Andreas Petry (Vol. 3. S. 139.) hat der flüchtige lange Andres mit umgekehrter Pistole dem Rieder in specie auf die Nasenwurzel geschlagen. Die an diesem Platz bei Riedern erfundene Wunde lässt deutlich auf dieses Instrument schließen. Die Wirkung von Schlägen auf den Kopf mit einem solchen Instrumente aber ist leicht denkbar; u. könnte es nicht sein, dass hierdurch allein dem Verwundeten die tödliche Verletzung beigebracht worden wäre?

Nach Aufführung dieser Milderungsgründe verbreitet sich der Defensor auf dasjenige, was sich für den großen Harzbuben und die Konkubinen, nach den Akten sagen lässt und schließt dann mit dem Antrage:

A. “Die Inquisiten Veit Krähmer und Philipp Lang von der Verwundung Rieders für völlig schuldfrei, den Friedrich Schütz für klagefrei (absolutus ab instantia) hievon zu sprechen, die ihnen wegen

“Räubereien, Einbrüchen und Diebstählen gebührende Zuchthausstrafe, ihres unglücklichen Verhältnisses wegen, und zwar in specie dem Veit Krähmer umso eher gnädigst zu mildern, als derselbe durch sein freies, offenes Geständnis die Untersuchung abkürzte, zu Beifangung der

Complicen vieles beitrug und dadurch dem Staate einen wesentlichen Vortheil verschaffte.”

B. “Den Inquisiten Andreas Petry und Sebastian Luz, wenn ja Rieders Tod eine absolute Folge seiner Verwundung war, wegen dieser Verwundung des Jacob Rieder, rücksichtlich der nicht völlig gehobenen Ungewissheit: ob sie die eigentlichen Verwunder des Rieders gewesen, rücksichtlich des Abmangels alles bösen Willens, ihrer Jugend und Bildungsmangel, das Leben zu schenken.

C. Die Strafe des Georg Schmitt und der 4 Weibsleute rücksichtlich ihrer detaillirten Verhältnisse gleichfalls gnädigst zu mildern.

Ohne eine förmliche Widerlegung der Milderungsgründe aufstellen, und ohne dem Referenten, welcher ihren Gehalt schon zu sichten und zu würdigen wissen wird, hierin vorgreifen zu wollen, erlaube ich mir nur folgende flüchtige Bemerkungen:

Ad a. Dass Andreas Petry und Sebastian Luz wirklich die Absicht gehabt haben, den Handelsmann Rieder tödlich zu verwunden, glaube auch ich nicht. Dass sie aber wissen konnten, wissen mussten, und wirklich wussten, dass sie durch Schläge der Art, wie sie sie führten, mit Stöcken der Art, womit sie zuschlugen, gar leicht jemand totschlagen könnten, das widersprechen sie selbst nicht – und jedermann wird es mit mir glauben. – Dass die Reisenden sich nicht zur Wehre setzten und

doch misshandelt, schwer misshandelt wurden, erhöht die Schuld der Räuber; statt ein Milderungsgrund zu werden. Sie schlugen auf die Reisenden, ohne alle Veranlassung von Seiten derselben, nur darum, blindlings zu, weil es, wie die andern Fälle sattsam beweisen, mit zu ihrer Taktik gehörte, gleich unbekümmert um die Nothwendigkeitsgründe, wie um die Folgen. Wie ließe es sich sonst erklären, wenn man ihm anders nicht eine Hyänen Natur (die ihm freilich nach der Kopfform seines Vaters eigen sein könnte) zutrauen will, dass Andreas Petry, wie er selbst sagt, noch auf einen der bewusstlos an der Erde liegenden Reisenden drein schlug, – blos um geschlagen zu haben, und bei seinen Kameraden keinen Verdruss zu bekommen? Ad b. Wenn mannshohe, armdicke, frischgeschnittene junge Buchen, die unten bei weitem dicker als oben sind, in den Händen junger, kräftiger Straßenräuber, welche sie express schnitten, um sie bei dem Straßenraube zu gebrauchen, keine tödliche Instrumente sind, dann weiß ich wahrlich nicht, welche andere Instrumente es sein sollen.

Schießgewehre, Säbel und Degen wurden in den Händen dieser Räuber, welche sie nicht zu führen verstehen, weniger gefährlich sein. Ein Prügel der beschriebenen Art aber geht, wie sie sagen, alle Puff los und trifft sicher. Wenn der Defensor es den Räubern als Verdienstanrechnen will, dass Veit Krähmer die Flinte, welche er in der Ziegelhütte zu Sickenhofen stehen hatte, nicht mitgenommen habe; so hat er vergessen, oder außer Acht gelassen, dass die Räuber nicht von Sickenhofen auf

den Raub ausgingen, sondern aus dem weit davon entfernten Höllengrunde. Die in einem hohen Baume gefundene, alte Flinte ließ Krähmer geflissentlich in Sickenhofen zurück, sie würde ihn bei seinem Marsche durch die Wälder und Gebirge des Odenwaldes, wo nicht als Räuber, doch als Wilderer verdächtig gemacht und zu Haften gebracht haben.

Auch nicht einmal Stöcke führten die Räuber auf dem Marsche bei Tage; nur wenn die Nacht eingebrochen war und die Stunde der Mitternacht, wo andere Arbeiter ihre Arbeiten schließen und sie die ihrigen beginnen, nahte, wurde das Handwerkszeug, die Prügel, herbeigeholt, nach der Arbeit aber, oder wenigstens wenn der Morgen graute sogleich wieder beseitiget. Unbegreiflich ist mir es, wie der Defensor darin, dass die alte Flinte Krähmers in der Ziegelhütte zu Sikenhofen stehen blieb, einen Milderungsgrund suchen und außer Acht lassen konnte, was er früher selbst, nach den Geständnissen der Inquisiten zugab, dass nämlich der lange Andres eine geladene Pistole bei sich hatte. Aber auch der lange Andres schoss seine Pistole nicht auf Riedern ab, sondern schlug ihm nur mit dem Kolben oder dem Schloss derselben auf die Stirne. Hätte er nun auch erwiesenermaßen damit Riedern getötet; – würde es dann noch ein Milderungsgrund für ihn sein, dass er ihn nicht totschoss, sondern nur totschlug?

Ad c. Eben darum hätten sie nicht schlagen sollen, wenn sie nicht Meister der Streiche waren, nicht sehen konnten, wohin sie schlugen. Wäre die Angabe wahr, so würde sie nur das beweisen, dass beide unbekümmert um alle Folgen zugeschlagen haben. Man kann aber die Wahrheit dieser Angabe um deswillen nicht gelten lassen, weil beide sehr genau anzugeben wissen, wohin der lange Andres und Manne Friederich geschlagen haben sollen, also auch wissen, und gesehen haben müssen :

wohin sie selbst schlugen. Add. Nur anfänglich hatte Luz angegeben, ersei betrunken gewesen und während des Anfalls neben der Chaussee schlafend gelegen, ehne von Allem das Mindeste gehört oder Theil daran genommen zu haben. Nur um dieses einigermaßen wahrscheinlich zu machen, schien ihm die Fiction eines Rausches nöthig. Als er seine reelle Teilnahme einbekennen musste, sprach er nicht weiter von jenem Rausche.

Ad e. Allerdings könnte das Suppositum des Defensors gegründet sein; – dann hätte er aber nicht nötig zu bitten, dass man seinen beiden Clienten das Leben schenke; – auf diesen Fall könnte es, nach seinen aufgestellten Rechtsgrundsätzen, keinem von ihnen mit Recht abgesprochen werden; und eben darum hätte er gerade diesen Punkt gründlich ausführen sollen.

Während dem der Defenser, auf solche Weise, an der Verteidigung der Arrestanten arbeitete, arbeiteten diese, mit regsamerem Eifer, an ihrer gänzlichen Befreiung. Dadurch, dass sie sich im Zuchthause ordentlich betrugen, hatten sie sich, nach und nach, das Zutrauen der Zuchtmeister erworben. Manne Friederich, Veit Krähmer, Andreas Petry und Basti saßen beisammen in einem Gefängnis; hart neben ihnen, in einem Andern, Hölzerlips und bei ihm ein anderer Arrestant, Carl Zimmermann, welcher sich für einen Baron Grünberg ausgegeben hatte. Veit Krähmer wurde von den Übrigen immerwährend mit Vorwürfen darüber geplagt, dass er sie ins Unglück gebracht habe und aufgefordert, ihnen nun auch wieder herauszuhelfen. Durch das Zutrauen, welches sie sich erworben hatten, gelang es ihnen auch: die Gewährung mancher kleinen Bitte zu erhalten. So wurde ihnen, unter andern, öfters bewilligt, dass Manne Friedrichs Knabe einige Stunden bei seinem Vaterzubringen durfte. Durch diesen Knaben erhielten sie ein Messer; dieses wurde zur Säge bereitet und mit diesem Instrumente sollte Veit Krähmer die sehr starken eisernen Fenstergitter durchschneiden und so die Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Flucht öffnen. Er machte sich an die Arbeit; – sie war hart und langwierig; blieb aber dennoch unentdeckt. Auch dem Hölzerlips wussten sie ein Messer zuzuspielen, mit welchem er zu seiner und Zimmermanns Befreiung gleiche Arbeit vornehmen sollte. Hölzerlips aber hatte nicht Mussth, oder nicht Arbeitslust genug, sich an die schwere Arbeit zu machen. Er verabredete dagegen mit den Übrigen: dass er, wenn Veit Krähmers Arbeit so weit gediehen wäre, um einen glücklichen Ausgang erwarten zu können, die, beide Gefängnisse scheidende, Wand durchbrechen, durch die Öffnung sich mit ihnen vereinigen und vereint mit ihnen entfliehen wolle. Veit Krähmers Arbeit war endlich so weit gediehen, dass er und seine Kerkergenessen am nahen, glücklichen Ausgange nicht mehr zweifelten. Hölzerlips wurde hievon unterrichtet und fing nun seine Mauerdurchbrechung an; aber mit so wenig Vorsicht, dass er darüber ertappt wurde. Er suchte sich auszureden, Carl Zimmermann verriet aber den ganzen Anschlag. Nun wurde auch bei den Nachbarn visitiert und die Durchsägung der Gitter entdeckt. Die Folge war, dass Alle in schwere Fesseln mit Sprengern geschmiedet wurden. Sie wären, wenn ihnen auch ihr Ausbruch gelungen wäre, noch nicht im Freien, sondern bloß im Inneren, mit einer unübersteigbar hohen Mauer eingeschlossenen Zuchthaushofe gewesen, in welchem ein bewaffneter Zuchtmeister und ein unangeschlossener Bullenbeißer Wache hielten. Die Pforte des Hofs war verschlossen, vom Pförtner und einer Militairwache von 18 Mann bewacht. Dessen ungeachtet aber hätten die Inquisiten, welche alle diese Verhältnisse kannten und dennoch den Ausbruch wagten, also auch auf Gegenwehr und Gewalt gefasst waren, vielleicht Gelegenheit gefunden, wenn sie erst einmal im Hofe gewesen wären, wo nicht Alle, doch zum Theil zu entkommen. Freilich hätten sie auch nach wirklich errungener Freiheit, der überall eingetretenen geschärften Polizeivorkehrungen wegen, einen harten Stand gehabt; das war aber ihr geringster Kummer. Hölzerlips, welchen ich darauf aufmerksam machte, entgegnete mir: “Lassen Sie mich daraufhin los und vergönnen Sie mir nur einen Vorsprung von wenigen Stunden; ich will mich dann Jahr und Tag im Odenwald aufhalten, und alle Polizeidiener sollen mich doch nicht finden.” Ich bemerkte ihm, da es mitten im Winter war, dass der Aufenthalt im Freien itzt unmöglich und in den Dörfern nicht zu erhalten sei. “Dafür lassen “Sie nur mich sorgen,” war seine Antwort, “wofür hätten wir denn die “kocheme Bayes? – Wenn es darauf ankommt, den Streifern zu “entgehen, wissen wir schon, wo wir verborgen liegen können, ohne selbst bei der genausten Nachsuchung entdeckt zu werden.” Ich suchte diese gute Laune des Hölzerlips zu benutzen, um von ihm nähere lokale Angaben über diesen allerdings wichtigen Punkt zu erhalten; – allein so weit vergaß er sich nicht. Ist, wie ich nicht zweifle, sein Vorgeben gegründet, so wird auch die jüngste Königl. Westphälische Verordnung, wonach allen Criminal-Arrestanten, zu leichterer Kenntlichmachung, das Hinterhaupt geschoren und den Männlichen der Bart nicht abgenommen werden soll, ihren Zweck nicht ganz erreichen, so lange die kocheme Bayes nicht vertilgt sind. Auch in den schweren Fesseln, in welchen ich sie nach diesem Vorfalle fand, hatten sie die frohe Laune nicht verloren. Manne Friederich hatte sich sogar in die Dichter – Sphäre emporgeschwungen. Der Erstling seiner Mussse hatte so sehr den Beifall seiner Genossen gefunden, dass sie des Lobes darüber nicht müde wurden, und das Gedicht selbst auswendig lernten. Er hatte es mit Frakturbuchstaben an die Kerkerwand geschrieben. Hier ist es:

Seit dem ersten May ist uns bekannt
der Hemsbacher Raub im badischen Land,
der unser Leben hat verkürzt
und uns in großes Leid gestürzt.

Die Armut die war freilich schuld,
weil man sie nicht mehr hat geduldt.
Die meisten Herrn sind Schuld daran,
dass Mancher thut, was er sonst nicht gethan,

Drum sind wir jetzt, wir arme Leut’
in diesem Fall der uns gereut;
Wir sind unsrer fünfe arretirrt
nach Heidelberg in Arrest geführt.

Valentin Krähmer der Erste war,
der macht’s den Herrn gleich offenbar:
wer diesen Raub und Mord verricht’t
und sagt’s den Andern ins Gesicht.

Darnach wir Andre gestanden ein *
durch Kerkerstraf’ und Ketten-Pein,
dass wir gewesen auch dabei
und dass die Armussth schuld dran sei.

Im October ward das Verhör geschlossen;
viel Thränen haben wir vergossen.
Gott, der in alle Herzen sicht
doch dieser, der verläßt uns nicht.

Ob uns schon viele Menschen hassen;
thun wir uns doch auf Gott verlassen; –
denn er ist doch derselbe Mann
der des Menschen Herz regieren kann.

Unsern armen Weibern und Kinderlein
mag Gott nun ein Begleiter sein,
du doch selbst, Herr Jesu Christ!
der armen Waisen Vater bist.

Jetzt wollen wir das Lied beschließen;
doch lasse sich‘s Niemand verdrießen
ist wohl vielleicht ein Fehler drein,
das macht: weil wir nicht studieret sein!

Bei einem späteren Besuche in Mannheim teilte Er selbst mir ein anderes Lied mit, welches er, in der damals von ihm gehegten Überzeugung, dass er mit dem Leben nicht davon komme, als Abschiedsgedicht an seine Frau verfasst hatte, und bat mich dringend, es dieser doch ja mitzuteilen. Ich setze es hierher, nicht als ob es irgend einen poetischen Werth hätte, sondern als einen gewiss für die Erfahrungsseelenkunde merkwürdigen Beweis der Coexistenz der contrastirendsten Gesinnungen und Gefühle in der Brust eines Raubmörders:

Nun hör’ mein lieb Kathrinchen:
Es kommt nun bald die Zeit,
Die dich, mein edles Blümchen!
von mir mit Thränen scheidet.
Denk’ an die vor’gen Zeiten,
die ich schon oft bedacht
die wir in Freud’ und Leiden
oft haben zugebracht !

Refr.: Drum schlag, mein liebes Weibchen,
das Eitle aus dem Sinn
und denk, in größter Freude,
dass ich gefangen bin!

Auch unsre arme Kinder
die unverständig sein,
denn sie sind noch Unmünder, *)
sind schon in solcher Pein.
Es wird sich doch bald lindern;
ich hoff, in kurzer Zeit
dass sich die Last wird mindern
und ich vom Kreuz befreit.

Drum schlag … (wie oben)

*) Unmünder statt Unmündig. Ein wahrscheinlich dem Plurali von Vormund nicht unglücklich von Manne Friederich selbst nachgebildetes Wort

Auch dieser Erde Freuden
und ihre falsche Rott soll mich von dir nicht scheiden;
selbst nicht der bittre Tod.
Will gleich das Herz mir brechen
bleib ich dir doch getreu
Mein Geist wird dir versprechen:
ich sei von Falschheit frei.

Drum schlag …

Das Herz mögt mir zerbrechen,
ja, das muss ich gesteh’n
weil ich dich nicht darf sprechen
dich nicht einmal darf seh’n.
Wer weiß, was uns noch blühet,
was unserm Gott gefällt, wo eins das Andre siehet
hier od’r in jener Welt
.

Drum schlag …

Viel Seufzer thu ich schicken
zu dir, geliebtes Kind!
könntst du sie nur erblicken, *)
dann wär dein Herz entzündt.
Oft fühl in deinen Armen
ich in dem Traume mich,
empfinde dein Erbarmen
und glaub’: du tröstest mich.

Drum schlag …

*) Manne Friederich scheint eine eigne Theorie über die Natur der Seufzer zu haben

Die Freude ist verschwunden
in dieser Zeitlichkeit; bald schlägt die Trauerstunde,
die uns hienieden scheidet
Drum laßt man sie nur schlagen,
wann Gott es haben will;
Denn auch den Unglückstagen
Setzt unser Gott ihr Ziel.

Drum schlag …

Die Welt mit ihren Gaben
sie scheidet mich nicht von dir; –
doch wann es Gott will haben;
so kann ich nicht dafür.
Denn Gott nur kann uns helfen;
sonst bleibet uns kein Freund,
was fragt man nach den Wölfen,
wenn seine Hülf erscheint!

Drum schlag …

Zum Ende lass uns denken
an Jesu Martertod
der unsre Seel wird senken
in seiner Wunden Roth;
Drum hab’ ich an sein Leiden
schon oftermahl gedacht.
Nun jetzo muss ich scheiden;
Mein Weibchen gute Nacht !
Denk du stets an die Worte,
Die Er am Kreuze sagt:
Ich reiß’ zur Himmelspforte,
Gottlob, es ist vollbracht!

Als einen weitern Beitrag zu dem vorgedachten Beweise und zum Belege, dass Manne Friederichs Dichtungen keine zusammengestoppelte Reminiszenzen sind, sondern dass er sein ipse fecit mit Recht darunter setze, wage ich es, in der Hoffnung die Leser nicht damit zu ermüden, noch ein weiteres von ihm komponiertes und mir zugesandtes Lied folgen zu lassen. Wer sich die Mühe nicht verdrießen läßt, im ersten Theile die Einfangungs- und Prozess Geschichte der Gauner und das, was über ihre Charaktere und ihr Benehmen vor Gericht gesagt ist, nachzulesen, der wird sich leicht von dem Wahren übergehen, das dieser Fiction Manne Friederichs zum Grunde liegt:

Hört mir izt zu, ihr liebe Leut,
was kürzlich ist geschehen
von einem Mann, man nennt ihn Veit
der’s Spielen thät verstehen:
Er mischte vordersamst die Kart
auf eine ganz besondre Art,
dann lud er zu dem Spiele sein
viel Leut’ aus andern Ländern ein.

Wild ***) der schon oft beim Spiele
der thät die Karte geben,
da warf ihm Veit die Trümpfe dar,
und sprach: “es geht ums Leben
Schon in dem allerersten Spiel
verlohr der alte Wild sehr viel
und bald gewann der Veit auf’s neu
dass Er der schwarze Peter sei’.

Als Veit das Glück in seiner Hand
sah’; thät er sich besinnen
und schickte Briefe in das Land +)
um Spieler zu gewinnen.
Andreas Wild ++) der erste war
dem warf Veit gleich die Trümpfe dar
wodurch er Wilden überwand,
weil der das Spiel noch nicht verstand.

*) Veit Krähmer
**) Veit Krähmers Geständnisse waren die Veranlassung zu Einfangung der Uebrigen
***) Peter Petry nannte sich anfänglich Johann Wild

+) Anspielung auf die erlassenen Steckbriefe, wozu Krähmer die Signalement gegeben hatte
++) Andreas Petry.

Nun kam ich, Manne Friederich
wollt erst das Spiel nicht kennen,
doch fleng der Herr Director mich
Da’r Zwingenberg *) thät nennen.
Nun spielten sie nach ihrer Art,
gemischt war schon dazu die Kart,
Da stand ich dann bald nackt und blos,
Denn ihre Trümpfe waren groß.

Nun kam auch Hölzerlips zum Siz;
er konnt’ nicht länger passen,
er mischt die Kart, flink wie der Blitz,
sprach: “ich will nicht lange spassen,
“ich mach’ die ganze Kart zu Trumpf!” **)
dadurch war’n alle Spieler stumpf,
weil keiner ‘s Spiel, wie er, versteht
und so macht Alle Er labeet.

Basti, der auch nach Heidelberg
zum Spiel ward invitiret,
der dachte gleich: das Spiel geht zwerg,
da bist du angeschmieret,
denn, sieh, die Kart’ ist trümpfevoll;
nein, dieses Spiel geht mir zu toll,
Zuletzt ward er doch noch verführt
zum Spiel – und glücklich angeschmiert.

Den Oesterlein, der in dem Licht
sich selbsten hat gesessen, ***)
den haben Veit und Lips auch nicht
” , bei diesem Spiel vergessen;
doch weil er, in dem wahren Grund,
von diesem Spiel nicht viel verstund,
legt man ihm nur die Karten vor da merkt er schon: dass er verlohr.

Johannes Bauer wollt vom Spiel
gar wunderviel verstehen,
doch fand der Spieler er zu viel,
die Karte thät sich drehen;
weswegen er dann vor sich nahm:
davon zu schleichen, wie er kam;
Sie aber schrie’n : “ er ist erwischt,
“ warum hat er ins Spiel sich g’mischt!

*) In Zwingenberg war Manne Friederich zuerst eingefangen worden; aber er war entwichen.
**) Anspielung auf die Herrschsucht und Prahlerei des Hölzerlips.
***) Oesterlein hatte früher schon seinen wahren Namen angegeben und einige kleine Vergehen eingestanden

Nun kam Fritz Held, der auch, fürwahr!
am Spiel fand kein Vergnügen;
Er dacht’: das Spielen bringt Gefahr
und ließ die Karten liegen;
doch endlich gab er nach dem Zwang.
“ Macht mir das Spiel nur nicht zu lang,”
dacht er, “weil’s anderst nicht kann sein;
“ergiebst du dich gelassen drein.”

Bernhardus Held, sein Bruder, sprach:
“ die Welt, die ist verkehret,
“so hab’ ich all’ mein Lebetag
“von keinem Spiel gehöret;
“denn wer’s nicht aus dem Grund versteht,
“wird augenblicklich hier labeet!”
Zuletzt nahm er doch auch die Kart
und spielt, – mit Trümpfen schlecht verwahrt.

Der dritte Bruder, Balzer, dacht,
in seinen Wildprettshütten: *)
“Das Spiel – das hat der Teufel g’macht,
“ ich lass’ mich nicht erbitten.”
Gleich drauf ward Er auch invitirt,
nach Heidelberg zum Spiel geführt.
Die Spieler reichten ihm die Hand,
zu zeigen: Er sei wohl bekannt.

*) Balthasar Held hütete Heidekornfelder gegen das Wild.

Jacobi, das Stiefbrüderlein
von diesen dreien Helden,
den holte man nun auch herein,
und wie sie sich auch stellten
so war auch der doch bald erwischt;
die Kart’ war schon darnach gemischt,
der Trümpfe waren gar zu viel; –
auch Er verlohr in diesem Spiel.

Der lange Steffen thät vom Spiel,
glaubt mir! gar viel verstehen,
Er überwand der Spieler viel,
war stets mit Trumpf versehen;
denn wißt: er stammt von Spielers Art *)
drum kennt er auch so gut die Kart,
doch, ach! der Tod mischt sich hinein
und stellt ihm schnell das Spielen ein. *)

So weit hat nun das Spiel ein End’,
doch noch nicht unsre Plage; –
die Kart hat häßlich sich gewendt; –
hin sind die Freiheitstage !
Ein jeder sich nun erst besinnt,
und der verliert, – und der gewinnt
spricht: “hätten wir’s zuvor bedacht,
“wir hätten’s Spiel nicht so gemacht ! “

*) d. h. seine Eltern waren schon Kochem.
*) Stephan Heußner erhüngte sich im Gefängnis

Man wird von selbst bemerken, dass Manne Friederich den Johann Schulz und Johann Adam Karr der Ehre nicht würdigte, in seinem Epos aufgeführt zu werden. Ein weiterer Beleg zu meiner früheren Bemerkung, dass die engere Verbindung der Gauner unter sich und ihr Wirkungskreis provinziell, und die Vertraulichkeit und Freundschaft unter den Gaunern verschiedener Provinzen bloß transitorisch, aber (sit venia verbo) nicht herzlich, nicht für die Dauer sei. Durch die Angaben auswärts verhafteter Mitschuldigen waren inzwischen einige nähere Beschuldigungen, sowohl gegen Veit Krähmer und Hölzerlips, als besonders auch gegen Manne Friederich, zur Anzeige gekommen, welche veranlassten, dass diese drei Obgenannten wieder nach Heidelberg zurückgenommen wurden, um dort mit mehr Muße die Untersuchung gegen sie, hinsichtlich dieser neuen Beschuldigungen, führen zu können. Die neuen Beschuldigungen gegen Hölzerlips und Veit Krähmer betrafen drei Einbrüche, welche der in Giesen verhaftete Hennerle (Heinrich Ritter) mit ihnen und dem langbeinigen Steffen, zu Heckenbergheim, zu Ranstatt, und zu Niedermokstatt bei dem Beamten, verübt zu haben, einbekannt hatte.

Sowohl Veit Krämer als Hölzerlips behaupteten standhaft, von diesen Verbrechen nichts zu wissen.

Der Letzte fügte dieser Behauptung  die Bemerkung bei: Zu jener Zeit, in welcher die bezeichneten 3 Einbrüche verübt worden sein sollten, sei Conrad Werner in Gesellschaft des Hennerle gewesen; dieser habe daher wahrscheinlich an jenen Vergehen Theil gehabt. Conrad Werner wurde in Langenselbold vernommen; auch er behauptete aber, von keinem jener Einbrüche etwas zu wissen. Diese Angaben wurden nach Giesen mitgetheilt, und siehe da! es ergab sich durch die versuchte Erhebung der Tatbestände, dass weder in Heckenbergheim, noch in Ranstatt und Niedermokstatt ein Einbruch zu der bestimmten Zeit verübt worden war, und Hennerle musste einbekennen: dass er jene falschen Angaben ersonnen habe, um während deren weitläufiger Untersuchung Zeit zum Ausbruch zu gewinnen.