Actenmäßige Nachrichten von dem Räubergesindel in den Maingegenden, dem Odenwald und den angrenzenden Ländern. Besonders in Bezug auf die in Darmstadt in Untersuchung befindlichen Glieder desselben Von C.F. Brill, Großherzogl. Hessischem Kriminal-Richter zu Darmstadt. Erste Abtheilung.
Aus Herrn Stadt-Direktor Dr. Pfister’s zu Heidelberg als Actenmäßiger Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Main’s, im Spessart und im Odenwald, sowie aus des Kriminal-Richters, Hofgerichts-Raths Herrn von Grolmann’s Aktenmäßiger Geschichte der Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden ist es schon bekannt; dass die berüchtigten Räuber Johann Adam Heusner vulgo “dicker auch rother; Krämer oder Odenwalder Hann Adam genannt – in einigen Gegenden auch unter dem Namen kleiner Samel bekannt, Johann Adam Grasmann vulgo großer Samel, und Martin Rupprecht, vulgo Hessen Martin genannt; in den hiesigen Gefängnissen einsitzen und in Untersuchung stehen. Durch die gegen sie geführte Untersuchung wurde nicht nur eine, in dem diesseitigen Odenwald unter dasigen Einwohnern sich zu bilden angefangen habende – und in ihren sträflichen Unternehmungen schon sehr weit gediehen gewesene Diebs – und Räuberbande entdeckt, die der Sicherheit der hiesigen Provinz ; und selbst der benachbarten Staaten höchst gefährlich würde geworden sein; sondern auch andere bekannte, berüchtigte Räuber, namentlich der sogenannte barfüßige Hannes (Johannes Fuchs), der Kleine Johann (Johann Adam Wehner, von denen ersterer von Wiesbaden, letzterer aber von Aschaffenburg zur Konfrontation und weiteren Untersuchung hierher gebracht waren), das sogenannte Krämer Johannchen, (Johannes Kinzinger), der Spiel- oder Musikanten Hannes (Johannes Lehn) ausgemittelt und zum Geständnis ihrer Verbrechen gebracht.
Wenn daher gleich viele Verbrechen, welche den drei ersten Räubern zur Last liegen, in den genannten beiden Werken vorkommen, insbesondere Herr Stadt – Direkter Dr. Pfister, mein verehrtester Freund, indem zweiten Theil seiner aktenmäßigen Geschichte mehrere derselben aus den hiesigen Untersuchungsakten erzählt hat; so glaube ich doch keine unnütze Arbeit zu unternehmen, wenn ich das vollständige Resultat der da hier geführten Untersuchung öffentlich vorlege – da in jenen Werken einestheils bei weitem nicht alle Verbrechen vorkommen, welche dieselbe zum Gegenstand hat, und es andernteils vielleicht nicht nur dem größeren Publico überhaupt, sondern auch Justiz- und Polizei-Beamten insbesondere nicht uninteressant ist, zu wissen, wie jeder der Teilnehmer, besonders bei größeren Verbrechen, tätig gewesen ist, was zum wenigsten nach meiner Erfahrung den Justiz- und Polizeibeamten bei eintretenden Untersuchungen gegen noch in der Freiheit herumziehende Teilnehmer von sehr entschiedenem Nutzen sein muss. Herr Stadt Direktor Dr. Pfister und Herr Hofgerichtsrat von Grolmann haben in ihren Werken, die Verbrehen meistens nur nach den Angaben der Damnifikaten, wie solche die Verifikationsprotokolle enthalten ohne besondere Anführung der Tätigkeit der Urheber derselben, vorgetragen ; ich bin dagegen in obiger Überzeugung, besonders den Angaben und Bekenntnissen der hiesigen Inquisiten gefolgt, und ich glaube, dass in dieser Beziehung gegenwärtige Arbeit als Fortsetzung und Vervollständigung jener Werke angesehen werden kann.
Bemerken zu müssen, dass die Eingeständnisse, auf denen die Erzählung der Verbrechen beruhen, auf keine Weise durch angewandte physische Zwangsmittel erpresst worden sind, würde ich für Beleidigung jedes Unterrichteten in der Kriminal-Rechtswissenshaft und für Herabsetzung meiner eignen Geschäftsführung halten; allein die Bemerkung kann ich nicht unterlassen, dass physische Zwangsmittel, die ohnehin als Erforschungs-Mittel der Wahrheit jetzt wohl in jedem deutschen Staat gesetzlich untersagt sind, aber doch immer noch von manchen Inquirenten in der Hitze der Leidenschaft angewendet werden, besonders dann, wenn sie in Schlägen bestehen, gerade bei einem verschmitzten Verbrecher, welches gewöhnlich der größere Verbrecher ist, die entgegengesetzte Wirkung von der beabsichtigten der Regel nach hervorbringen wird, und dass, wenn ein solcher Inquisit je durch das Übermaß von Schmerzen zu einem Geständnis gebracht werden sollte, er bei der ersten Gelegenheit solches widerrufen wird. Studium des Charakters des Inquisiten, und darnach eingerichtete, demselben Zutrauen einflößende Behandlung, möglichste Schonung, und mäßige Strenge nur als Korrektion für wiederholte offenbare Lüge und durch Güte nicht zu zwingende unverkennbare Halsstarrigkeit, angewendet, dies sind, nach meiner Erfahrung, die Mittel, die bei einer sonst sachgemäß geführt werdenden Untersuchung zwar mühsam, aber gewöhnlich sicher zum Ziele führen.
Auf diese Weise wurde der in Heidelberg hingerichtete Veit Krämer hier zum ersten Geständnis seiner Teilnahme an dem bekannten Raubmord zwischen Hemsbach und Laudenbach und der übrigen Teilnehmer, und durch Fortsetzung dieser Behandlung, die man dem Großherzogl. Baadischen Amte Weinheim, an das die Auslieferung von hier aus geschah, besonders empfahl, zu seinen nachfolgenden wichtigen Bekenntnissen bestimmt, und ebenso wurden Johann Adam Heusner und die andern oben genannten hier in Untersuchung gestandenen Verbrecher zum Geständnis ihrer vielfältigen zur Zeit, wo sie von ihnen abgelegt wurden, zum größten Teil von ihnen, dem Inquirenten aber auch ihrer Existenz nach, unbekannt gewesenen Verbrechen, bestimmt.
Ich bescheide mich zwar wohl, dass ich in dem, was ich von der Behandlung des Inquisiten bei der Untersuchung gesagt habe, dem erfahrenen Inquirenten nichts neues sage, vielleicht ist es aber dem angehenden von Nutzen.
Mit der Einfangung und Bestrafung einzelner Räuber, und wenn es auch ein ganzes und mehrere Dutzend sind, kann übrigens noch nicht gesagt werden, dass die Bande das mit zerstört sei, zumalen wenn die Glieder derselben nicht in einem festen ausschließenden Zusammenhang leben, wie dies mit der Bande der Fall ist, zu denen die hiesigen Inquisiten, die in Heidelberg hingerichteten und zum Theil die in Giesen sitzenden, gehörten.
Die Entdeckung und Bestrafung der eingefangenen Gauner wird zwar ihre Spießgesellen momentan aus einer Gegend verscheuchen allein wenn jene auch die härteste Strafe leiden müssen, sie nicht gänzlich entfernen und abhalten, bald wieder zurückzukehren und ihr voriges Unwesen mit noch mehr Verwegenheit zu treiben als vorher., ihre Einfangung aber nur um so schwieriger sei, je mehr das Beispiel ihrer Spießgesellen sie auffordern muss, nichts unversucht zu lassen, um gleicher Strafe zu entgehen. Neben der gesetzlichen Bestrafung des entdeckt werdenden Räubers, ist es daher notwendig, dass kräftige,-Maßregeln eintreten, welche die Gauner aus den Grenzen des Staats entfernt halten, und ihre Bildung im Inneren verhüten, wenn öffentliche Sicherheit erhalten werden soll.
Herr Stadt- Direktor Dr. Pfister zu Heidelberg hat in dem zweiten Theil seines oben angeführten Werks pag. 56. Seq. Maßregeln zur gänzlichen Vertilgung der Gauner vorgeschlagen, die unleugbar ihrem Zweck sehr angemessen sind, allein zuerst Einrichtungen voraus setzen, die ihre Realisierung manchen Schwierigkeiten unterwerfen möchte.
Vorerst wird es daher immer noch bei solchen Maßregeln bleiben müssen, die jeder Staat für sich treffen kann, und ohne dass dazu besondere Einrichtungen und Übereinkünfte mit den andern Staaten Deutschlands notwendig, doch so eingerichtet sind, dass damit zum wenigsten der oben bemerkte Zweck – Abhaltung der Gauner von den Grenzen und Verhinderung ihrer Bildung im Inneren, bewirkt werden kann.
Da solche Maßregeln besonders in dem gegenwärtigen Zeitpunkte, wo nach beendigten langjährigen Kriegen die öffentliche Sicherheit durch die Auslösung mancher Militärcorps, durch Deserteurs, besonders gefährdet werden kann, notwendig zu werden scheinen, so nehme ich daraus Veranlassung, hier meine Ansichten darüber, wie mir solche meine Erfahrungen an die Hand geben, zur näheren Beurteilung in kurzen Umrissen vorzulegen.
Ohne, dass der Gauner in einer Gegend seine vertrauten Häuser hat, in denen er Herberge findet, und Abnehmer des Entwendeten antrifft, kann und wird er sich nicht in derselben herumtreiben. Viele Gauner haußen zwar in der besseren Jahreszeit hinter Hecken und in Waldungen, allein auch diese, ohnehin schon durch ihre Lebensweise leichter zu entdeckende, und eben deshalb der öffentlichen Sicherheit weniger gefährliche Gattung, als diejenige ist, zu der Heusner; Rupprecht, der sogenannte kleine Johann, das Krämer Johannchen und andere berüchtigte Räuber gehörten, welche mit stattlichen Kramkasten, auch gewöhnlich mit guten Pässen und zum Schein des rechtl. Besitzes ihrer Waren mit Contis von bekannten Handlungshäusern versehen, das platte Land sowohl als die Städte durchziehen, ihre Waren zum Verkauf herumtragen, und die Jahrmärkte besuchen – werden sich zu keiner Zeit in einer Gegend aufhalten, wo sie nicht auf den Notfall ihre Hehler und Schlupfwinkel haben, Hieraus erzeigt sich als erste Notwendigkeit zur Erreichung obiger Zwecke: Vertilgung der vertrauten Häuser der Gauner und ihrer Abnehmer.
Diese wird erlangt werden, wenn
1.) bei Untersuchungen gegen verdächtige Personen besondere Rücksicht auf die Entdeckung ihrer gehabten Herbergen genommen,
2.) eine besondere Belohnung demjenigen zugesichert wird, der durch Anzeige der Eingesessenen, welche verdächtige Personen bei sich beherbergen, oder gestohlenes Gut an sich kaufen, zu ihrer näheren Entdeckung Gelegenheit gibt, wenn
3.) die als Hehler oder durch Ankauf des Gestohlenen als Begünstiger der Gauner überwiesen werdende Eingesessene, nach aller Strenge der Gesetze bestraft werden,
4.) und ersteren für die Folge das Aufnehmen von Fremden, ohne Unterschied, ob es In- oder Ausländer sind, untersagt, und insofern dieselbe nach den sonstigen Polizei-Gesetzen zur Beherbergung befugte Wirte sind, die Wirtschaftsgerechtigkeit genommen, den letzteren aber, insofern es zum Handel berechtigte Kaufleute oder Juden sind, die Befugnis dazu entzogen wird
5.) den Bewohnern der Ortschaften sowohl als der Städte, besonders der Landstädte, die nicht durch Wirtschaftsgerechtigkeit zur Beherbergung von Fremden befugt sind, muss daneben die Aufnahme derselben, insofern sie nicht ihre Anverwandte sind, bei Geld- oder körperlicher Strafe untersagt, und auch bei letzteren ihnen zur Verbindlichkeit gemacht werden, binnen den ersten 24 Sstunden der, in dem Ort, mit Handhabung der Polizei beauftragten Behörde, die Anzeige von ihrem Aufenthalt zu machen.
6.) Den zur Beherbergung von Fremden berechtigten Wirten muss zur Obliegenheit gemacht werden, jeden Abend eins namentliche Liste der bei ihnen logierenden Fremden, der Zeit ihres Aufenthalts, ihres Standes und Wohnortes bei der Polizeibehörde einzureichen.
7.) die kleineren, gewöhnlich nur Leute von geringerem standbeherbergenden Wirten müssen außerdem verbunden sein, die Pässe der Fremden zur Untersuchung mit einzusenden, keinem Fremden aber, der mit einem Pass nicht versehen ist, ohne vorherige schriftliche Erlaubnis der Orts-Polizei zu beherbergen
8.) Den mit der Polizei in den Ortschaften des platten Landes gewöhnlich beauftragten Schultheißen muss eine zweckmäßige Instruktion gegeben werden, wie sie die Pässe zu beurteilen haben, mit der Anweisung, bei dem geringsten Zweifel über die Echtheit und Richtigkeit des Passes, dessen Inhaber zu arretieren und an das vorgesetzte Justizamt zur näheren Untersuchung einzuliefern.
9.) Die Schultheißen müssen außerdem diejenigen Fremden, welche in der Gegend in üblem Rufe stehen, auch wenn dieser Ruf sie keines bestimmten Verbrechens beschuldigt, ohne Rücksicht auf den allenfalls besitzenden Pass, verhaften, und mit berichtlicher Anzeige über die Ursache der Verhaftung, wobei namentlich auszudrücken ist, was der Ruf von den Arrestaten sagt, an das vorgesetzte Justizamt zur näheren Untersuchung einschicken.
10.) Einzeln liegenden Häusern, Höfen, Mühlen darf keine Wirtschaftsgerechtigkeit gegeben, auch nicht einmal das Ausschenken von Getränken erlaubt werden
41.) einzeln liegende Häuser müssen nach und nach abgeschafft, und deren weiters Errichtung unter keinen Umständen erlaubt werden
12.) die Bewohner einzeln liegender Häuser, Mühlen, Höfen müssen, wenn sie durch die Umstände sich gezwungen glauben, Fremde aufzunehmen, entweder insgeheim sogleich, oder zum wenigsten alsbald nach ihrem Abzug dem Ortsschultheißen von deren Aufenthalt, den Umständen, unter welchen er gegeben worden, dem Weg, den die Fremde, wenn auch gleich nur wahrscheinlich, genommen haben, und was ihnen von solchen während ihres Aufenthalts oder sonst bekannt geworden, die Anzeige machen;
13.) Der Orts Schultheis hat aber die Obliegenheit, alsbald nach erhaltener Anzeige den Fremden nachsetzen, und sie wo möglich arretieren zu lassen, und an das vorgesetzte Justizamt zur Untersuchung einzuliefern.
14.) Die Unterlassung der sub No. 12. Bemerkten Anzeige, oder wenn sich zeigt, dass sie früher gemacht werden konnte als geschehen, muss mit namhafter Strafe belegt, und nur durch erhebliche, die Unmöglichkeit der Befolgung des Gebots hinlänglich beweisende Gründe, entschuldigt werden können.
15) Die Wohnungen der schon als Hehler und Begünstigte von Gaunern oder verdächtigen Personen überwiesenen Einwohner, so wie derjenigen, welche als solche angezeigt sind, oder im Gerüchte stehen, insbesondere auch die Judenherbergen *), müssen unter besondere polizeiliche Aufsicht gesetzt, auf die ein- und ausgehenden fremden Personen ein genaues Augenmerk genommen, und öfter zu ungewöhnlichen Zeiten genau visitiert, und bei ersteren jeder betreten werdende Fremde, von dessen Aufenthalt, als eines Anverwandten, keine Anzeige geschehen ist, ohne Rücksicht, ob derselbe einen Pass, oder andere, zu seiner Legitimation angezogen werdende Papiere besitzt, arretiert und zur weiteren Untersuchung an das vorgesetzte Justizamt abgeliefert werden, und dies nämliche muss auch bei den Judenherbergen in Ansehung aller der Fremden geschehen, zu deren Beherbergung kein besonderer Erlaubnisschein des Schultheißen vorgezeigt werden kann.
*) Bei dem gewaltsamen Einbruch und Raub auf der Mühle bei Oberliederbach, war es die Judenherberge zu Feldenbergen, wo sich die Räuber anfänglich zusammen bestellt hatten. Drei Wochen nachher wurde in dem Pfarrhause Sossenheim im Herzogtum Nassau von den nämlichen Räubern mit Ausnahme von J. A. Heusner und dem kleinen Jörg, wie unten weiter vorkommen wird, ein ähnliches Verbrechen begangen, und dabei ein, den Räubern auf der Straße aufgestoßener Metzger von Höchst ermordet, und auch zu diesem Verbrechen versammelten sich die Täter in der nämlichen Judenherberge,. Nach Keils Actenmäßiger Geschichte der Räuberbanden p. 433. gab der Räuber Fetzer an, dass im Allgemeinen die Jugendherbergen am Rheinstrom kochem seien.
16.) Die nämlichen unvermuteten Visitationen müssen auch auf einzeln liegenden Häusern, Höfen, Mühlen und dergleichen unternommen werden.
Die von Herrn Stadt- Director Dr. Pfister in seinem schon öfter angezogenen Werk vorgeschlagene Amnestie für die Hehler und Begünstiger der Gauner möchte schwerlich ihren Zweck erreichen. Diese an Unverschämtheit und Frechheit im Leugnen oft dem hartnäckigsten Gauner vorgehende Menschenklasse ist der Regel nach zu tief verdorben; und hat zu viel Interesse in ihrer Verbindung mit den Räubern und Dieben, als dass sie sich zur freiwilligen Angabe ihrer bisherigen Verhältnisse durch ihre zugesicherte Straflosigkeit, der sie, darin, dass sie gewöhnlich erwarten können, von den Gaunern selbst nicht angegeben zu werden, und im Notfall sich durch Leugnen durchzuhelfen hoffen, doch zu entgehen glauben, – bewegen lassen werden. Für die öffentliche Sicherheit sind die Bettler besonders gefährlich.
Außerdem dass die Räuber, wenn zweckmäßige Sicherheitsmaßregeln oder die Jahreszeit ihrem Handwerk Hindernisse in den Weg legen, sich öfter zum Betteln bequemen müssen, dass namentlich die Weiber und Kinder derselben von ihnen dazu ausgeschickt werden, und sie selbst nicht seitens unter der Maske von Handwerksburschen, Collectanten so. sogenannte Scheinsprünge, (Diebstähle, die bei Tag, wo sich Gelegenheit dazu findet, begangen werden), verüben; so sind es auch besonders die Weiber und Kinder, welche die Gelegenheit zum Rauben und Stehlen bei dem Betteln ausersehen. Es ist daher auch in Beziehung auf öffentliche Sicherheit notwendig, dass gegen das Betteln kräftige Maßregeln getroffen werden.
Von Armenanstalten und Armenverordnungen überhaupt zu reden, ist hier der Ort nicht. Es ist wohl nicht leicht ein deutscher Staat, in dem bereits nicht mehr oder weniger zweckmäßige Anstalten und Verordnungen darüber existieren. In Beziehung auf öffentliche Sicherheit möchten aber folgende Maßregeln notwendig sein:
a.) Das Betteln muss für jeden sowohl Inländer als Ausländer verboten sein.
b.) Den Geistlichen und Ortsvorständen muss es bei schwerer Ahndung untersagt sein, irgendjemand ein Attestat über seine Armut und Hilfsbedürftigkeit, sie mögen ihren Grund haben worin sie wollen, zu erteilen, oder auch nur Zeugnisse über durch unverschuldete Zufälle in ihrem Vermögen oder an ihrer Gesundheit erlittenen Verlust auszustellen: denn dergleichen Attestate werden gewöhnlich als förmliche Bettel-Patente und nicht selten als Pässe von den Besitzern gebraucht, und von unwissenden Ortsvorständen angenommen.
c.) Einheimische Bettler, welche außer ihrem Wohnort Almosen sammeln, müssen an dem Ort, an dem sie darüber betreten werden, verhaftet, und unter gehöriger Begleitung nach ihrem Wohnort, auf dessen Kosten, gebracht, und hier von dem einschlägigen Justiz – oder Polizeiamt zur Strafe gezogen werden, die bei der Wiederholung steigen muss, und in diesem Fall am zweckmäßigsten mit besonderer polizeilicher Aufsicht verbunden werden wird.
d.) Auswärtige heimatlose Bettler, die von dem Almosenfordern Gewerbe machen, und hierunter namentlich auch die sogenannte Betteljuden, welche gewöhnlich große Distrikte auf abwechselnden Wegen, um nicht zu oft an einen Ort zu kommen, durchziehen, müssen sogleich an der Grenze abgewiesen, oder wenn sie sich über dieselbe einzuschleichen gewusst haben, wie Vaganten behandelt werden.
e.) Auswärtige Bettler, die eine bestimmte Heimat haben und im-Lande betreten werden, sind in summarische Untersuchung zu ziehen,- und wenn sie hierbei nicht als sonst verdächtig erscheinen, zum ersten Mal, wenn es ihre körperliche Konstitution erlaubt, mit einer Tracht Schläge abzustrafen und mit einem Laufpass Über die Grenze in ihre Heimat zu verweisen, oder, was noch zweckmäßiger sein mögte, von einem Ort zum andern unter Bedeckung an die Justiz + oder Polizei-Behörde, unter der ihr Wohnort gelegen ist, zu transportieren, und Jener zugleich von der Ursache der getroffenen Verfügung Nachricht zu geben. Im Fall des wiederholten Betretens muss daneben längere oder kürzere Gefängnisstrafe eintreten.
f.) Das Almosensammeln auf Collecten-Briefe muss für Auswärtige unbedingt verboten, und nur dem gestattet sein, wem dazu von der inländischen höheren Polizei-Behörde ausdrückliche Erlaubnis erteilt ist. Solche Collektanten müssen daher gleich an der Grenze zurückgewiesen, und wenn sie sich über solche einzuschleichen wussten, verhaftet, ihnen die bei sich habenden Papiere abgenommen, und sie zur sorgfältigen Untersuchung gezogen werden. Ihre Papiere sind gewöhnlich falsch, und eins von Großherzogl. Hessischer Regierung da hier mit den Signalements bekannt gemachte Liste enthält allein, ohne Weiber und Kinder, 47 Individuen, welche die verschiedenen Staaten Deutschlands durchziehen, und mit ihren Familien unter mancherlei Gestalt, als verabschiedete Offiziers, verarmte Kaufleute, Fabrikanten, Geistliche 2c. auf falsche Collektenbriefe betteln; es tritt aber auch der Fall ein, dass viele dieser Bettler, das Betteln nur für den Notfall und zum Deckmantel treiben, und ihr Haupthandwerk Raub und Diebstahl ist. Ein gewisser Johann Georg Braun, der in der vorhin bemerkten Liste auch signalisiert ist, war nicht nur Hauptteilnehmer an dem unten vorkommen werdenden gewaltsamen Einbruch und Raub auf der Mühle bei Oberliederbach, sondern auch an einem 3 Wochen nachher in dem Pfarrhaus zu Sossenheim vorgefallenen und mit einem Mord verbundenen ähnlichen Verbrechen.
g.) Die von ihren Eltern auf das Betteln ausgeschickt werdenden Kinder, müssen gleichfalls angehalten und nach ihrem Alter bestraftwerden. sind die Eltern nicht einheimisch, sondern Ausländer, so müssen die Kinder daneben über jener Aufenthalt, Beschäftigung so. vernommen, und ergibt sich hieraus, dass diese sich in dem Lande aufhalten, so sind auch sie zu verhaften, zur näheren Untersuchung zu ziehen, und dann nach Maßgabe des oben sub d. und e. Gesagten gegen sie zu verfahren.
Die ohne festen Wohnsitz und ohne hinlängliche Mittel zu ihrer Subsistenz herumstreifenden Individuen (Vaganten) sind gewöhnlich entweder selbst Gauner = oder sie stehen doch mit solchen in Bekanntschaft und häufig in Verwandtschaft und bilden, wenn im mich so ausdrücken darf, für jene ein Depot, aus dem sie ihren Zuwachs erhalten. Es ist daher notwendig, dass in Ansehung ihrer solche Maßregeln getroffen werden, durch welche diejenigen unter ihnen, welche als dem Staat angehörig zu betrachten sind, mit ihren Familien gezwungen werden, sich zu nützlichen Staatsbürgern zu bilden, oder doch zum wenigsten für die Sicherheit des Staats unschädlich gemacht; die dem Staat nicht angehörigen aber aus dessen Grenzen entfernt gehalten werden.
Als dem Staat angehörig möchten diejenigen anzusehen sein, welche entweder in demselben geboren sind, oder sich eine längere Anzahl von Jahren, etwa sechs, in demselben aufgehalten haben. Mehrere deutsche Staaten haben bereits obigem Grundsatz angenommen, und für die Individuen, welche hiernach als dem Staat angehörig zu halten sind, Vorsorge getroffen, und es kann nicht fehlen, dass wenn ein gleiches allenthalben geschieht, dies eins der wirksamsten Mittel sein wird, Vaganten und Gauner ganz auszurotten. In der hiesigen Provinz bestehen darüber folgende, durch ein förmliches Gesetz zwar nicht festgesetzte, von Großherzoglicher Negierung, als höherer Landespolizei-Behörde, aber in einzelnen Fällen verfügte Anordnungen, deren Zweckmäßigkeit wohl nicht zu bezweifeln ist, und die ich daher hier näher anführe:
1.) Den als dem Staat angehörig anzusehenden Vaganten, sie mögen ein bestimmtes Gewerbe treiben oder nicht, wird mit ihren Familien nach dem Unterschied, ob sie jene Qualität daraus besitzen, dass sie im Staat geboren sind, oder dass sie sich eine bestimmte Anzahl von Jahren darin aufgehalten haben, entweder der Ort ihrer Geburt oder ihres hauptsächlichen Aufenthalts zum ständigen Wohnsitz angewiesen.
2.) Gibt ein Individuum einen Ort an, von dem es wahrscheinlich machen kann, dass es sich hier, vorzüglicher mit seinem Gewerbe ernähren kann, und die Gemeinde hat keine besondere Einreden gegen seine Duldung, so wird ihm solcher angewiesen.
3.) sie stehen mit ihren Familien an dem Ort, wo sie hingewiesen werden, unter besonderer polizeilicher Aufsicht. |
4.) sie sind, wenn sie kein eigenes, zu ihrer und ihrer Familie Subsistenz ausreichendes Gewerbe treiben, schuldig, die ihnen oder den ihrigen in der Gemeinde angewiesene Verdienstarbeiten anzunehmen, und- können sich solcher nur aus sehr begründeten Ursachen entschlagen. Weigern sie sich, der angebotenen Arbeit, so hat der Einwohner, der sich ihrer dazu bedienen will, solches dem Ortsschultheiß anzuzeigen. und sie werden, in dem Fall sie keine genügsame Gründe ihrer Weigerung anführen können, durch Zwangsmittel zur Arbeit angehalten, oder mit Gefängnisstrafe belegt.
5.) sie erhalten dagegen in dem Fall der Not gleich andern ansässigen Armen, aus der Gemeindekasse notdürftige Unterstützung.
6.) Weder sie, noch ein erwachsenes (Glied ihrer Familie darf sich aus dem Ort und seiner Gemarkung entfernen, ohne dem Schultheißen davon die Ursache ihrer vorhabenden Entfernung, die Zeit ihrer Dauer, und den Ort, wo sie sich hinbegeben wollen, die Anzeige gemacht zu haben.
7.) Der Schultheis hat, wenn sonst keine Bedenklichkeit eintritt, sodann zu der Reise eine schriftliche Urkunde auszustellen, worin der Vor- und Zunamen des Inhabers, die Ursache der Reise, der Ort, wo sie hingerichtet ist, die Zeit des Abgangs von dem Wohnort bestimmt, und der Weg vorgeschrieben ist, den er zu nehmen hat.
8.) Der Inhaber dieser Urkunde ist verbunden, bei seiner Ankunft an dem Ort, wo er sich hinzubegeben willens ist, sich sogleich bei dem dasigen Ortsvorgesetzten, oder der sonstigen Polizei-Behörde zu melden, sich unter die Urkunde die Zeit seiner Ankunft, und bei seinem Weggehen die Zeit seines Abgangs, so wie auch dass er sich in der Zwischenzeit wirklich an dem Ort aufgehalten, auch womit er sich daselbst beschäftigt hat, attestieren zu lassen, sogleich bei seiner Rückkehr die Urkunde dem Ortsschultheißen einzuhändigen.
9.) Das Unterlassen einer dieser Vorschriften wird mit Gefängnisstrafe belegt.
10. Zeigt sich insbesondere aus der Zeit des Abgangs von Haus und der Ankunft an dem bestimmten Ort der Reise – oder umgekehrt des Abgangs von letzterem und der Rückkunft in dem Wohnort, in dem Verhältnis der Entfernung beider Orte, dass der Reisende die vorgeschriebene Route nicht eingehalten, oder wird er außer derselben betreten, so wird er eben so, als wie wenn aus einem oder dem andern Mangel der rückzubringenden Attestation, der eigentliche Zweck der Reise verdächtig erscheint, zur nähern Untersuchung gezogen.
11.) Auf die Wohnungen der auf diese Weise konfinierten und die bei ihnen aus- und eingehende, nicht Ortseinheimische Personen, wird ein besonderes Augenmerk genommen, bei ihnen öfter Nachsuchung angestellt und die bei ihnen betreten werdenden Fremden mit ihnen verhaftet und zur nähern Untersuchung genommen.
12.) Dem Ortsgeistlichen und Schultheißen liegt es ob, genau darauf zu sehen, dass die Kinder der Konfinierten zur Schule und Kirche angehalten werden, die erwachsenern vom weiblichen Geschlechte sich als Mägde verdingen, die von dem männlichen Geschlecht aber ein Handwerk erlernen, oder in dem Fall, dass sie hierzu keine Gelegenheit finden sollten, als Knechte gleichfalls Bauerndienste nehmen.
13.) Der Orts Schultheis hat jedes Vierteljahr über das Betragen der Konfinierten und ihrer Familien Bericht an das Amt zu erstatten, und dabei die scheine, welche denselben zu kurzen Entfernungen aus dem Ort während der Zeit erteilt worden sind, mit einzuschicken, das Amt aber hat seinen Bericht an Großherzogliche Regierung zu erstatten.
14.) Ist das Betragen der Konfinierten und ihrer Familien während dem Zeitraum von einem Jahr untadelhaft; so hört die strengeliche Aufsicht auf, und sie sind dann fähig, in die Gemeinde als Beisassen aufgenommen zu werden.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass die Ortsschultheißen auf weitere Entfernungen und ins Ausland Reisepässe nicht erteilen können, sondern dass dies lediglich von dem Amt geschehen kann, auch die von ihnen auszustellenden Erlaubnisscheine zu momentane Entfernungen aus dem Ort und seinem Bann dafür nicht genommen werden können. Dem Staat zuzumuten, auswärtige, ihm nach den obigen Bestimmungen nicht angehörige Vaganten in oder außer Arbeitshäusern im Lande zu beschäftigen und bürgerlich zu bessern, ist zu weit gegangen. Der Staat wird alles tun, was ihm mit Billigkeit zugemutet werden kann, wenn er bei der ersten Klasse desfallsige Vorsorge trifft, würde aber selbst ungerecht gegen seine nützlichen Untertanen handeln, wenn er solchen die Unterhaltung des sehr häufig aus andern Staaten fortgewiesenen Gesindels aufbürden wollte.
Werden auswärtige Vaganten daher im Lande betreten, so müssen sie
1) festgehalten und zur Untersuchung gezogen werden, ob sie die öffentliche Sicherheit nicht durch wirkliche Verbrechen gefährdet haben, oder mit Verbrechern in Verbindung stehen : ist eins oder das andere der Fall, so muss das Weitere rechtlich gegen sie verfügt werden; erscheinen sie aber
2) weder in einer noch in der andern Hinsicht durch die Untersuchung verdächtig so müssen sie wegen ihres schädlichen Umherstreichens mit einer körperlichen Züchtigung belegt und dann unter gehöriger Bedeckung über die Grenze gebracht werden. Erscheinen sie
3) nach den obigen Bestimmungen als einem andern Staat angehörig, so müssen sie auf dieselbe Weise dem nächstbenachbarten Ortsschultheißen überliefert und von Ort zu Ort weiter an die Justiz und Polizeibehörde, in deren Bezirk sie geboren sind oder sich vorher aufgehalten haben, zur weiteren Verfügung über sie transportiert und abgeliefert werden. Die Bedeckung darf, wie sich von selbst versteht, aber leider gar oft geschieht; nicht aus Kindern 7 Weibern oder abgelebten Greisen bestehen. *)
*) Die Bedenklichkeit, welche Herr Stadt-Direktor D. Pfister in seiner Actenmäßigen Geschihte Thl. 1. pag. 203 gegen diese Maßregel macht ; wird sich dadurch heben – wenn die Behörde, in deren Bezirk der angegebene Heimat- oder Geburtsort liegen soll, den Vaganten, im Fall seine Angabe unrichtig war / nicht laufen lässt; sondern auf der nämlichen Route an das forum deprehensiopis unter Bedeckung zurückschickt und zugleich dieses von den näheren Verhältnissen, warum solches geschieht, unterrichtet. Dies wird selbst ein Mittel sein, die eigentlich wahren persönlichen Verhältnisse des Vaganten zu entdecken der darüber, dass seine Angabe unrichtig war, Rede und Antwort geben muss. Die Kosten der Hin – und Rücksendung können nie bedeutend sein. Hier war dies zum wenigsten schon der Fall mit solchen von der Behörde ihrer angeblichen Heimat zurückgesandt wordenen Vaganten.
4.) Der Bedeckung muss eine offene Urkunde zugestellt werden, in der neben der Personal-Beschreibung des Vaganten die Ursache der Ausweisung, nach Umständen auch der Ort, wo, und die Verhältnisse, unter denen der Ausgewiesene betreten worden ist, so wie der Justiz- oder Polizeibehörde, an die er transportiert worden, auch die Route, auf der solches geschehen soll, zu bemerken ist und diese Urkunde muss dem nächsten Ortsschultheißen des Nachbarstaats mit dem Arrestanten überliefert werden.
5.) Läßt sich der Ausgewiesene in dem Staat wieder betreten, dann ist er mit härterer körperlicher Züchtigung oder Zuchthausstrafe zu belegen: im dritten Fall aber ist Ursache genug vorhanden, ihn als wirklichen Verbrecher zu behandeln und in peinliche Untersuchung zu ziehen und zu bestrafen.
Für öffentliche Sicherheit sind auch Deserteure und nach beendigten Kriegen, entlassene Soldaten von aufgelösten Corps häufig sehr gefährlich. Sie sind öfters schon vor dem Eintritt in das Militär gefährliche Vaganten oder wirkliche Verbrecher gewesen, und haben den Militärstand nur um einstweilige Unterkunft zu haben oder gerichtlichen Verfolgungen zu entgehen, gewählt, oder sie lassen sich erst jetzt nach ihrem Abgang vom Militär aus Mangel an hinlänglicher Subsistenz, in, der öffentlichen Sicherheit gefährliche Verbindungen ein.
Dies beweiset nicht nur überhaupt Erfahrung, sondern es bestätigt solches auch die hiesige Untersuchung in dem Martin Rupprecht Hessen Martin), Johann Adam Wehner (kleiner Johann) und Jakob Erbeldinger. In Hinsicht der bemerkten Individuen müssen also auch die nötigen Maßregeln getroffen werden.
Wegen der Deserteure von inländischem Militär bestehen in allen Staaten Gesetze, die gehörig befolgt, sie für öffentliche Sicherheit unschädlich machen müssen. Auch von verabschiedeten Soldaten von dem stehenden inländischen Militär lässt sich im Allgemeinen für öffentliche Sicherheit keine Gefahr fürchten, zumal da zu jenem gegenwärtig gewöhnlich nur Eingeborne genommen werden. Es kann also nur die Rede von Deserteurs von ausländischem Militär, und von solchen ausländischen Verabschiedeten sein, die bei Corps dienten, welche nur für die Dauer des Kriegs bestanden, und mit deren Auflösung entlassen wurden.
Ihnen darf
1.) der Aufenthalt im Staate der Regel nach nicht gestattet sein : zu dem Ende muss
2.) den Gemeinden, andern Körperschaften und einzelnen Eingesessenen im Staat verboten sein, einen solchen als Dienstbote, Taglöhner, Vieh – oder Fruchthüter und zu irgend einer Arbeit oder Dienstleistung anzunehmen, ohne dazu Erlaubnis von der höheren Behörde ausgewirkt zu haben
3.) Die Ortsschultheißen müssen besonders darauf sehen, dass sich kein Deserteur ohne eine solche Erlaubnis zur Duldung in dem Ort aufhalte,
4.) Wird ein Deserteur oder ein von einem aufgelösten Corps Entlassener betreten ; so ist er anzuhalten und im Fall er die Absicht der Rückkehr in den Staat, dem er angehört, glaubhaft nachweisen kann, mit einem Laufpass zu versehen, in dem ihm die Marschroute vorzuschreiben ist, auf den er den nächsten Weg über die Grenze nach seiner Heimat zu gehen hat. Wird er
5.) außer dieser Marschroute betreten oder er kann
6.) die Absicht in seine Heimat zurückkehren zu wollen, nicht glaubhaft nachweisen, zeigt vielmehr bei dem Verabschiedeten die Zeit wann, und der Ort, wo er den Abschied erhalten, im Verhältnis zur Zeit und der Entfernung des Orts, wo er angehalten worden, dass er herumstreift ; so muss er als Vagant behandelt werden.
Manche Gewerbe und Beschäftigungen sind von der Art, dass sie bei dem Herumstreifen, das damit verbunden ist, zu schädlichen Verbindungen Anlass geben können, dem Staat zum Theil schon an sich schädlich sind, oder nach der Erfahrung gar häufig nur zum Deckmantel des Raubes und Diebshandwerks getrieben werden.
Zu der ersteren Gattung von Gewerben gehören : Alle diejenige, welche Glücksspiele führen, Schatzgräber, Gaukler, Kamel- und Bärenführer, herumziehende Olitätenkrämer und Quacksalber. Zu der letzteren: Gemeine, auf den Märkten und Kirchweihen herumziehende Musikanten, gemeine Krämer, Kammerjäger, Kesselflicker, Scherenschleifer, Schnallenmacher, Sägefeiler, unzünftige herumstreifende Buchbinder, die sogenannten Kasten- und hausierenden Krämer, namentlich auch die sogenannten mit Ellenwaren herumziehenden Bündeljuden, auch Zunder – erden Geschirr – und Porzellanhändler.
Die hiesige Untersuchung sowohl, als die zu Heidelberg und Gießen geführte, zeigen, dass die meisten Haupträuber unter irgend einer dieser Gestalten ihr gefährliches Handwerk treiben; am meisten gefährlich für öffentliche Sicherheit sind diejenigen Räuber, welche als sogenannte Kasten- und Galanteriekrämer herumziehen, da sie bei dieser Beschäftigung nicht allein besondere Gelegenheit finden, sich Verbindungen zu verschaffen, und unentdeckt zu bleiben, sondern auch den Absatz des gestohlenen Guts, besonders von Waren, ohne Zwischenperson selbst betreiben, auf den Märkten, als dem Schein nach ehrliche Krämer, feil halten, im Grunde aber hierbei die Gelegenheit zu Räubereien ausmachen, und an den Rückkehrenden ausüben, ohne dass der Verdacht auf sie fällt.
Zu Erreichung des vorgesteckten Zweckes müssen daher in Ansehung ihrer eingreifende Polizeimaßregeln eintreten. Die oben als dem Staat an sich schon schädlich bezeichneten Gewerbe dürfen sonach
1.) keinem Untertanen gestattet werden,
2.) Ausländer, die sich damit beschäftigen, dürfen nicht, über die Grenze gelassen, und
3.) wenn sie innerhalb derselben betreten werden, so müssen sie wieder über solche gebracht, und bei dem wiederholten Betreten als Vaganten behandelt werden, wobei sich von selbst versteht, dass, wenn sie sich eines Betrugs oder sonst verbotener Handlung schuldig gemacht haben, sie zur besonderen Strafe gezogen werden müssen.
4.) Lassen sich Inländer mit einem der Gewerbe betreten, so müssen sie in ihren Wohnort zurückgebracht und mit angemessener strafe belegt werden. Die dem Staat nicht an sich schädlichen, aber von Gaunern bloß als Deckmantel getrieben werdende Gewerbe dürfen
5.) nur Inländern zu treiben erlaubt sein.
6.) Wollen diese außer ihrem Wohnort ihr Gewerbe treiben, so müssen sie unverdächtig sein, und von ihrem vorgesetzten Amt einen, jedoch auf bestimmte Zeit einzuschränkenden Erlaubnisschein dazu haben, weicher nach abgelaufener Zeit zu erneuern ist.
7.) Wird ein Inländer in der Betreibung eines der angeführten Gewerbe ohne oder mit einem veralteten Erlaubnisschein betreten, oder er hat letzteren zu andern Zwecken missbraucht, so muss er nicht nur zur Strafe gezogen, sondern ihm, auch in letzterem Fall der Schein abgenommen werden.
8.) Den fremden Kastenkrämern und Hausierern darf der Eintritt und Aufenthalt ins Land, so wie das Besuchen der Märkte nur dann erlaubt werden, wenn sie nachweisen können, dass sie irgendwo ansässig sind, und das Recht zu handeln ordnungsmäßig erlangt haben.
9.) sind in einem Staat keine Inländer, die sich mit einem der übrigen bemerkten, dem Staat nicht schädlichen Gewerbe abgeben, so kann ansässigen und sich sonst als unverdächtig legitimierenden Ausländern,- von der oberen Polizeibehörde unter den obigen bei Inländern bemerkten Bedingungen die Erlaubnis zu deren Betreibung erteilt werden.
10.) Jeder Ausländer, der nicht in dem Fall ist, dass er nach den Bedingungen sub 7. und 8. die Erlaubnis erhalten hat, sich im Lande aufzuhalten und sein Gewerbe zu treiben, darinnen aber betreten wird, ist anzuhalten, und in dem Fall er sich „nicht als unverdächtig legitimieren und nachweisen kann, dass er im Auslande einen festen Wohnort hat, zur nähern „Untersuchung zu ziehen, und als Vagant zu behandeln – in dem Fall aber, dass er die bemerkte Nachweisung darbringen kann, über die Grenze zu weisen.
Wirklicher Verbrehen überwiesen werdende Gauner werden sich durch eine zeitliche Strafe nicht leicht bessern und abhalten lassen, nach erlangter Freiheit wieder ihr voriges Handwerk fortzusetzen. Die Weiber oder Beischläferinnen derselben sind wo möglich noch gefährlicher wie sie selbst, da sie, sobald sie wieder ins Freie kommen während dem der Mann oder Zuhälter noch in dem Gefängnis oder der Strafanstalt sitzt, bei der ersten besten Gelegenheit einem Andern sich beigesellen, und wenn dieser noch nicht vollkommen Räuber und Dieb ist, ihn gar bald dazu bilden.
Die hiesigen Räuber stimmen mit dem, was Hölzerlips nach Herrn Stadt-Direktor Dr. Pfister- Actenmäßiger Geschichte 1ter Theil pag. 209, seq. einst in dem Verhör von den Weibsleuten und ihrer Gefährlichkeit sagte, ganz überein.
Martin Rupprecht äußerte: es würde Schade sein, wenn eine von den hier sitzenden Weibsleuten je ihre Freiheit erhielt, da auch der unschuldigste Kerl in ihren Händen gar bald zum Räuber werden müsse: „Ich, sagte er, war zwar, wie ich noch mein erstes Weibsbild, eine gewisse Windstrumpfin, hatte, auch ein Dieb, allein seitdem ich das Gretchen (eine Tochter des Porzellan-Hannes) habe, bin ich zuerst durch sie ein rechter Spitzbube geworden.“
Auch legt die hiesige Untersuchung zu Tag, dass die Weibsleute von dem Handwerk ihrer Männer nicht nur überhaupt Kenntnis haben, und wenn ein Raub oder Diebstahl unternommen werden soll, solches vorher erfahren, sondern dass sie auch zuweilen selbst auf die Diebstähle mit ausgehen, gewöhnlich aber dieselbe auskundschaften. Heusner hat von seiner Frau nicht nur Diebstähle angegeben, die sie selbst wider seine Absicht begangen hat, sondern er erklärte auch, dass er derselben jedes Mal, wenn er auf einen Raub oder Diebstahl ausgegangen, gesagt habe, wo er hingehe. Dabei sind Weibsleute weit hartnäckiger und unverschämter im Leugnen, als die Männer, ja sie machen diesen Vorwürfe, wenn sie aufrichtig sind: Heusner‘s Frau gab solchem, weil er aufrichtig war, den Spitznamen Zickem Hannes (Schwätzer).
Durch diese Erfahrungen, wird es durchaus notwendig, dass eben so wenig wirklicher Verbrechen überwiesene Gauner nach überstandener Strafzeit, als deren Zuhälterinnen oder Weiber unbedingt ihre Freiheit erhalten, oder über die Grenze gebracht werden. Haben solche eine bestimmte Heimat, dann muss mit der Behörde, in deren Bezirk solche gelegen ist, vor ihrer Entlassung darüber kommuniziert werden, dass man sie daselbst aufnimmt und unter strenge polizeiliche Aufsicht setzt, als dem einzigen Weg, auf dem ihnen der Rücktritt in die Gaunergesellschaft nah erlangter Freiheit untunlich gemacht wird. Das Großherzogl. Baadische Directorium des Neckarkreises hatte nach Pfister 2ten Thl. pag. 53. diese offenbar sehr zweckmäßige und zur Vorbeugung größeren Uebels allein führende Vorsorge, in Ansehung der in Heidelberg in Untersuchung gestandenen Weibsleute, und sicherlich mit gutem Erfolg für öffentliche Sicherheit getroffen. Erklärt sich die einschlägige Behörde zur Aufnahme bereitwillig, dann zuerst sind die Verhafteten zu entlassen, und unter hinlänglicher sicherer Bedeckung dahin zu bringen. Wird aber die Aufnahme verweigert, oder es zeigt sich, dass der Gauner und seine Zuhälterin keine bestimmte Heimat haben, dann werden sie, als Sicherheitsmaßregel, in einem Korrektions- oder Arbeitshaus zum wenigsten so lang zurückzubehalten sein, bis man von ihrer vollständigen Besserung sich überzeugt halten kann,
und wird ihnen in diesem Fall ein schicklicher Ort im Lande zum Aufenthalt anzuweisen sein, an dem sie fortwährend unter strenger polizeilicher Aufsicht gehalten werden müssten. Ungerecht gegen den Nachbarstaat ist es nicht nur, den überwiesenen Heimatslosen Verbrecher bloß über die Grenze zu bringen, und ihn so Jenem zuzuweisen, sondern es ist auch selbst eine unzureichende Maßregel für öffentliche Sicherheit des ihn exilierenden Staats selbst, da der Gauner, wenn er es in dem angrenzenden Land für sich nicht passend findet, gewöhnlich an einem andern Orte wieder über die Grenze zurückkehrt.
Die Erziehung der nicht erwachsenen Kinder der Gauner, die in dem Korrektions – oder Arbeitshaus zurückgehalten werden, so wie derjenigen, die zur lebenslänglichen Zuchthaus – oder Todesstrafe verurteilt werden, muss der Staat übernehmen, und dafür sorgen, dass nach erlangtem reiferem Alter die Knaben ein schickliches Handwerk lernen oder als Dienstboten ihren Unterhalt verdienen, die Mädchen aber als Mägde sich verdingen.
Gewöhnlich werden solche Kinder schon in früher Jugend unterwiesen und angehalten, die Gelegenheit zu Diebstählen, die sie insbesondere beim Betteln finden, auszukundschaften, und selbst kleine Diebstähle, namentlich auch auf Märkten, zu begehen: dabei wird ihnen der Grundsatz nichts zu gestehen, eingeprägt, und das Zuwiderhandeln mit harten Züchtigungen bestraft. Umso mehr wird es notwendig, dass der Staat es in den bemerkten Fällen übernimmt, sie zu brauchbaren Menschen bilden zu lassen, wenn nicht in ihnen die Gauner neuen Zuwachs erhalten sollen.
Ich bescheide mich wohl, dass meine hier vorgelegten Ideen über die Maßregeln, die dazu dienen, Gauner von den Grenzen des Staats abzuhalten, und ihre Bildung im Inneren zu verhüten, nicht alle neu und zu einer allgemeinen Sicherheits-Ordnung nicht hinreichend und umfassend genug sind; allein eines Theils war ich nicht willens, zu letzterer einen Plan vorzulegen, weshalb ich mich auch auf die Pass-Polizei nicht eingelassen habe, und andernteils glaubte ich, auch die nicht neue Ideen mit aufnehmen zu dürfen, da sie zum Ganzen meiner Anträge gehören, ihre Nützlichkeit zu dem vorgesteckten Zweck sich durch die Erfahrung, die mir die gegen berüchtigte Räuber geführte Untersuchung an Hand gibt, betätigt, und ohne ihre Mitanwendung das für öffentliche Sicherheit nicht bewirkt werden kann, was nach dem Zweck bewirkt werden soll.
Könnten die gegebene Ansichten sorgfältiger bearbeitet sein, so bitte ich um Nachsicht ; meine überhäufte Amtsarbeiten vergönnten mir nur wenige Zeit, die ich darauf vorwenden konnte. Auf schriftstellerischen Ruf mache ich keinen Anspruch, eben so wenig, als ich in gegenwärtiger Arbeit ein gelehrtes Werk übergeben will; ich wünsche nur für allgemeines Beste mein Scherflein beizutragen, soweit meine Kräfte und Amtsverhältnisse hinreichen.
Ein weitläufiges Verzeichnis von Signalements hänge ich dem gegenwärtigen Werk nicht an. Die in der hiesigen Untersuchung vorkommenden sind bereits zum größten Theil aus solchen in der aktenmäßigen Geschichte des Herrn Stadt-Direktors Dr. Pfisters, insofern sie nicht in der von ihm geführten Untersuchung vorkommen, aufgenommen, und insofern dieses nicht ist, die Signalements aber aus den Heidelberger und Gießener Akten, in jenem Werk oder von Herrn Hofgerichtsrat Kriminalrichter von Grolmann in den seinigen gegeben sind, finde ich unzweckmäßig, sie auch aus den hiesigen Untersuchungsakten nochmals zu geben, da ich weiß, dass verschiedene Signalements von einer Person mehr verwirren und zweifelhaft machen, als aufklären.
Wünscht eine Behörde die in den hiesigen Akten vorkommenden Signalements zu besitzen, so will ich solche gerne mitteilen.
Nur einige Notizen über einen oder den andern Gauner, die zu dessen besserer Entdeckung dienen können, werde ich am Schlusse mit einigen Signalements, die in jenen Werken nicht vorkommen, mittheilen.
Die Veranlassung zu der Untersuchung, deren Resultat man nun vortragen will, war folgende:
In der Nacht vom 8ten auf den 9ten März 1810 wurden dem Einwohner Johannes Maaser zu Fränkisch-Crumbach mehrere Kleidungsstücke, leinen Tuch und andere dergleichen Effekten mittelst Einbruchs entwendet. Der Sohn des Bestohlenen eilte mit seines Vaters Bruder von Wersau auf die benachbarten Orte, um den Dieben nachzuspüren. In Rimbach (wo Heusner und Grasmann schon länger sehr bekannt waren), kehrten jene beide in dem Wirtshaus zur Krone ein. Gleich nachher kam der Knecht des dasigen Neumüllers in die Wirtsstube, der Maaserische Sohn erzählte ihm den Diebstahl, und erhielt dagegen die Äußerung, er solle stille sein, so eben komme einer von den Hauptkerls. Es kam darauf auch ein Mannin die Stube, welcher einen Mantel umhängen, und den rechten Arm in einer Binde trug (es war Johann Adam Heusner), dieser ließ sich ein Glas Bier reichen und holte dabei einen stark mit Silber beschlagenen Pfeifenkopf aus der Tasche. Der Maaserische Sohn äußerte, dass der Pfeifenkopf gestohlen sein müsse, da er von einem Crumbacher Horndreher beschlagen sei und ohne ein Wort zu sagen, entfernte sich hierauf Heusner aus der Stube. Nach seiner Entfernung riet der Wirth zur Krone dem Maaserischen Sohne, dass er sich nach Albersbach wenden solle, indem sich der berüchtigte Samel da aufhalte. Hier wurde nun Grasmann, der sich mit seiner Beischläferin flüchtig zu machen suchte, hinter einer Hecke im Feld ergriffen und festgehalten, ein bei sich gehabter Büchsenranzen mit Effekten aber nicht weit von ihm entfernt gefunden. Mittlerweile war auch Joh. Adam Heusner ins Ort gekommen, und als ein verdächtiger Kerl, dessen Einfangung von dem Amt schon längst angeordnet war, ebenfalls verhaftet. Beide wurden nach von dem Patrimonialgericht Crumbach geführter General-Untersuchung am 13ten Marz 1810 in das hiesige Stockhaus eingeliefert.
Johann Adam Grasmann schien der mutmaßliche Anführer einer Räuberbande zu sein, welche in einer Bekanntmachung der damaligen Großherzogl. Frankfurtischen Regierung zu Aschaffenburg vom Jahr 1809 im Allgemeinen signalisiert war; Johann Adam Heusner aber war nicht nur in seiner eingeräumten Verwandtschaft mit Grasmann, sondern auch aus einem schreiben des Löwensteinischen Amtes Freudenberg höchst verdächtig, da derselbe nach diesem schreiben in eine Familie geheiratet hatte, die wegen Räubereien berüchtigt war, und deren Vater deswegen schon gefänglich eingesessen hatte ; diesen Verdacht bestätigten die Tatsachen, dass er bereits im Jahre 1806 wegen Diebstahl bei dem Großherzogl. Amt Umstadt verhaftet war und sehr bedenkliche Verhältnisse damals gegen ihn eintraten.
Da sich hiernach mit großer Wahrscheinlichkeit in den beiden Arrestanten bedeutende Räuber vermuten ließen, das angezogene schreiben des Amts Freudenberg auch wahrscheinlich machte, dass Johan Adam Heusner selbst schon von dem Würzburgischen Centamt Homburg als Mitglied einer beträchtlichen Diebsbande in öffentlichen Polizeiblättern verfolgt werden so veranlasste dies mit vorläufiger Beiseitsetzung der Untersuchung des Diebstahls bei Johannes Maaser, durch Korrespondenz nähere Notizen von den Verhältnissen zu erhalten zu suchen, welche dafür sprechen konnten, dass beide Inquisiten berüchtigte Räuber seien.
Die ersten nähern Nachrichten erhielt man
a.) in Beziehung auf Johann Adam Heusner
von der in Würzburg, gegen eine, in Kissingen arretiert wordene, Räuberbande, besonders niedergesetzt gewesenen Untersuchungs-Kommission; nach diesen Nachrichten war Heusner in den dortigen Untersuchungs-Akten mehrerer Räubereien bezichtigt, auch im Jahr 1805 auf Verordnung des dortigen Hofgerichts in öffentlichen Blättern signalisiert und verfolgt worden. Die Übereinstimmung des mir von dieser Commission von dem dort bezüchtigten Überrheiner oder dicken Hann Adam mitgeteilten Signalements, mit dem Johann Adam Heusner, die Übereinstimmung der mir von den Familien-Verhältnissen jenes seiner Frau kommunizierten Notizen mit denen der Frau des Heusners ließen keinen Zweifel an dessen Identität mit dem dicken Hann-Adam übrig.
b.) Den Johann Adam Graßmann
bezeichneten von Wiesbaden erhaltene Akten, MitTeilungen, die ich von dem von Gemmingischen Patrimonial-Gerichts. Beamten Stein zu Fränkisch-Crumbach erhielt, und endlich früher Untersuchungs-Akten gegen die berüchtigten Räuber Zunder Albert und kleinen Johann, die unter den falschen Namen Selzer und Jahn hier gesessen waren, allenthalben als den unter dem Namen großen Samel berüchtigten Räuber. Von der Untersuchungs-Kommission zu Würzburg erhielt man bald hernach auf die derselben gegebene Nachricht von der höchstwahrscheinlichen Identität des Heusners mit dem dicken Hann-Adam, aus den dortigen Untersuchungen die gegen denselben vorgelegenen Bezichtigungen speziell mitgeteilt, und ebenso von dem Großherzogl. Würzburgischen Landgericht Karlstadt dasjenige kommuniziert, was in den dortigen Untersuchungs-Akten vom Jahr 1805 gegen denselben vorlag.
Durch die zu Heidelberg im mittelst auch gegen den – hier zuerst zum Geständni des bekannten zwischen Hemsbach und Laudenbach vorgefallenen Raubmords gebrachten Veit Krämer und seiner Komplizen eingetreten gewesene Untersuchung erhielt man weitere Notizen von neueren Verbrechen des Heusners und Grasmanns durch schriftliche MitTeilungen, die dadurch, dass Kriminalrichter bei einer, auf Verordnung Großherzogl. Regierung dahier zu Ende Juli 1811 nach Heidelberg unternommenen Reise, die dortigen Inquisiten selbst sprechen und näher vernehmen konnte, noch erweitert und bestätigt wurden.
Mit den auf diese Weise besessenen Notizen wurde die Untersuchung am 14ten August 1812 mit dem Johann Adam Heusner angefangen.
So hartnäckig dieser anfänglich sich anließ, so offenherzig wurde er, freilich nur nach und nachdem man ihm eine Reihe seiner Kameraden mit ihren Spitznamen vorgehalten, und ihn so in den Spiegel, über die von ihm habenden Kenntnisse hatte sehen lassen und „hierbei, da man wahrnahm, dass er für sachgemäße, auf Herz und Verstand wirkende Vorstellungen empfänglich war, auch von dieser Seite auf ihn zu wirken suchte und ihn dann sogleich allein und so hatte setzen lassen; dass er ganz sich selbst und seinem Nachdenken über die ihm gemachten Vorstellungen überlassen war. Es ist in psychologischer Hinsicht vielleicht nicht unerheblich, dass eben dieses Alleinsitzen vereint mit den Einwirkungen auf seinen Verstand und das Nachdenken, dem er sich bei jenem überlassen war, bei ihm Gewissensrührungen hervorbrachte, die ihn zu seinem ersten Bekenntnisse brachten, und dass seine ganze Offenherzigkeit da anfing, wie er sah, dass man ihn mit möglichster Schonung bei seinen Verhören behandelte, und er dadurch gewonnen worden war, sein Zutrauen dem Inquirenten zuzuwenden. Inder ersten Zeit, als er mit seinen Bekenntnissen anfing, und wo er von der Verhaftung seines Bruders noch gar nichts wissen konnte, äußerte er einstens gleich bei dem Eintritt in die Verhörstube mit sichtbarer Bewegung, dass es im Stockhaus umgehen müsse, dass es einen heftigen Schlag in seinem Zimmer getan und sein Bruder ihm erschienen sei: er bemerkte dabei, dass es keine Stunde in der Nacht sei, in der er nicht an den unheimlichsten Orten marschiert sei, ohne dass ihm je etwas begegnet wäre. Das was er in, dem Verfolg der Untersuchung und nachdem er seine Haupt-Verbrechen einbekannt hatte, darüber, und wie er durch seine, in den ihm vorgeschwebten Bildern, entstandene Gewissensangst, zur Aufrichtigkeit bestimmt worden, weiter angibt, ist in psychologischer Hinsicht ebenfalls immer merkwürdig. Er sagt hierüber in seinem Verhör vom 28ten August 1812, wie er das zweite mal (es sei am 15ten August ein Jahr gewesen) aus dem Verhör zurück in sein Zimmer gekommen wäre, habe er die Lehren und Ermahnungen, die ihm gegeben worden, überlegt, und da er hierbei gefunden, dass ihm Leugnen nichts helfen würde, dass er aber auf der andern Seite bei einem offenen Geständnis nicht nur selbst verloren sei, sondern auch noch so viele andere Menschen unglücklich machen werde; so habe er den Gedanken gefasst gehabt, sich zu erhängen, und auch bereits den Strick dazu gedreht. In dem Augenblick aber, wo er die Tat habe ausführen wollen, sei es ihm vorgekommen, als wenn Hundert und abermals Hundert Menschen um ihn stünden, und wo er nur in eine Ecke des Zimmers geblickt, habe er darin jemand zu sehen geglaubt, und doch niemand gefunden. Dies habe ihn von seinem Vorsatz abgebracht und er habe sich auf seinen Sack hingelegt. Da sei ihm sein Bruder in seiner gewöhnlichen Kleidung erschienen, so dass er denselben hätte anreden können, wenn der Schrecken es ihm zugelassen hätte. Die zwei darauf gefolgten Nächte habe er die nämlichen Erscheinungen gehabt, da sei aber sein Bruder nicht in der gewöhnlichen Gestalt, sondern bläulich gewesen; seine Bestürzung habe ihn aber jedes Mal abgehalten, seinen Bruder zu fragen, was er wolle. Diese Erscheinungen hätten ihn bestimmt, den ihm gegebenen Lehren und Ermahnungen zu folgen, und mit offener Aufrichtigkeit all‘ das Böse, was er getan habe, zu bekennen, und bete er gegenwärtig so gut er könne, gar oft zu Gott, dass er ihm nur so lange das Leben lassen möge, um der Obrigkeit durch Aufrichtigkeit wieder dienen und dadurch noch so viel Gutes tun zu können, als er vorher Böses getan habe.
Da es nicht uninteressant sein kann, zu wissen, auf welchem Weg ein so großer, entschlossener, viel Verstand und Gewandtheit habender Verbrecher, der schon an mehreren Orten arretiert, und verschiedentlich gleichsam über dem Verbrechen ergriffen worden war, und sich immerhin durchzulügen wusste, endlich zu einem so offenen Geständnis gebracht wurde, wie es bei ihm der Fall ist; so habe ich geglaubt, das bisher Gesagte erzählen zu dürfen.