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Nachtrag zu der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwalde. Enthaltend vorzüglich auch die Geschichte der weitern Verhaftung, VerUrteilung und Hinrichtung der Mörder des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur. Nebst einer neueren Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache.

Ein neuer Beitrag zu Enthüllung der Gerichtspraxis dieser Gauner, – und zu dem Beweise der Notwendigkeit der sorgfältigsten Erhebung des Tatbestandes, selbst wenn das angegebene einzelne Factum, durch die Verifikation keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung des Schicksals des Bekennenden haben könnte. Vielleicht war auch Rachsucht gegen Hölzerlips und Veit Krähmer bei jener falschen Angabe Ritters mit im Spiele. Veit Krähmer war bei seiner Ankunft in Heidelberg sehr erfreut, auf einige Zeit wieder aus dem Zuchthause, besonders aber aus der Gesellschaft seiner Raubgenossen gekommen zu sein, weil diese ihn, wie er angab, täglich und stündlich mit Vorwürfen über seine hiesigen Geständnisse gequält – d ihn beschuldigt hatten, dass er der Urheber ihres Unglücks und des Unglücks der meisten Mitglieder der Bande sei. Besonders Manne Friederich, sagte er, habe sich stets damit beschäftigt: ihm sowohl, als jedem der Andern Vorlesungen darüber zu halten, wie sie sich eigentlich im Verhöre hätten benehmen sollen, wobei er zugleich seine eigenen Fehler im Verhöre gerügt, und erklärt habe: wie er es halten würde, wenn er wieder in einen ähnlichen Fall käme. Bei diesen prac..schen Vorträgen habe besonders Hölzerlips sehr bedauert, dass er den von Manne Friederich, als Hauptaxiom aufgestellten und vertheidigten Satz: “Man könne nicht “gezwungen werden, die Angaben eines Mitschuldigen, oder sonstigen Spitzbuben, gegen sich gelten zu lassen; nur Wittische (Nichtgauner) seien gültige Zeugen;” nicht früher gekannt habe. Beide hätten ihn, vereint mit dem Schefflenzer Buben, aufgefordert: sich zum Verhöre melden zu lassen und dann alle seine Angaben, sowohl von sich, als von ihnen und den Übrigen, zu widerrufen; welchem Beispiel sie dann Alle folgen und besonders ihre Gaunernamen abläugnen wollten, weil vorzüglich diese sie entdeckt hätten; – er habe dieses aber wohlweislich bleiben lassen.

Dabei bemerkte er ferner: Man werde vom Manne Friederich kein weiteres Geständnis erhalten, denn derselbe habe bestimmt erklärt: Er werde nichts weiter einbekennen, und wenn man ihn umbringe. Sicher habe aber Manne Friederich in früheren Jahren, wo er, Veit, ihn noch nicht gekannt habe, noch mehr getan; – darum habe er auch dem Hölzerlips bittere Vorwürfe darüber gemacht, dass er die Zinndiebstähle zu Ostheim, Vilbel c. einbekannt habe, – nicht, als ob sie ihres Betrags wegen, ihnen schädlich sein könnten; sondern weil sie bewiesen, dass sie schon vor mehreren Jahren und mit berüchtigten Gaunern gestohlen hätten. “Wir hätten,” habe er beigefügt, “lieber noch zwei Straßenräubereien auf uns genommen.”

Auch Hölzerlips zeigte sich, bei seiner Rückkunft nach Heidelberg gleich froh über diese Veränderung; doch ging er, so wie Veit, erst dann zur vollen Heiterkeit über, als man ihm die Versicherung erteilt hatte, dass ihre Hieherbringung die Verkündung und Vollziehung eines schon gefällten Todesurteils nicht zur Absicht habe. Beide waren nämlich fest überzeugt, dass dieses die einzige Ursache ihrer Rücklieferung nach Heidelberg sei und glaubten nicht anders: als so sehr sagt auch das Gewissen dem Räuber, nach richtigem Rechtsgefühle, – ich möchte sagen nach einem Rechtsinstinkt, was er eigentlich, durch seine Verbrechen, verdienet habe) dass sie am 1ten Mai, als dem Jahrstage des Raubmords zwischen Laudenbach und Hemsbach, an der Stelle, auf welcher sie diesen verübt hatten, hingerichtet würden. Über die gewaltsamen Einbrüche, nach welchen beide noch weiter, nicht als angezeigte Mitschuldige, sondern bloß um, wo möglich, nähere Auskunft zu erhalten, vernommen wurden, konnte von ihnen nichts Näheres angegeben werden.

Von jenem zu Dettingen, dessen unten, bei Peter Eichler, nähere Erwähnung geschehen wird, erhielt man lediglich die Versicherung, dass Peter Eichler, seines standhaften Leugnens ohngeachtet, dennoch Theil daran gehabt habe. Von jenem, welcher am 8. März 1809 zu Lengfurt am Main an dem dasigen Schultheißen, Joseph Zorn, unter den grausamsten Mißhandlungen verübt worden ist, konnte Veit Krähmer nur so viel angeben, dass zwei Juden (wahrscheinlich Itzig Muck und Consorten) Antheil daran gehabt hätten. Von dem auf der Oberliedersbacher Mühle bei Soden, einige Stunden von Frankfurt, welcher ganz unter denselben Verhältnissen, wie jener auf der Aumühle, Statt hatte, (dessen unten näher erwähnt werden wird) versicherten sie nichts zu wissen; und so auch von dem zu Dottenheim, wodurch die Pfarrersfamilie beraubt und der würdige Pfarrer, Johann Opp, getötet wurde; über dessen Urheber der so rastlos desfalls bemüht gewesene Königl. Baiersche Stadtgerichts-Direktor, Herr Wächter, zu Neustadt an der Aisch bis jetzt keine Nachricht erhalten konnte. Von dem zu Sanderhofen verübten, (wobei Eine der beraubten zwei Schwestern um deswillen von einem der Räuber todtgestochen wurde, weil sie, beim Abzug derselben, gerufen hatte: “Geht nur, ich kenne Einen von Euch!” waren zwar die Teilnehmer zum Theil bekannt; man suchte aber dennoch, besonders um deswillen weitere Aufklärung hierin zu erhalten, weil unter den Genannten einer Namens Friederich vorkommt und man glaubte: es möge dieser vielleicht Manne Friederich sein. Man konnte jedoch von den beiden genannten über diesen Punkt keine Verläßigung erhalten.

Die Teilnehmer hieran waren:

  1. der zu Buchen deswegen zu Haften gekommene Michael Bauer;
  2. dessen Bruder, Bernhard Bauer;
  3. Joseph, vulgo Schimmel;
  4. der dicke Christian; (wahrscheinlich der dicke Bub)
  5. Joseph Haaf, vulgo Seppel, zu Würzburg im Zuchthaus;
  6. Johann Haaf, ebendaselbst;
  7. der verstorbene Carl
  8. Friederich;
  9. Joh. Michael Fehlinger, in der Fulder Liste unter Nr. 217 bemerkt;
  10. Kitzing (Martin) Schwager des Vorigen, ebendaselbst unter Nr. 216 angeführt.

Ich kann mich nicht enthalten, aus den Aussagen des Michael Bauer, welche er im November 181o zu Buchen zu Protokoll gab, folgende interessante Erzählung mitzuteilen; indem sie einen wichtigen  Beleg zu dem, was im 1ten Theile gesagt wurde, liefert “In meiner frühesten Jugend sahe ich schon,” sagt Michael Bauer, “dass mein Vater öfters mit Andern hinwegging, und dass er, wenn er zurückkam, gewöhnlich verschiedene Sachen uns Kindern mitbrachte. Dabei wurde uns von ihm bedeutet, dass wir davon ganz stille sein und Niemanden etwas sagen sollten. Auch fügte es sich oft, dass wir ausgestellt wurden, um Acht zu haben: Ob jemand komme. Dieses erregte meine Aufmerksamkeit um so mehr, da mein Vater dabei äußerte: auf diese Art müsse man sich zu ernähren suchen.

Dadurch lernte ich schweigen, und gewöhnte mir ein heimliches Wesen an. Bei dieser Anleitung wurde ich größer, und mein Verstand nahm zu. – Die Grundsätze, die ich befolgen musste, machten, bei zunehmenden Kräften, auch den Gedanken in mir rege, dass ich auch einmal den Versuch zu einer heimlichen Entwendung anstellen wollte. Ungefähr nach meinem zwölften Jahre kam ich auf den Markt zu Hüngen, wo sich meine Eltern aufhielten; hier hatte, unter andern, auch ein Krämer Messer feil, welche mich besonders anzogen. Ich versuchte öfters Eins zu erhalten; der Krämer aber, welcher ein wachsames Auge hatte, verhinderte mich mehrmals, bis ich endlich, als derselbe mit andern Leuten handelte, Gelegenheit fand, Eines in die Hände zu bekommen, welches ich geschwind in meinem Rockärmel zu verbergen wusste. Der Krämer merkte nichts, und ich kam glücklich zu meinen Eltern zurück, welchen ich alsbald meinen Gewinn zeigte. – Diese, anstatt mir einen Verweis zu geben, lobten mich, und erteilten mir nur die Vorsichtsmaßregeln, jedesmal gehörig Acht zu haben, denn ich würde, im Betretungsfalle, mit Schlägen bestraft werden. – Eine solche Lehre merkte ich mir. Gleich darauf wurde ich von meinem Vater zu einem Diebstahl selbst angeführt; wir waren nämlich in der Gegend von Hoppach, und zu Dörzbach bei dem Häfner Dollmann einquartirt, als mein Vater mich und meinen Bruder zur Nachtzeit aufforderte, mit ihm zu gehen; wir folgten, und er führte uns in ein anderes Ort, wo er an einer Scheuer ein Loch machte, durch welches er hineinkroch, und die Thür öffnete. Jeder von uns machte hierauf von dem Vorrat Frucht, den wir antrafen, die Tragsäcke voll, worauf wir wieder abgingen. –  Da ich nun schon zweimal glücklich war, mein Vater mich selbst anführte, und diese Art die zuträglichste ist, den Muth des Gaunerzöglings zu erhöhen; so wurde ich immer freier. Mein Vater wurde auch jetzt vertrauter, erteilte mir verschiedene Lehren, und besonders machte er mich darauf aufmerksam, dass man dergleichen Sachen nicht beichten müsse, weil es einestheils kein Verbrechen sei, und andernteils die Geistlichen der weltlichen Obrigkeit das Gebeichtete entdeckten, welche einen dann einsetzten, und straften. Auch lehrte er mich, wenn ich allenfalls über etwas befragt werde, so sollte ich nie gestehen. – Diese und ähnliche Grundsätze wurden mir beigebracht, wodurch ich, im Vagantenleben ohnedies aufgezogen, nach und nach zu den verschiedenen Verbrechen kam, die ich bekannt habe. Außer diesen weiß ich keine mehr, als dass ich an dem bisherigen Leben noch mehr Freude hatte, weil mir meine Eltern, durch unbedingte Freiheit auch Gelegenheit verschafften, mit Weibsbildern, welche immer bei uns herum zogen, unerlaubte Bekanntschaft zu machen. – So lange, als es mir gedenkt, durchzogen wir die Gegenden unterhalb Würzburg, die bei Buchen, die Mayngegenden bis ungefähr Heubach, und die Neckargegenden; auch waren wir öfters im Odenwalde, im Würtembergischen, um Hohenlohischen, an der Tauber und im Schefflenzer Thale, von wo aus wir gewöhnlich bis Bruchsal gingen.” – Der über 80 Jahre alte Jacob Bauer, welcher seinen Söhnen solche Lehren gab, verdient gewiß unter den Kochemen den Titel eines Educationsrathes, deren es unter ihnen sicher ebensoviele giebt, als in der wittischen Welt.

Die beiden obgenannten Fehlinger und Kizinger werden von Michael Bauer auch noch als Teilnehmer a. an einem Raub im Gotzinger Walde, am 24. August 18o8 verübt, wobei 1000 fl. geraubt wurden;  an einem Leinentuchdiebstahl in Seckach, den 2ten July 1809 verübt; genannt. Michael Bauer ist zum Tode verurteilt worden. Ueber den gewaltsamen Einbruch zu Grävenwiesbach, und jenen auf einer Mühle im Kohlgrund bei Gellnhausen, wovon unten die Rede sein wird, konnte ich mir von Veit Krähmer und Hölzerlips nur wenige Notizen verschaffen; desto besser aber gelang es mir über die wahren Verhältnisse des langen Andres, wovon bis jetzt Krähmer etwas Näheres nicht wissen wollte, Licht zu erhalten. Ich hatte nämlich durch die Güte des Herren Geheimen Rathes und Oberamtmanns Freiherrn von Donop zu Sonneberg bei Koburg, die Maßfelder Liste erhalten, sie mit Andern verglichen und war dadurch auf Vermussthungen über die Person des langen Andres gestoßen, welche ich verfolgte und dadurch die Angabe und später, durch die eingeleitete Correspondenz, die Gewißheit erhielt, dass er wirklich der unten genauer bezeichnet werdende Andreas Frank sei, welche Entdeckung der so thätige Herr Hofgerichtsrath Grolman zu Giesen ebenfalls gemacht hat.

Da es dem übermüdet fortarbeitenden Herrn peinlichen Richter Brill zu Darmstadt gelungen war, von den zur Untersuchung gezogenen Jacob Junckerschen Eheleuten zu Froschhausen das Geständniß zu erhalten, dass der kleine Johann, nach seiner Entweichung auf dem Transporte nach Bruchsal, mit einem langen Barte, zu ihnen gekommen sei, und sich diesen bei ihnen habe abnehmen lassen (das neuerdings vorgeschlagene und hie und da verordnete Stehenlassen des halben Bartes nützt also, sobald der Entwichene Zeit hat, ein kochemer Bayes zu erreichen, soviel wie das: des Ganzen und wie andere Auszeichnungsmittel, welche leicht beseitigt werden können) und dass auch der lange Andres inzwischen bei ihnen gewesen sei; so verschaffte man sich von Hölzerltos, weicher (wahrscheinlich um die Entscheidung der Sache zu verzögern) große Begierde zeigte, den langen Andres beizuschaffen, neue Notizen über seine gewöhnlichen Schlupfwinkel, so wie über die des kleinen Johann, Barthel Bartsch, Porzellanhannes und dessen Sohnes Wilhelm, welche, durch das Großh. Neckarkreisdirektorium, mit den nötigen Ersuchungen, den geeigneten Regierungen mitgeteilt wurden.

Die Entdeckung der näheren Verhältnisse und des wahren Namens des langen Andres würde sicher früher schon erfolgt und er vielleicht längst beigefangen; noch viele andere Verbrecher seiner Art würden ebenfalls schon entdeckt sein, oder doch sicher nicht lange mehr unentdeckt bleiben, wenn eine allgemeine, zusammengreifende Einrichtung der Art bestünde, wie sie schon im ersten Theile angedeutet wurde, und unten näher bezeichnet wird, oder wenn wenigstens bis dahin, wo Anstalten der Art aus der Reihe der frommen Wünsche in das Reich der Wirklichkeit übergehen, die dermal bestehenden Criminal- Behörden entweder selbst, im eigenen Gefühle ihres hohen Berufs und ihrer heiligen Pflicht, es sich zur Obliegenheit machten, oder von ihren höheren Behörden dazu angehalten und strenge darüber gewacht würde, dass sie alle und jede ihnen werdende Notizen über Gauner, und alle von ihnen aufgenommene Gaunerlisten sogleich ihren Regierungen vorlegten, damit sie von diesen allen benachbarten Regierungen und von diesen dann allen untergeordneten Criminal- und Polizey- Behörden mitgetheilt würden. Diese Mittheilungen sind, durch die neue Gestalt, welche Deutschland erhalten hat, sehr erleichtert. Die Aufhebung so vieler kleinen Staaten und Gerichtssprengel hat dem Gaunerwesen schon den empfindlichsten Stoß gegeben, – und es würde den endlichen Herz stoß erhalten, wenn man die nun so vielfach mehr concentrirte Kraft der Gerichts- und Polizei-Behörden mit Weisheit, Umsicht und Eifer benützen wollte.

Allein nicht einmahl hie zu scheint man bis itzt, an den meisten Orten, Lust zu haben. So lange es lediglich den Beamten allein überlassen bleibt: ihren Untersuchungen und Nachforschungen die möglichste Ausdehnung zu geben, oder sie auf das Notdürftigste einzuschränken, so lange wird sicher, von der Mehrzahl, das Letzte gewählt werden; besonders wenn sie, wie das beinahe durchgehend der Fall ist, schlecht bezahlt, oder auf Sporteln gesetzt sind, und daher einen leicht erklärbaren Abscheu gegen die nicht sportelbringenden Criminalien haben; – oder wenn sie sehen, dass alle Mühe, welche sie sich dennoch geben, nicht einmal beachtet wird; – oder wenn es gar, das schädlichste was geschehen kann und dennoch, auch in unsern Tagen noch, geschieht, dem Beamten erlaubt wird, selbst wichtige Criminal-Untersuchungen durch warm von der Akademie kommende Praktikanten führen zu lassen. Im Civil-Prozesse wird der Untersuchungsrichter von den Parteien selbst und ihren Sachwaltern zu sehr kontrolliert, als dass ein bedeutender Schaden durch Übersehen oder Mangel an Praxis veranlasst werden könnte; – und geschähe dieses dennoch einmal, so sind immer noch Rechtsmittel genug übrig, ihn wieder gut zu machen. In diesem Fache möchte es daher eher hingehen, den warm von der Akademie kommenden Neophyten im Tempel der Themis seine eigne Kraft versuchen zu lassen;  bei Criminal-Verhören aber, wo so unendlich viel, und ich möchte sagen Alles auf den oder jenen Moment, der, wenn er versäumt ist, nicht nachgeholt werden kann, ankommt; wo nur Erfahrung, Menschenkenntnisse und Übung den Gang der Prozedur schnell siriren, und mit sicherer Hand leiten können, sollte nie einem Rechtspraktikanten erlaubt sein, eigne Versuche zu machen, bis er zuvor, eine geraume Zeit, als Auscultant den Verhören eines erfahrenen Praktikers beigewohnt und, durch Erstellung fingierter Criminal- Prozeduren und Verhöre, bewiesen hat, dass ihm, ohne Gefahr, Versuche in wirklichen, minderbedeutenden Fällen überlassen werden dürfen; nach welchen sich dann leicht seine weiteren Fortschritte bemessen lassen. Solche Notizen, welche in bei andern Behörden bereits, bekanntermaßen, anhängige Untersuchungen einschlagen, müssen nebst der allgemeinen Bekanntmachung, auch speziell diesen Behörden (was schon der Wohlstand und das Damusss, petimusssque vicissim erfordert) mitgetheilt werden, damit es desto weniger möglich sei, dass eine solche Notiz übersehen werde. Dass es an efficieller Mittheilung solcher Notizen und selbst der Gaunerlisten noch sehr fehle, habe ich auch in dieser Untersuchungssache allzu oft erfahren; ohne die außeramtliche Gefälligkeit des Herrn Geheimen Rathes von Donop hätte ich die Maßfelder Liste nicht erhalten. So hatte das Großh. Hesssche peinliche Gericht zu Darmstadt, dessen Bemühungen doch allgemein bekannt sind, erst durch mich die Fulder Liste erhalten. So fehlen mir wahrscheinlich noch gar manche Listen, – und gar vielen Stellen wird es eben so gehen; von Manchen weiß ich bestimmt, dass dieses der Fall ist. Wie kann nun da zweckmäßig gearbeitet, – wie kann das Ziel, wenn auch nicht erreicht, doch näher gerückt werden?

Aber auch die Mittheilung solcher Listen an alle Ämter führt nicht zum Ziele, wenn die Ämter nicht von den höheren Stellen, welche ebenfalls im Besitze solcher Listen sein müssen, zugleich über die Benutzung derselben kontrolliert werden. Ohne eine solche Controlle bleiben die Listen von den mehresten Ämtern unbenutzt, werden verlegt, oder wohl gar geflissentlich verlohren und sind dann, nach wenigen Jahren, nicht mehr aufzufinden.

Eine andere Anstalt, welche hiemit in Verbindung stehen sollte und welche gewiß in gar mancher Hinsicht wohltätig wirken würde, wäre die Anlegung und Erhaltung eigener Amtsbibliotheken für jedes Amt, in welchen dann auch die aktenmäßigen Räubergeschichten, Gaunerlisten u. dgl. ihren ständigen, sichern Platz finden könnten und würden. Wer aus eigner Erfahrung weiß, wie sauer und beinahe unmöglich es einem Manne fällt, nachdem er, wie es der Fall mit so vielen und beinahe den Meisten ist, sein väterliches Erbe auf Schulen, Akademien und als  unbesoldeter Praktikant, ganz oder zum Grossisten Theile zugesetzt hat, sich bei seiner Anstellung eine ausreichende Bibliothek zuzulegen und sie alljährlich nur mit dem Unentbehrlichsten zu rekrutieren; der wird sich leicht einen Begriff von der Erleichterung machen können, welche es einem solchen Neuangestellten gewähren muss, bei seinem Aufzuge auf das Amt schon eine Sammlung des notwendigsten Apparats zu seiner Berufsarbeit zu finden. Gerne wird jeder neue Beamte die zu stipulierende Anfangs- Verwendung und die ebenfalls der Summe nach zu regulierende und der Anschaffung nach anzuzeigende, alljährliche Vermehrung der Amtsbibliothek übernehmen, da er dadurch größerer Ausgaben, des üblen Humors der Gattin über die Buchhändlerconti und des Jammers seiner Relikten über die vielen, nichts geltenden Bücher überhohen ist.

II.

Ich würde, und wie notwendig wäre dieses in unsern sonderbaren Tagen, wo die neuen Verordnungen, wie Meereswogen im Sturm, sich drängen; wo die Zahl der Verbesserungen und Erläuterungen Legion ist, die keine Christenseele, und hätte sie auch alle Mnemnonischen Vorteile inne, behalten kann; – ich würde, sage ich, selbst zu Anlegung solcher, versteht sich: nach anderer Auswahl, anzulegenden Bibliotheken für jedes Ortsgericht raten. Und weil ich nun doch einmal so weit gegangen bin, so erlaube ich mir, hier noch einen andern Wunsch im Vorbeigehen, zu Tage zu fördern, der darin besteht: dass man die Anlegung und ununterbrochene Fortsetzung von Ortschroniken verordnen möge. Ihre Anlegung und Führung dürfte freilich nicht der Willkür der Pfarrer oder Ortsvorsteher überlassen, wohl aber könnte sie, nach alljährlich höheren Ortsvorgelegten und gebilligten Entwürfen von diesen besorgt werden. Wer die unendliche Mühe kennt, mit welcher der Geschichtsforscher (ich meine damit nicht den Historiker allein, sondern auch den, der Geschichte der Kunst, Industrie c. zu seinem Fache macht) zu kämpfen hat, um sich über ältere, bloß aus Volkssagen bekannte Tatsachen, oder Ereignisse, Gewissheit zu verschaffen; wird diese Idee – wenigstens nicht lächerlich finden. Dass solche Chroniken, wenn bei ihrer Anlegung und Führung darauf Rücksicht genommen würde, auch für den Zweig der Criminaljustizpflege, welcher der Gegenstand dieser Blätter ist, vielseitigen Vorteil liefern können, bedarf wohl keiner eigenen Demonstration.

Vorzüglich müssten die Amtsbibliotheken die genauesten und pünktlichsten Topographien aller Nachbar-Staaten – versteht sich: dass sie zuvor, wie dieses im Großherzogtum Baden geschehen ist, vorhanden sein müssten, enthalten; – damit bei der Benennung eines Ortes sogleich der Staat, dem es zugehört und das Amt oder die sonstige Stelle, welcher es zugeteilt ist, aufgefunden, und dann sogleich dahin die Korrespondenz gerichtet werden könne; was ohne dieses nicht möglich ist – und ohne welches gar manchmal die Erhebung der Verifikationen, oder sonstiger Notizen, auf das äußerste erschwert, verzögert, oder gänzlich vereitelt wird. Dabei wäre dann aber auch weiter zu wünschen, dass, neben den Ortsnamen in der Schriftsprache, auch zugleich die Ortsnamen, wie sie von dem gemeinen Manne ausgesprochen werden, bemerkt würden, – weil, ohne dieses, es oft nicht möglich ist, das Ort zu finden. Wer wird z. B. unter: Runswell – Ramsthal; unter: Bügermich-Bücherberg; unter: Helbrigen – Heldenberg; unter: Henndesse-Handschuhsheim; unter: Schimmeldewoog – Schönenmattenwaag vermussthen? In den Amts- und Orts-Bibliotheken dürften Blätter, wie der allgemeine Anzeiger der Deutschen, die allgemeinen Justiz- und Polizei-Blätter nicht fehlen; – nur wäre noch Eines nötig: dass nämlich die Redaction eines dieser Blätter, oder irgendjemand es übernähme, oder die Regierungen jemand dazu veranlaßten: alle Jahr ein alphabetisches Verzeichniß über die mit Steckbriefen verfolgten Verbrecher, mit Nachweisung der Blätter, welche sie enthalten, für alle Ämter und Amtsorte zu verfertigen, und durch den Druck bekannt zu machen. Auch dieses wird aber, wie das Andere früher gesagte, vielleicht von manchem, mit mir gleichdenkenden Geschäftsmanne gewünscht werden; aber wohl schwerlich zum Vollzug kommen; am allerwenigsten in unsern Tagen, wo das Interesse einzelner Individuen, Gegenden und Staaten, von dem Wirbel des sogenannten höheren, allgemeinen Interesses der Politik mit fortgerissen und in die tiefste Tiefe seines verschlingenden Strudels begraben wird. Der Verfolg dieser Geschichte wird diese meine Befürchtungen rechtfertigen. Mag es indessen geschehen oder nicht, so wäre doch vielleicht die Erfüllung eines andern Wunsches, den gewiss jeder praktische Kriminalist mit mir hegen wird, leichter zu erwarten, dass nämlich von den bestehenden Criminal- Tribunalen, peinlichen Gerichten und andern dergleichen Stellen ein Comte remdu ihrer Arbeiten, von Zeit zu Zeit, in Druck gegeben würde; Theils um wirklich dem Publikum die Überzeugung, dass an seiner Sicherheit gearbeitet werde, zu geben, teils um dadurch andern Stellen dieser Art vielleicht ungeahnte Aufschlüsse, auf dem leichtesten Wege, zu erteilen.

Am 8ten und 9ten April 1812 wurde bei Großherzoglichen Hofgerichte der Vortrag über die Untersuchung gegen Veit Krähmer und seine Mitschuldigen verlesen und darüber abgestimmt. Der Verfassung gemäß wurden demnächst die gefassten Beschlüsse, insofern sie auf Todesstrafe gerichtet waren, Großherzoglichem Oberhofgerichte mit den Akten und dem Vortrage zu Fällung des Urteils selbst vorgelegt; – hinsichtlich der erkannten langjährigen Zuchthausstrafen aber zu Großherzoglichem Justizministerio zur Approbation oder Abänderung ein befördert, hinsichtlich der erkannten geringeren Strafen aber sogleich in Urteilsform ausgefertigt. Diese letztgedachten Urteile bestimmten Folgendes:

1. Georg Schmitt, vulgo der große Harzbub, von Zell bei Bensheim, wurde der den Raubgenossen am Laudenbacher Raube, durch Zeigen des Wegs, geleisteten Beihilfe für schuldig erklärt und deswegen ihm der bisher erlittene Arrest zur Strafe angerechnet und weiter verordnet: dass er mit 20 Stockstreichen belegt und hiernächst der Großherz. Badischen Lande zu verweisen sei. Er hat die Verkündung dieses Urteils, welche in Mannheim bewirkt wurde, sicher mit Schrecken und Bedauern vernommen; indem es ihn seines ruhigen Aufenthalts im Zuchthause, seines Brods und seiner Arbeit beraubt und ihn wieder in das Gaunerleben zurückstoßt; – in welchem er nun um so wahrscheinlicher zu neuen und größeren Verbrechen schreitet, da er jetzt den ehrlichen Namen, welchen er vorher noch hatte, und seine Kundschaft im Harzhandel verloren hat. – Man wird dieses Urteil mit jenem, welches nach Theil I. S. 32, gegen die Fuhrischen Eheleute und die Witwe Geiger zu Darmstadt gefällt wurde, im Missverhältnisse finden. Wahrscheinlich ist nur, – was freilich auch nicht sein sollte, – die Differenz der Criminalgesetze in den Großherzogthümern Baden und Darmstadt hieran Schuld.

2. Der Krämer Friederich Kern, von Heiligkreuzsteinach, wurde des Ankaufs gestohlener Waaren, unter verdächtigen Umständen, für schuldig erklärt und deshalb zu einjähriger Arbeitshausstrafe, in die Untersuchungskosten und zur Schadensersatzleistung verurteilt. Auch dieses Urteil steht, wahrscheinlich aus gleichem Grunde, mit den vorgedachten Darmstädter Urteilen im Mißverhältniß.

3. Careline Höhnin, des kleinen Johann Zuhälterin, und Maria Anna Müller, des stumpfärmigen Zimmermanns Tochter, wegen der Mitwissenschaft am Dörrfleischdiebstahl zu Igelsbach für klagfrei erklärt, wegen Landstreicherei aber, der Letzteren der bisher erlittene Arrest statt der Strafe angerechnet; – die Caroline Höhn aber, deswegen sowohl, als wegen Beiwirkung zu Verbringung gestohlener Waren, nebst Anrechnung des bisherigen Arrests, zu weiterer halbjähriger Zuchthausstrafe verurteilt, auch beide des Landes verwiesen.

4. Margaretha Petry, Zuhälterin des Lüttich und nachher des Sebastian Luz, wurde der Mitwissenschaft eines von Daniel Lüttich verübten Raubes, des Ehebruchs und der Gaunerei für schuldig erklärt und, unter Aufrechnung des bisherigen Arrestes zu einem Theil der Strafe, zu einer halbjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, welcher scharfe körperliche Züchtigung und Landesverweisung folgen.

5. Eva Selzer, Veit Krähmers Zuhälterin, deren Mutter Elisabetha Selzer, und Catharina Karrin, Manne-Friederichs Ehefrau, wurden, beide Erste der Landstreicherei und des Concubinats, Letztere der Landstreicherei für schuldig erklärt und, unter Anrechnung des bisherigen Arrests zur Strafe, zu scharfer körperlicher Züchtigung verdammt und des Landes verwiesen.

6. Barbara Schulz, geborene Bayer, Ehefrau des Johannes Schulz, wurde des Vagantenlebens für schuldig erklärt, ihr der bisherige Arrest zur Strafe angerechnet und sie (da sie aus dem Großherzogthum Baden ist) besonderer polizeilicher Aufsicht untergeben.

7. Die Ehefrau des stumpfärmigen Zimmermann Philipp Müller, Anna Maria, vorher geehelichte Schmitt geborene Wiesenbach, deren Tochter Catharina Schmitt und ihr Ehemann Georg Ihl wurden, wegen der ihnen angeschuldigt gewesenen Diebstähle für klagfrei, des Vagantenlebens aber für schuldig erklärt und daher ihnen der erlittene Arrest statt der Strafe angerechnet und sie des Landes verwiesen. Sie wurden, da erstere von Rheinfeld im Rhein- und Mosel-Departement gebürtig ist, Ihl aber angegeben hatte, in der Gegend von Blieskastel geboren worden zu sein, über den Rhein gebracht und der kaiserlich französischen Gendarmerie übergeben. Allein schon am 3. May 1812 wurden sie zurückgeschickt, die erste, weil sie ihrem zu Grevenhausen im Großherzogthume Hessen geborenen Mann folgen müsse; – Ihl, weil er seinen Geburtsort nicht nennen könne und sich seit langer Zeit im Großherzogthum Baden aufgehalten habe. – Wahrscheinlich wird es noch mit manchem Andern eben so gehen. Man schickt sie so lange hin und her und her und hin, mit großen Kosten, bis sie endlich einmal Gelegenheit finden, auf dem Transporte zu entkommen. Ueber lang oder kurz werden sie wieder eingefangen, – und dann geht der Tanz wieder von vorn an. So lange man nicht gemeinschaftlich über die Principien solcher Zusendungen einig ist, können sie nie zum gedeihlichen Ziele führen.

8. Des stumpfärmigen Zimmermanns Tochter Magdalena, Zuhälterin des langbeinigen Steffen, wurde wegen der ihr angeschuldigten Diebstähle für klagfrei, dahingegen des Vaganten-Lebens, so wie des Concubinats und Umgangs mit einem Räuber für schuldig erklärt und deswegen zu einjähriger Arbeitshausstrafe verurteilt. Gegen den stumpfärmigen Zimmermann Philipp Müller, dessen Sohn Conrad Müller, dessen Stiefsohn Johann Adam Schmitt, dessen Tochter Sophia Müller, dessen Tochtermann Schieferdecker und dessen Frau wurde eine weitere Ausdehnung einiger von dem inquirirenden Beamten übergangenen Punkte verordnet; deren Erhebung aber wohl schwerlich andere, als den vorgedachten ähnliche Urteile herbeiführen wird.

Diese Urteile haben die eigne Erwartung der Verurteilten sowohl, als jene ihrer Angehörigen und Mitschuldigen, ihrer Gelindigkeit wegen, übertroffen. Hölzerlips hat seine früheren Vorwürfe gegen die gelinde Bestrafung und frühere Entlassung der Weibsleute wiederholt, in welche dann auch Veit Krähmer mit einstimmte. Inzwischen waren die Weibsleute selbst sehr vergnügt darüber, für den harten, langen Winter für sich und ihre kleine Familie eine sichere und gute Unterkunft, auf fremde Kosten, gehabt zu haben, und nun, beim Beginnen des Lenzes, wieder zum Genuss der Freiheit und der schönen verjüngten Natur zurückkehren zu können. Manche Leser werden, eingedenk dessen, was im ersten Theile gesagt wurde, den Missmut, welchen Hölzerlips und die andern Räuber über diese Urteile äußerten, teilen, – und im ersten Unwillen dem Urteilenden Gerichte Vorwürfe darüber zu machen geneigt sein. Allein sie müssen bedenken, dass der Urteilende Richter nur nach den gegebenen, wirklich bestehenden, nicht nach Gesetzen, wie sie sein sollten, Urteilen dürfe; – und dann werden sie gerne diese Vorwürfe zurücknehmen, ihren Unwillen mäßigen, bedauern, dass die Gesetzgebung nicht schon früher die geeigneten Vorkehrungen getroffen habe; – und sowohl die unglückseligen Geschöpfe, welche nun wieder ohne allen Schutz, ohne alle Mittel, sich zu ernähren, in die Welt gestoßen werden, als die Länder, in welche sie zu neuen Gaunereien vertrieben werden, bejammern und die großen Kosten und die schöne, theure Zeit beklagen, welche man verwenden musste, um einen Trupp Gesindel dieser Art, mit ihren vielen Kindern, zu Angabe ihrer Verhältnisse zu bringen, sie zu überwintern, zu kleiden, und sie dann wieder ihrem früheren Leben hinzugeben. Das Großh. Hofgericht fühlte selbst diesen Übelstand tief und ließ daher diese seine Urteile nicht so geradezu vollziehen, sondern setzte sich desfalls vordersamst mit Großh. Neckar Kreisdirektorio in Benehmen. Diese Stelle, von dem lebhaftesten, regsamsten Eifer für die allgemeine Sicherheit beseelt, suchte auch solche Mittel zu ergreifen, wodurch es möglich wurde, dem zu befürchtenden, größeren Uebel zu steuern. Es eröffnete nämlich vordersamst geeignete Communication mit jenen Regierungen, in deren Bezirke die einzelnen Individuen gehörten, um sicher zu sein, dass sie dort aufgenommen, unter specielle Aufsicht gesetzt, und ihnen der Rücktritt in die Gauner- Gemeinschaft untunlich gemacht werde; denn es war ohne dieses, und wenn die Entlassung der Weibsleute vor der Fällung und Vollziehung des Urteils in der Hauptsache erfolgte, zu befürchten, dass diese Weibsleute die alten Kameraden ihrer verhafteten Zuhälter oder Verwandten aufsuchen und sie verleiten möchten, wiederholte Versuche zu ihrer Befreiung zu machen. Die Kenntnisse, welche sie sich von der Localität der Gefängnisse erworben hatten, konnten leicht schädliche Folgen erzeugen; wenigstens den Muth zu dem Wagstück erhöhen. Eben so musste befürchtet werden, dass diese Weibsleute den Kameraden, oder ihren zum Theil noch freien Zuhältern selbst, dasjenige mittheilten, was sie von der Untersuchung und den gegen jene getroffenen Maßregeln erfahren hatten, und so deren Beifangung und die Prozedur gegen sie erschwerten.

Ich hätte gewünscht, dass die Verkündung und Vollziehung der Urteile immer in Gegenwart der mitverhafteten Weibsleute und der übrigen verhafteten Gauner geschehe, um womöglich tiefer auf ihr Gemüht zu wirken. Durch die vorgedachte Vorkehr des Kreisdirektorii ist zwar momentan den üblen Folgen vorgebeugt; – im Allgemeinen aber besteht, leider! der alte Übelstand noch fort; nur die Gesetzgebung, nur die höhere Polizei kann hierin abhelfen. Es lag nicht in meiner Absicht, über die Mittel hierzu mich einzulassen, weil ich durchaus, auch nicht einmal von weitem, mir anmaßen wollte, den Einsichten höherer Behörden hierüber zuvorkommen zu wollen. Da man aber den ersten Theil dieser Schrift, gegen meine eigene Erwartung überall mit ganz besonderem Beifall aufgenommen hat, da sogar mehrere der höchsten Souveräns des rheinischen Bundes das wärmste Interesse für meine Absicht tätig gezeigt haben, da so manche wackere Männer auf den erhabensten Posten diesem Beispiele folgten, und da selbst Manche unsrer bekanntesten und allverehrtesten Staatsmänner mich würdigten, sich über die zweckmäßigsten Mittel zu Vertilgung der Gauner mit mir in Correspondenz zu setzen; so halte ich nunmehr, wo ich diesem nach hoffen darf, dass es de tempore sei, hierüber zu sprechen, für meine Pflicht, nicht länger zu schweigen, und teile daher eine kurze Uebersicht jener Mittel, unter Benützung mancher teils bekannten, teils neuen Ideen, nach meinen eigenen Ansichten, in leichten Umrissen, mit:

I. Alle Staaten der Rheinischen Konföderation vereinigen sich zu gänzlicher Vertilgung der Gauner, und suchen es womöglich auch dahin zu bringen, dass das französische Kaiserreich, welches schon so tätig zu diesem großen Zwecke gearbeitet hat, dieser Vereinigung, soviel die Berührungen mit den Bundes-Staaten es erfordern, beitritt. Sollten einzelne Bundes-Staaten dem Vereine nicht beitreten, so darf und wird dieses die übrigen nicht hindern, unter sich den Verein abzuschließen. Doch dieses scheint wohl nicht der Fall sein zu können, wenn anders einige Staaten, es ernstlich meinend, Hand an das große Werk legen und die Initiative übernehmen. Denn was ließe sich wohl sonst für ein gedeihlicher Zweck von der Rheinischen Konföderation denken, wenn der Schutz gegen den im Innern wütenden Feind und dessen Vertilgung außerhalb desselben läge?

Man hat ja gemeinschaftlich Cordons gegen das gelbe Fieber gezogen, man hat gemeinschaftlich die Vaccination befördert, man arbeitet gemeinschaftlich gegen die äußern Feinde des Continental – Systems, man schafft, in gemeinschaftlichem Bestreben, an Zucker- und FarbSurrogaten; – warum sollte man sich nicht willig gegen die täglich mehr anwachsenden Feinde der inneren Sicherheit vereinigen; besonders jetzt wo neue Kriege ihnen wieder die regsamere Betreibung ihres schädlichen Gewerbes zu erleichtern drohen!

II. Diese Vereinigung wird für immer, oder wenn dieses je, aus Gründen, welche ich freilich nicht einsehe, nicht für ratsam gefunden werden sollte, wenigstens auf die Dauer einiger Menschenalter; – weil nur diese hinreichen können, das Werk, wenn es mit Kraft begonnen und geleitet wird, zu vollenden, – abgeschlossen.

III. Die Vereinigung bestimmt und ergreift als Mittel zu ihrem Zweck:

A. die Verminderung und sukzessive gänzliche Vertilgung der Kochemer Bayser und Schärfenspieler (Diebshehler und wissentlichen Käufer gestohlener Waren);

B. die Beifangung aller Gauner und Vaganten;

C. die Bestrafung und Unschädlichmachung jener von denselben, welche als Verbrecher überwiesen oder geständig sind;

D. die Unterbringung der keiner Verbrechen überwiesenen, so wie die der Weiber und Kinder aller Gauner und Vaganten;

E. die Vorsorge, dass für die Folgezeit so leicht nicht wieder neue Gauner-Familien und Banden entstehen können.

Ad A.

1. Allen Diebswirthen und wissentlichen Käufern gestohlener Waaren wird auf den Fall, dass sie einen oder mehrere Gauner entweder selbst einliefern oder der Obrigkeit die Mittel an Handen geben, ihrer habhaft zu werden, gänzlicher Nachlass aller für ihre früheren Verbindungen mit den Räubern, Dieben und sonstigen Gaunern verdienten Strafen, sowohl für sich, als die Ihrigen zugesichert.

2. Dieser Amnestie kann sich nicht nur der Hausvater, sondern auch die Hausfrau oder eines der Kinder für sich und die übrigen Familienglieder würdig machen.

NB. Diese Ausdehnung erscheint um deswillen nötig, weil meistenteils die furchtsamen Weiber und Kinder die Verbindung des Mannes und Vaters missbilligten und gerne abstellten, wenn es ohne dessen Bestrafung abgehen könnte. Oft ist es freilich auch die Frau, welche jene Verbindungen hegt; dann kann der Mann sie nach 1. abstellen.

3. Dieser Amnestie werden jedoch die Begnadigten sogleich wieder verlustig und die erlassene Strafe wird, nebst der neuverdienten über sie verhängt, sobald sie neuerdings wieder in die alten Verbindungen zurücktreten.

4. Die Strafe gegen die Diebswirthe und wissentlichen Käufer gestohlener Waren wird geschärft. Sie werden ganz den Gaunern gleich bestraft. Das heißt: wer einen ihm als solchen bekannten

Dieb beherbergte oder gestohlenes Gut von ihm kaufte, wird wie der Dieb selbst, – wer einem, ihm als Räuber bekannten, Räuber Aufenthalt gab oder ihm wissentlich geraubte Sachen abkaufte, wird wie der Räuber selbst bestraft.

5. Einzeln liegende Häuser und Hütten werden, soviel nur immerthunlich ist, abgeschafft; – und die Errichtung von Neuen nicht zugegeben.

6. Die Bewohner solcher isoliert liegenden Gebäude, welche gar oft sich der Beherbergung der Gauner, eben ihrer Lage wegen, nicht entschlagen können, werden nur dann wegen solcher Beherdergungen mit der Strafe verschont, wenn sie unmittelbar nach dem Abzuge der Gauner (insoferne es früher nicht möglich war) der nächsten Obrigkeit die Anzeige machen, und es sich verificirt, dass diese Anzeige nicht geflissentlich verspätet worden sei.

7. Wirkliche Wirthe, welche wissentlich Diebe und Gauner beherbergen, verlieren, wenn sie deshalb zur Strafe kommen, zugleich für immer die Wirthschaftsgerechtigkeit, – und selbst der zunächst nach ihnen folgende Hausbesitzer darf sie nicht wieder ausüben.

8. Wirkliche Kaufleute oder Krämer, welche wissentlich gestohlene Waren kaufen, verlieren, wenn sie zur Strafe kommen, auf immer das Recht, dieses Gewerbe zu treiben. Haben sie in eigenen Häusern offene Läden geführt, so darf auch der nach ihnen folgende nächste Hausbesitzer den Kram nicht fortführen.

9. Jeder Wirth hat alle Abend dem Ortsvorsteher die Liste der bei ihm logierenden Gäste vorzulegen, und insofern diese nicht genau bekannte, angesessene Leute sind, zugleich die Pässe derselben mit einzusenden, bei Strafe von 1o Rthlr. im ersten, von 2o Rthlr. im zweiten und von 3o Rthlr. und Verlust der Wirtschaftsgerechtigkeit im dritten Contraventionsfalle.

10. Keiner, der nicht Wirth ist, darf einen Fremden, ohne ausdrückliche, schriftliche Erlaubniß der Obrigkeit, beherbergen. Im Zuwiderhandlungsfalle wird er das erstemal um 1o Rthlr, das zweitemal um 2o Rthlr., das drittemal aber wie ein überwiesener Diebswirth bestraft.

11. Die Ortspolizei verwendet vorzügliche Sorgfalt auf die pünktlichste Nachsicht über die Befolgung dieser Vorschrift.

12. Wer einen Diebshehler oder Wirth oder wissentlichen Käufer gestohlener Ware entdeckt, empfängt, er sei wer er wolle, und selbst wenn er besoldeter Diener ist, eine Belohnung von 25 f. aus dem Vermögen des Angezeigten, und wenn dieses dazu nicht hinreichen sollte, aus Gemeindemitteln. Wenn die Anzeige so geschieht, dass zugleich auch Gauner mit ergriffen werden, so empfängt er zugleich auch die auf Beifangung der Gauner gesetzte Strafe und zwar für so viele Köpfe als (die Kinder unter 14 Jahren abgerechnet) eingefangen werden.

Ad B.

1. Es wird eine allgemeine Amnestie allen jenen Vaganten zugesichert, welche sich bloßer Diebstähle und Betrügereien schuldig gemacht haben, sobald sie sich binnen einem Jahre nach Verkündung der Amnestie, freiwillig stellen, ihrem Vaganten-Leben entsagen, und sich dazu bequemen, unter strenger polizeilicher Aufsicht in ihrem angeborenen Vaterlande, zuerst in Besserungshäusern, und dann, wenn sich hier die Reinheit ihrer Absicht und ihr Eifer, sich einem Geschäfte ernstlich zu widmen, erprobt, im Freien, in den Gemeinden, in deren Gemarkung sie geboren sind, sich der Arbeit und der ehrlichen Erwerbung des Unterhalts für sich und die Ihrigen zu unterziehen. Es werden sowohl in den Besserungshäusern als im Freien, solche Arbeiten für sie gewählt, welche keine stets sitzende Lebensweise erfordern, an welche sich der an stete Bewegung und an den Genuss der freien Luft gewöhnte Vagant so leicht nicht gewöhnen kann.

Es wird dem Vater oder der Mutter, welche sich auf solche Weise stellen, die weitere Versicherung ertheilt, dass sie, wenn sie getraut sind, weder von einander, obschon sie in verschiedenen Gemeinden und Staaten geboren sind, noch von ihren, obgleich anderswo geborenen Kindern getrennt, – und dass sie, wenn sie nicht getraut sind, auf ihr Verlangen getraut werden sollen. Es wird ihnen ferner zugesichert, dass sie, nach einem fünfjährigen, im freien betätigten, unbescholtenen Wandel, als Schutzbürger und, nach einem weitern fünfjährigen guten Betragen, als wirkliche Bürger jener Gemeinden, in welchen sie gelebt haben, rezipiert und ihnen alle Vorrechte und Vorteile aktiver Bürger zu Theil werden sollen. Die dermal schon in Zuchthäusern auf bestimmte Zeit einsitzende Gauner werden nach Umlauf dieser ihrer Strafzeit eben so behandelt, das heißt: sie kommen in das Correctionshaus und wenn dort der Versuch ihrer Besserung gelingt, so wird er im Freien fortgesetzt. Bei diesen Versuchen im Freien ist die wesentlichste und Haupterforderniß, dass der in eine bestimmte Gemeinde, zum Behuf eines solchen Versuchs, verwiesene Gauner und dessen Angehörige eine bestimmte Beschäftigung wählen müssen, welche sie, im Ortsbanne selbst, ernährt und dass sie diesen Bann, ohne ausdrückliche Erlaubnis des Ortsvorgesetzten, nicht verlassen dürfen. Der Ortsvorsteher hat diese Erlaubnis nie, außer auf vorgängige Prüfung der Angabe, zu erteilen. Er hat darin denjenigen, welcher sie erhält, genau zu bezeichnen und zu bestimmen:

  • a. wohin er gehen wolle,
  • b. welchen Weg er zu nehmen habe,
  • c. welches die Veranlassung dieser Reise sei,
  • d, wie lange der Inhaber ausbleiben dürfe.

Bei der Rückkunft muss der Inhaber diesen Schein und auf ihm die Beurkundung der Vorsteher der Orte, die er besuchte:

  • a. dass er dort gewesen,
  • b. wann er angekommen sei,
  • c. was er dort getan habe,
  • d. zu welcher Stunde er wieder abgereist sei; dem Ortsvorgesetzten seiner Heimat bringen.

Diese Scheine hat der Ortsvorsteher alle Monate, mit dem Berichte über die Aufführung des Novizen, dem Amte und dieses hat sie der Regierung alle Vierteljahr vorzulegen. Erscheint hierin ein Mangel, oder ist die Aufführung des zu Beobachtenden nicht gut, – oder sieht man, worauf besonders gesehen werden muss, bei ihm fremde Leute ein und ausgehen; so wird er sogleich wieder in das Correctionshaus zurückgebracht und hat sein Probezeit von Neuem zu beginnen.

2. Es wird jenen unter ihnen, welche zu Entdeckung der Diebswirthe, der wissentlichen Käufer gestohlener Sachen, oder der Gauner selbst mitwirken, nicht nur die auf ein und anderes gesetzte Belohnung an Geld, sondern auch der weitere Vorteil zugesichert, dass für jeden entdeckten Diebswirth ein Monath und für jeden durch ihre Anzeige zu Haften gebrachten Gauner zwei Monate an den bestimmten zehn Jahren zur wirklichen Bürgerannahme abgehen, sie somit um soviel früher zur schutzbürgerlichen respektive bürgerlichen Annahme und der damit verbundenen Vortheile gelangen können.

3. Dabei wird ihnen jedoch ausdrücklich und ernstlich bedeutet, dass jene unter ihnen, welche sich, entweder während der Probezeit, oder nach erfolgter schutzbürgerlicher oder bürgerlicher Annahm, wieder der früheren Lebensweise ergeben, oder Umgang mit Gaunern und deren Genossen pflegen, der Amnestie verlustig sein und mit der Strafe, welche ihnen außerdem gebührt hätte, zweifach, neben der Neuverdienten, belegt werden sollen.

4. Auch denjenigen Gaunern, welche sich wirklicher Straßenräubereien und gewaltsamer im Sturm verübter Einbrüche (Chaßnen) schuldig gemacht haben, wird, selbst auf den Fall, wenn bei einer

oder dem Andern ein Mensch oder mehrere Menschen getötet worden sein sollten, die Zusicherung durch öffentliche Verkündung erteilt, dass die Strafe, welche sie für diese vor Verkündung der Amnestie verübte Verbrechen verdient hätten, in eine bloße Polizeiliche, verhältnismäßige Detention verwandelt werden solle, wenn sie sich freiwillig stellen, alle ihre verübten Verbrechen, ohne einige Ausnahm freiwillig bekennen, ihre Genossen an denselben so nennen und bezeichnen, dass diese beigefangen und überwiesen werden können.

5. Es wird ihnen zugleich weiter die Zusage erteilt, dass, nach umlaufener Detentionszeit, sie nicht wieder verstoßen, sondern dass ihnen ständige Aufenthaltsorte, wo sie Arbeit und Verdienst finden, angewiesen und dass sie in demselben gegen die Verfolgung der von ihnen angezeigten etwa noch freien Gauner kräftigst geschützt werden sollen. Nie darf jedoch einer aus dieser Klasse als sogenannter Fleischmann oder Spitzbubenfänger angestellt werden.

6. Es werden in jedem Amtsbezirke oder peinlichen Gerichtssprengel einige solche Fleischmänner angestellt. Keineswegs aber solche, wie man sie bisher hatte, welche aus den sich reumütig stellenden Kochemern genommen wurden, und in der Regel immer noch mit ihren alten vertrauten Kameraden zusammenhängen. Sie dürfen weder eine ausgezeichnete Kleidung, noch öffentliche Waffen, weder im Geiste alter Soldaten Schnurrbärte oder wilde Backenbärte tragen, um durch dieses äußere Zeichen der Wildheit zu imponieren, noch sonst irgend etwas tun, was ihre Anstellung, ihre Bestimmung verraten könnte. Man wähle dazu angesessene, als rechtliche Männer erprobte Untertanen, welche entweder wegen ihres Gewerbes (wie z. B. Schornsteinfeger) öfters in den Amtsorten umher kommen, oder welche sich, ohne dass es auffallend wird, ein solches Gewerbe, zum Scheine zulegen können; – sie dürfen aber nur dem Beamten allein bekannt sein, nur diesem selbst mündlich ihre Rapporte machen, nur aus dessen eigner Hand ihre fixe Besoldung und die ihnen gebührende Fanggelder erhalten.

Wenn mit Vorsicht gewählt wird, so werden diese Männer leicht in jedem Falle selbst die Mittel finden, ihre Rapporte, auch in eilenden Fällen, unbemerkt zu machen; sollte aber je einmal dieses sich nicht gerade so schnell tun lassen und dadurch ein Gauner entkommen; so ist es immer besser, der Eine entkomme, als dass der Fleischmann entdeckt und dadurch die Möglichkeit, sich seiner ferner zu bedienen, vereitelt werde. – Man wird vielleicht eine Anstalt der Art nicht dem Beamten allein überlassen wollen, weil es doch immer möglich wäre (denn es soll ja, wie wir wissen, auch kocheme Amtleute geben) dass die Beamten keine Fleischmänner anordneten, um die fixe Besoldung derselben für sich zu behalten, oder dass sie auf die Anzeigen der Fleischmänner nicht achteten. Man verordne auf diesen Fall weiter: dass alle angestellte Fleischmänner dem Präsidenten des peinlichen Gerichts, aber auch wieder nur diesem allein, von den Beamten benennt und angewiesen werden müssen, alljährlich ein Verzeichnis ihrer gemachten Meldungen dem Präsidenten zu übergeben.

7. Ich bedarf wohl nicht erst anzuführen, dass nebenbei alle andere bisher übliche Polizei- und Criminal-Anstalten fortgesetzt werden müssen. Unter diese Anstalten gehört vorzüglich auch die Anstellung und Beibehaltung besonderer Landdragoner, Landreiter, oder wie man sie sonst nennen mag. Nach meinen Ideen dürfen aber diese Menschen keine sogenannte Haschiere oder auf ihre ganze Lebenszeit, für einen gewissen Amtsbezirk, angestellte Diener sein; denn diese werden nach und nach mit den Leuten zu bekannt und entweder ihres Nutzens wegen, oder aus Gutmütigkeit und Gefälligkeit nachsichtig, – und wenn hie und da auch einer dieses nicht werden sollte, so wird er doch alt und kann oder will sich den Beschwerlichkeiten seines Amtes nicht mehr aussetzen. Noch weit weniger sollte aber diesen für die Handhabung der öffentlichen Sicherheitspolizeiangestellten Menschen noch ein Nebengeschäft, wie z. B. die Aufsicht auf Zoll u. dgl. zugeteilt werden. Sie verwechseln leicht das eine mit dem andern, finden leicht durch das eine Entschuldigung für Nachlässigkeiten im andern, und werden, da sie bald diesem bald jenem Vorgesetzten verantwortlich und untergeben sind, leider, nur allzu bald die Wahrheit der alten weisen Lehre fühlen: Niemand kann zweien Herren dienen. Überdies ist es nun einmal so weit gekommen und wird schwerlich anders werden, dass die Zollgarden, Accis- oder Licent-Aufseher, Douaniers, oder wie sie sonst heißen, von dem Publikum im Allgemeinen gehasst werden, – dieser Hass wird, obschon er nur durch das Geschäft der Zollvisitationen erzeugt ist, dennoch auf alle übrige Funktionen dieser Leute übertragen, und erzeugt für ihre Verrichtungen im Sicherheitspolizeifache die nachtheiligsten Folgen. Wir sehen ja in dem großen Nachbarstaate, welchem wir schon so vieles nachahmten, die vortrefflichen von einander getrennten Anstalten der Gendarmerie und der Douaniers. Warum sollte man diesem Beispiel nicht gern folgen? Nur eine Gendarmerie, gänzlich militärisch eingerichtet und doch dem Polizeidienste ausschließlich geweiht, welche aus den gebildetsten, gewandsten, im Lesen und Schreiben erfahrensten Milizpflichtigen gebildet, von 8 zu 8 oder von 10 zu 10 Jahren jene entlässt, welche ihre Zeit ausgedient haben, mithin alle Jahr neuen Zuwachs, welcher durch die bleibenden ältern Mitglieder in kurzem ausgebildet wird, erhält und so nie veraltet, stets in der tätigsten Jugendkraft bleibt, kann dem vorgesetzten Endzwecke entsprechen; besonders wenn zugleich darauf gesehen wird, dass die Compagnien oder einzelnen Commandos nie zu lange an einem Orte bleiben, sondern nach kurzen Zwischenräumen stets verwechselt und so die Möglichkeit: allzu bekannt zu werden, ihnen erschwert wird. Auch kann nur durch ein solches Corps, dessen Commandanten und Offiziere den Criminal- und Polizei-Behördern Bemerkung. den nicht wie die Haschiere, Landreiter c. subordiniert, sondern koordiniert sind, eine Controlle jener Behörden selbst erhalten werden. Dass dieser Gendarmerie alle eigenmächtige Behandlung der Vaganten, Misshandlungen derselben, Hinwegnahme ihres Gerätes u. dgl. auf das schärfste untersagt werden müsse, bedarf wohl keiner besonderen Bemerkung.

Hölzerlips und Manne Friederich haben sich über dergleichen erlittene Misshandlungen, wobei sie mehrere hundert Prügel bekamen und all ihrer Habseligkeiten beraubt wurden, ohne dass bei irgendeinem Amte, darüber eine Anzeige gemacht wurde, oft und bitter beklagt, und dieselbe als die dringendsten Impulse zu neuen Diebereien bezeichnet.

Unter diese Anstalt gehört ferner auch noch das gänzliche Abtreiben oder völlige Lichten der auf die Landstraßen stoßenden, besonders jungen dichten Waldungen, weil diese den Räubern vorzüglich die Punkte darbieten, welche ihnen zu Ausführung des Raubs unentbehrlich sind. Nämlich Punkte, wo sie sich gänzlich verbergen oder als ausruhende Wanderer minder verdächtig aufhalten, wo sie sich leicht Prügel verschaffen und diese verstecken, – von wo aus sie den plötzlichen Überfalle bewirken und von wo aus sie leicht mit dem Raube sich entfernen können. Es werden zwar gar manche Räubereien auch auf Landstraßen verübt, an welche unmittelbar kein Wald grenzt; immer aber wird man finden, dass auch selbst diese nur an solchen Stellen der Straße verübt werden, wo Umzäunungen der aufstoßenden Weinberge, Felder c. Garten- Schützen – oder sogenannte Heiligen-Häuschen, Gräben oder Höhlen, aufstoßende Hohl- oder sonstige Nebenwege, oder wenigstens Krümmungen der Hauptstraße selbst dem Räuber die gewünschten Punkte darbieten.

8. Für jeden eingelieferten Vaganten, welchem sonst kein Verbrechen zur Last liegt, wird 15 fl., für jeden; der als Dieb oder Betrüger schon angezeigt ist, oder überwiesen wird, 25 Rthlr., für jeden der als gefährlicher Dieb angezeigt ist oder überwiesen wird 5of. und für jeden Räuber 5o Rthlr., für den Anführer einer Bande und für einen Mörder werden aber 1oo s. Fanggebühr jedem, auch den besoldeten Dienern bezahlt. – Man finde ja diese Fanggebühren nicht zu hoch; – wenn sie reizen und Nutzen bringen sollen, müssen sie hoch sein. Sie werden aus den Jurisdictionsgefällen bezahlt. Wenn auch im Anfange die Summe dieser Fanggebühren hoch erscheinen sollte; so mindert sie sich desto sicherer und gewisser, und sie wird sicherlich nie die Summe jener Kosten erreichen, welche ohne diese Maßregeln, bei der fortwährenden Vermehrung der Gauner durch die öftern vergeblichen Prozeduren gegen sie, in Verlauf einer mäßigen Reihe von Jahren entstehen müssen.

Ad C.

1. Alle Vaganten und Gauner werden durch öffentliche Patente für rechtlos erklärt. Jeder darf sie verfolgen, um sie zu arretiren und, wenn sie sich widersetzen, Feuer auf sie geben. Wer sie

beherbergt oder Verkehr mit ihnen hat, ist der obengedachten Strafe unterworfen.

* 2. Jeder Gauner wird wegen verübten Betrügereien, Markt oder andern bei Tag, ohne Gewalt, einzeln, verübten Diebstählen, ohne alle Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Entwendeten und auf

die Zahl der Diebstähle, zum mindesten mit 5jähriger: – sind sie aber in Gesellschaft von zwei oder Mehreren verübt, zum mindesten mit 1ojähriger Zuchthausstrafe belegt. Träfe ihn wegen der Menge seiner verübten Diebstähle oder des hohen Wertes derselben, schon nach den allgemeinen milderen Gesetzen, eine diesem Minimo gleich kommende oder es übersteigende Strafe, so werden dieser noch zwei Jahre beigesetzt.*

3. Jeder von einem Gauner allein zur Nachtzeit mit Einsteigen oder Einbruch verübter Diebstahl wird zum mindesten mit 10jähriger Zuchthausstrafe geahndet. Auf den Fall dass dieser mindeste Strafgrad dem Inquisiten selbst nach den milderen Gesetzen, oder eine noch längere Strafzeit zugewiesen werden müsste, werden noch 5 weitere Strafjahre beigesetzt.

4. Jeder von Gaunern in Gesellschaft zur No. mit Einsteigen oder Einbruch, mit oder ohne Waffen, verübte Diebstahl wird mit lebenslänglichem Zuchthause bestraft.

5. Jeden Gauner, welcher allein einen Straßenraub, ohne tödliche Folgen für den Beraubten, begeht, trifft ohne Rücksicht auf die Summe des Geraubten, und die Grade der Gefährlichkeit des Angriffs, lebenslängliche Zuchthausstrafe. Ich würde der lebenslänglichen Zuchthausstrafe die lebenslängliche Verbannung in die Sibirischen Bergwerke oder in eine unkultivierte Gegend irgend eines andern Weltteils, – oder lebenslängliche Galeerenstrafe substituiert haben, wenn diese Strafgattungen nicht Verbindungen und Anstalten erforderten, welche nicht so leicht einzugehen und zu treffen, auch nicht zu allen Zeiten ausführbar sind, und wenn ich nicht von den Gaunern selbst wüsste, dass sie diese Strafgattungen leichter finden, als die lebenslänglichen Arbeiten in den Zuchthaus-Zimmern.

6. Jeden Gauner, welcher in Gesellschaft Räubereien, oder gewaltsame Einbrüche mit Sturm verübte, trifft ohne alle Rücksicht auf die Summe des geraubten, auf seine Verrichtung bei der Tat: ob er nämlich selbst misshandelte, oder bloß die Sachen hinwegnahm, oder Schildwache stand u. s. w. und ohne alle Rücksicht auf die größere oder mindere Gefährlichkeit der Misshandlung, die Todesstrafe mit dem Schwert.

7. Wird durch die Untersuchung derjenige, welcher wirklich einen oder mehrere der Beraubten, oder zu Hülfe, oder Nacheilenden tötete, bestimmt entdeckt; so trifft ihn die Strafe des Rades.

8. Den Baldowerer trifft, wenn er auch nicht Gauner ist, jedes Mal gleiche Strafe mit der Bande, welche den von ihm gebaldowerten Diebstahl oder Raub verübte, ohne Rücksicht: ob er dafür belohnt worden sei oder Theil am Entwendeten erhalten habe, oder nicht.

9. Diese geschärfte Strafgattungen werden zugleich mit der Rechtloserklärung durch Patente verkündet. Man erbebe nicht über ihre Härte; – man beschuldige mich keiner Gefühllosigkeit, keiner Grausamkeit. Mein Herz, mein Gefühl sträubt sich dagegen ; – mein Verstand , meine Erfahrung aber findet nur hierin Heil. Es giebt Krankheiten, in welchen nur drastische Mittel helfen; – der Arzt, welcher die Krankheit als solche erkennt, aus Zaghaftigkeit aber jene verschmäht und nach Palliativen greift, wird nie die Krankheit haben, wohl aber die Patienten nach längerem oder kürzerem Siechthume ihr unterliegen machen.

Man bemerke wohl, dass ich diese geschärften Strafen nicht allgemein, sondern nur für die bezeichnete eigne Menschengattung vorschlage; – und man wird mich der Härte um so weniger beschuldigen, wenn man zugleich einen Blick auf das neueste, nun auch in dem Großherzogthume Frankfurt, freilich nicht ganz im Einklange mit den früheren Ideen seines erhabenen Souverains über Strafgesetzgebung, eingeführte französische Criminalgesetzbuch wirft, nach welchem z. B. der Hehler durchaus eben so wie der Täter, der Dieb wie der Räuber bestraft wird.

10. Es werden entweder für mehrere vereinte Staaten gemeinschaftliche, oder für jeden Staat besondere, oder in größeren Staaten mehrere Gerichtshöfe angeordnet, welche sich ausschließlich mit der Criminal- und Polizei-Prozedur gegen die Gauner zu beschäftigen haben.

11. Alle diese Gerichtshöfe erhalten sich in fortwährender ununterbrochener Korrespondenz unter einander. Alle bei ihnen vorgehende Arretierungen, alle zur Anzeige kommende Vergehen, alle Benennungen und Bezeichnungen von Mitschuldigen, Diebswirthen, Käufern gestohlner Waaren, Baldowerern, alle Entweichungen der Verhafteten und überhaupt alle und jede Notizen, welche nicht ganz bestimmt nur den Gerichtshof, bei welchem die Sache verhandelt wird, interessieren können, werden allen andern Gerichtshöfen auf – das schleunigste, gedruckt, in hinlänglicher Anzahl mitgetheilt. Diese Mittheilungen werden als Criminalia auf der Adresse bezeichnet und sind postfrei.

12. Diesen Gerichtshöfen (deren Glieder vom Ersten bis zum Letzten so zu besolden sind, dass sie bei ihrem lästigen Geschäfte, sorgenfrei und mit Anstand leben können) ist ein Präsident vorgesetzt, welcher die Hauptcorrespondenz in allen Sachen und 1. allen Behörden führt, die polizeilichen Vorkehrungen leitet und deswegen sein eignes Bureau hat. Er verteilt die einzelnen Untersuchungen unter die Richter, deren jedem ein besonderer Actuar (welcher, wenn er nicht beim Protokollieren beschäftigt ist, auf dem Bureau arbeitet) zugegeben ist. Nach Erfordernis der Umstände kann der Präsident die Richter auch kommittieren, sich an die Orte selbst zu begeben, an welchen Verbrechen verübt wurden, oder in welchen Kundschaften zu erheben oder sonstige Vorkehrungen zu treffen sind. In andern Fällen kann dieses von Local-Beamten, welche in allen zum Ressort dieser Gerichtshöfe gehörenden Sachen diesen untergeben sind, aufgetragen werden.

Das Bureau muss so stark besetzt sein, dass die Korrespondenz möglichst schnell und in der Regel mit umgehender Post geführt, und jede nötig erachtete oder verlangt werdende Communication ohne allen Verzug bewirkt werden kann. Die Kosten, welche auf einen oder einige Kanzlisten mehr verwendet werden, ersetzen sich zehn- und mehrfach durch das, was durch die hierdurch herbeigeführte schnellere Beendigung der Untersuchung an Atzungskosten erspart wird. Wenn auch einmal der Kanzlist einen halben oder ganzen Tag ohne Arbeit sein sollte; so ist dieses besser, als wenn, wie das an manchen Orten der Fall ist, der Richter aussetzen muss, weil es an Subjekten zum expedieren gebricht.

13. Diese Gerichtshöfe haben das Recht, gegen Gauner, welche ihre wahren oder Gauner-Namen ableugnen, ihre notwendig gehabte und ihnen bekannt sein müssende Mitschuldige nicht nennen wollen, oder alle Antwort verweigern, außerordentliche Erforschungsmittel der Wahrheit zu verordnen; – wozu der einzelne Richter für sich allein nicht schreiten darf. .

14. Diese Gerichtshöfe versammeln sich, sobald eine einzelne Untersuchung geschlossen und von einem andern Richter der sie nicht geführt hat und von dem Präsidenten, welcher jenen zu ernennen hat, das Protokoll gelesen ist, in pleno; der Untersuchungsrichter trägt die Sache in Mitanwesenheit des, wenn der Fall zur Todesstrafe geeignet scheint, zu ernennenden Verteidigers mündlich vor.

Der Präsident und derjenige Richter, welcher nebst ihm die Akten gelesen hat, kontrolliert den Vortrag in facto. Der Verteidiger bringt gegen den Antrag seine Monita vor, – oder stimmt, was ihm, wenn es seiner rechtlichen Überzeugung konform ist, freisteht, (denn es ist Unsinn, jemanden zwingen wollen etwas zu verteidigen, was nach seiner Überzeugung nicht verteidigt werden kann) dem Antrage bei. Das Urteil wird, wenn es nicht auf Todesstrafe geht, sogleich vollzogen; – wenn es aber auf Todesstrafe geht, dem Souverän mit den Akten unter kurzer Bemerkung der Entscheidungsgründe und der etwaigen Moniten des Verteidigers zur Bestätigung oder Milderung vorgelegt. “” – – Diese Sitzungen könnten auch öffentlich gehalten werden. Es versteht sich hiebei wohl von selbst, dass vordersamst für geräumige, schicklich dekorierte Audienzsäle; – überhaupt aber für in hinlänglicher Anzahl vorhandene, geräumige, helle, gesunde, schicklich möblirte  Verhörzimmer, bei welchen die Vorrichtungen zu Bewirkung von Recognitionen nicht fehlen dürfen, gesorgt sein müsse; – damit nicht der Inquisit schon beim Eintritt in die enge, rusige, feuchte, mit allerlei Gerümpel verstellte Verhörstube allen Respekt vor dem Gerichte selbst verliere, und damit der Richter mit Lust darin verweile und nicht aus Besorgnis für sein eignes Wohl sich beeile, so bald nur möglich aus solchen pestilenzialischen Winkeln zu kommen.

15. Alle Urteile dieser Gerichtshöfe werden nebst einer kurzen, Geschichte der Vergehen und der Prozedur, nöthigen Falls auch mit den Signalements der noch flüchtigen Mitschuldigen durch den Druck, verkündet und in Patentform in allen Gemeinden angeschlagen, auch allen andern Gerichtshöfen mitgetheilt.

16. Diesen Gerichtshöfen können, wenn sich, was nach einigen Jahren wohl geschehen dürfte, ihre Arbeit in diesem Fache mindert, alle übrigen Criminalia von Bedeutung zur Untersuchung und Alle zur Aburteilung, nach den sonst üblichen Gesetzen und Formen, zugeteilt werden.

17. Diese Gerichtshöfe verhängen nicht allein die peinlichen Strafen gegen die Gauner; sondern sie ordnen auch die erforderlichen Polizei-Vorkehrungen gegen die sich freiwillig Stellenden und ihre Genossen, so wie gegen die nach ausgehaltener Strafe entlassen werdenden an.

18. Wenn Mitglieder einer und derselben Bande, bei verschiedenen Gerichtshöfen zu Haften kommen, so bleibt derjenige Gerichtshof, bei welchem zuerst ein bei ihm verhaftetes Glied der Bande zum Geständnisse schritt, der einzige kompetente Untersuchungs- und Urteils – Richter für die ganze Bande; – an ihn müssen daher alle bei andern Gerichtshöfen schon verhaftete oder vor Aburteilung der Sache noch zu Haften kommende Glieder der Bande abgeliefert werden. Sollte der seltene Fall eintreten, dass zwei oder mehrere Glieder derselben Bande bei verschiedenen Gerichtshöfen zu gleicher Zeit zum Geständnisse schritten, so ist jener der Kompetente, bei welchem die meisten Glieder der Bande einsitzen; sollte auch diese Zahl bei den verschiedenen Gerichtshöfen gleich sein, so hat jener die Kompetenz, bei welchem zuerst ein Mitglied der Bande zu Haften kam; sollte aber, was kaum geschehen wird, auch hierin Gleichzeitigkeit Statt gehabt haben, so wird entweder unter den Gerichtshöfen selbst, oder durch die höheren Staatsbehörden zu concertiren sein, welchem Gerichtshofe, der Lokal- oder sonstigen faktischen Verhältnisse wegen, die Kompetenz gebühre.

19. Ganz dasselbe tritt ein, wenn auch nicht von einer Bande, sondern nur von einem einzelnen Verbrechen die Frage ist, zu welchem mehrere Gauner, von verschiedenen Banden, welche sich nur momentan hierzu verbunden hatten, die Rede ist. *

20. Wenn nach der Verurteilung einer Bande noch Mitglieder derselben bei andern Gerichtshöfen zu Haften kommen, so werden auch diese noch, in dem Fall an den geurteilt habenden Gerichtshof abgeliefert, wenn bei demselben oder in dessen Bezirk noch Glieder der Bande verhaftet sind, welche zu Überführung der später Eingefangenen gebraucht werden können.

21. Wenn Gauner zu Haften kommen, welche zu verschiedenen Banden gehören, so gehören sie zwar, der Bestrafung wegen, jenem Gerichtshofe, bei welchem die Untersuchung gegen die eine oder die andere Bande zuerst begann; – sie werden aber, wenn es Nottun sollte, zum Behuf der  Untersuchung an jene Gerichtshöfe abgegeben, bei welchen die Inquisitionen gegen die andern Banden geführt werden, kommen aber demnächst mit den sie betreffenden Untersuchungsakten dieser Gerichtshöfe an jenen Ersten zurück, welcher beim Urteilen auf diese Akten Rücksicht nehmen muss.

Da Fälle der Art, wie sie Nr. 18, 19, 2o u. 21 bemerkt sind, schon durch sich selbst einen Wechsel und in kürzerer oder längerer Zeit eine Art Gleichstellung unter den Gerichtshöfen hervorbringen werden, so bedarf es einer Übereinkunft wegen den Kostenvergütungen nicht. Ich wünschte überhaupt nicht, dass je hievon die Rede sein, oder eine Übereinkunft deshalb getroffen werden möchte, weil dieses sonst leicht zu Differenzen Anlass geben könnte, welche schädlich auf das Ganze wirkten. Weder für Taren und Sporteln, noch für Transport, Wache und Unterhalt der Gefangenen leistet ein Gerichtshof, ein Staat dem andern Vergütung.

  1. Alle sich selbst stellende und alle eingefangen werdende Vaganten und Gauner, welche keines bestimmten Verbrechens überwiesen sind, werden, wenn bestimmt eruirt ist, wo sie geboren, oder wenn dieses nicht ist, wo sie getraut sind, in jenen der verbündeten Staaten gebracht, in welchem sie geboren oder getraut sind. Dieser übernimmt dann nach obigen Bestimmungen die Sorge für ihre Unterbringung.
  2. Mit dem Manne muss die Frau oder Konkubine und alle, selbst zugebrachte, Kinder, – mit der Frau müssen alle Kinder übernommen werden.
  3. Ist der Mann schon früher eingezogen und abgeliefert, so werden ihm Frau oder Konkubine und Kinder nachgesendet.
  4. Kommt er erst später zu Haften, so bleiben jene, wo sie schon sind; wenn nicht besondere Verhältnisse der Untersuchung es anders erheischen.
  5. Ist der Mann tot oder noch nicht verhaftet, die Mutter aber ist schon verhaftet, so kommen die Kinder dahin, wo die Mutter ist.
  6. Wird die Mutter später verhaftet, so bleiben die Kinder, wo sie sind; – auch selbst dann, wenn später noch der Vater allein oder beide Eltern verhaftet würden.
  7. Jene Gauner, welche die ihnen wegen Verbrechen zuerkannte Strafe erstanden haben, werden in jene Staaten geliefert, in welchen sie geboren oder getraut sind, und dort wird die geeignete Unterbringung derselben besorgt.
  8. Gauner und Vaganten, welche in keinem der verbundenen Staaten geboren oder getraut sind, werden nur dann in den auswärtigen Staat, aber nicht bloß über dessen Grenze oder an die geeignete Grenzobrigkeit abgeliefert, wenn mit voller Gewissheit richtig gestellt ist, dass sie wirklich in diesem Staate geboren oder getraut sind und von jenem Staate aufgenommen und nicht wieder zurückgeschoben werden; – andernfalls bleiben sie der Obsorge jenes Staates, in welchem sie eingefangen wurden, überlassen.
  9. Die Kinder jener Gauner und Vaganten, welche sich nicht selbst stellten, werden sogleich von diesen getrennt und so lange sie das 16te Jahr nicht überschritten haben, von dem Staate, welchem sie nach obiger Bestimmung zufallen, in Besonderen Erziehungshäusern oder durch Hingebung an rechtschaffene Privatleute zweckmäßig erzogen. Alle Knaben müssen ein Handwerk erlernen, alle Mädchen zu Feld- und Hausarbeiten angehalten werden. Sie erhalten bei ihrer Entlassung zur Wanderschaft oder in einen Dienst, nebst den erforderlichen Pässen, ihren Heimatschein für jene Gemeinde, in welcher die Knaben das Handwerk erlernt, die Mädchen zuerst gedient haben. Alle Knaben sind der Conscription unterworfen, aber erst dann ziehbar, wenn sie das Handwerk gelernt und ein Jahr lang als Gesellen gearbeitet haben.
  10. Die über 16 Jahre alten Kinder der Vaganten werden wie selbstständige Vaganten behandelt. s. Ad E. Alle Kirchweihen in allen verbundenen Staaten werden auf einen und denselben Tag verlegt, und allenfalls in ein allgemeines Ernte- und Dankfest verwandelt. – *

Dass hiedurch, neben dem Zweck, welchen ich hier vor Augen habe, noch gar mancher Andere mit erreicht, dass vielen Verschwendungen, gar mancher häuslichen Fehde, manchem Familien – Zwiste, der Völlerei, Spielsucht, den meisten Schlägereien, gefährlichen Verwundungen und Totschlägen, der Unkeuschheit c. c. vorgebeugt werde, wird man ohne weitläufige Deduktion leicht einsehen.

2. Alle Krämermärkte in den Dörfern und kleinen Städten werden und bleiben für immer abgeschafft. Dass wir bei dem dermaligen Stand des Handels diese Märkte nicht mehr bedürfen, wird man gern glauben. Sie sind das Rendezvous, das Aushängeschild der Gauner und Vaganten.

3. Es wird kein hausierender Kleinkrämer in das Land eingelassen oder in demselben geduldet, welcher nicht förmliche, zugleich seine wirkliche Ansässigkeit bezeugende, nicht Amts- sondern Staatspässe seines Heimaths-Staates besitzt; deren Gültigkeitsdauer noch nicht umlaufen ist.

4. Eben so wird keinem innerlands geborenen Kleinkrämer das Hausieren im Lande oder außerhalb desselben gestattet, wenn er nicht wirklich im Lande ansässig ist.

5. Herumziehende Zinngießer, Kesselflicker, Korbmacher, Siebflechter, Schachtel- und Kammschneider, Scheerenschleifer, Sägenfeiler, Hörnerbieger, Bürstenbinder, Buchbinder, KnopfformenDreher, Stöckschneider, Blaßrohr- und Zundermacher, Liederhändler und alle andere dergleichen Menschen werden durchaus nicht im Lande geduldet, sondern wie Vagabonden behandelt.

6. Eben so die Betteljuden, Bärenführer, Kameeltreiber, Gaukler und Taschenspieler, Lotteriespieler, Orgelmänner, Musikanten, Fleckkugelnhändler, Guckkasten-Männer und andere ähnliche Leute. – *

7. Jeder Landeseingeborne, welcher öfters auf längere Zeit auch in bekannten angegebenen Verrichtungen im Lande selbst, oder außerhalb desselben umherzieht, muss sogleich bei seiner Rückkunft seinem Amte, durch eingesammelte obrigkeitliche Atteste, nachweisen, welchen Orten und in welchen Geschäften er sich dort aufgehalten und dass er sich tadellos betragen habe; – wer dieses unterlässt, wird das erste mal um 10 Rthlr. gestraft und auf seine Kosten die Verifikation seiner Angaben erhoben, das zweite mal geschieht dasselbe und er wird um 2o Rthlr. bestraft; werden seine Angaben falsch befunden oder er unterläßt die Anzeige zum drittenmale, so wird er als Vagabund behandelt.

8. Die gegen die Gauner und Vaganten getroffenen Maaßregeln und erlassenen Strafgesetze werden wenigstens alle Jahr Einmal in jederGemeinde auf dem Rathhause und in den Kirchen verkündet. Auch werden die Kinder in den Schulen damit bekannt gemacht. . Es bedarf wohl keiner besondern Erwähnung, dass ich hiebei das Fortbestehen und Emporheben der, nach meiner Voraussetzung,

in jedem Staate schon vorhandenen und möglichst zu erweiternden Unterstützungsanstalten für Arme und Arbeitslose supponire. Auch hierüber in das Detail einzugehen, würde mich zu weit führen, auch kann ich es um so füglicher und beruhigter übergehen, da bereits so vieles Vortreffliche hierüber schon gesagt, auch gar Manches zum Theil schon ausgeführt ist. Nur einen Wunsch erlaube ich mir hier noch: dass nämlich die in der ehevorigen Pfalz und vielleicht auch anderwärts eingeführt gewesene und vielleicht hie und da noch bestehende Verordnung, wornach jeder Ortseingeborne, wenn er wirklicher Bürger werden wollte, ein wirkliches Vermögen von 300 fl. nachweisen musste, eingeführt, respektive beibehalten werde. Diese Verordnung spornte die Eltern an, für ihre Kinder etwas zurückzulegen, welches sie ohne dieselbe vielleicht vergeudet haben würden, diese Ersparniß sicherte ihnen ihre Subsistenz im Alter und den Kindern eine Unterstützung für den Anfang ihrer Haushaltung, schützte beide gegen Mangel und dessen Folgen. Jeder habe sein angeborenes Schutzbürger- oder Hintersassen – Recht in der Gemeinde, in welcher er geboren wurde, er werde aber nur dann wirklicher Bürger und nehme als solcher Theil am Allmend- oder Gabholzgenuß, wenn er 300 fl. besitzt. Dies wird jeden Schutzbürger aneifern, im Anfange sparsam zu hausen, um dieses Vermögen zu gewinnen. Hat er sich einmal an Sparsamkeit gewöhnt, so wird erleichter dabei bleiben.

Dieses sind nach meinen Einsichten, nach meiner innigsten Überzeugung, die einzigen Mittel, welche angewendet werden können, – die Einzigen, von welchen eine radikale Kur gehofft werden kann. Ich bescheide mich selbst, dass vielleicht noch Manches mehr, noch Manches anders geschehen kann, – ich weiß, dass gar Manches noch einer weitern Ausführung empfänglich ist, oder ihrer bedarf; – ich wollte aber auch hier keinen förmlich, in allen seinen Teilen, Abstufungen und Verbindungen ausgearbeiteten Plan liefern; ich wollte nur die Hauptidee zum Ganzen fixieren und leichte Konturen ziehen. Wenn es zur Ausführung kommen soll, so werden sich leicht Männer finden, welche mit mehr Einsicht, mit größerer Umsicht, diesen Plan weiter kultivieren. – An der Nützlichkeit, an der dringenden Notwendigkeit seiner schleunigen Ausführung wird kaum noch jemand zweifeln. Sollte aber auch irgendwo, von Einzelnen, diese Notwendigkeit beanstandet werden, so bitte ich diese recht dringend, auch nur einen flüchtigen Blick auf folgende nur partielle Übersicht der seit noch nicht langen Jahren erschienenen Gaunerlisten und sonstigen Notizen zu werfen.