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Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwald; Enthaltend vorzüglich auch die Geschichte der Beraubung und Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf der Bergstraße; nebst einer Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache

Schon im Spätjahre 1810, noch mehr aber während des daraufgefolgten Winters, hatten sich auf dem oberen Theile der ihrer paradiesischen Lage wegen so hochgepriesenen und so vielbereisten Bergstraße mancherlei Spuren von Unsicherheit gezeigt, welche endlich sogar in wirkliche wiederholte Angriffe des Postwagens und verschiedener Reisenden übergegangen waren. Die Regierungen in den Großherzogtümern Hessen und Baden, hatten früher schon alles getan, was zu Erhaltung der Sicherheit ihrer Landeseinwohner und einer so bedeutenden Kommerzialstraße nötig ist; und verdoppelten, durch vorgedachte Vorfälle veranlaßt ihre Aufmerksamkeit, ihren Eifer und ihre geschärfteren polizeilichen Maßregeln. Dessen ungeachtet spukten nach kurzer Ruhe, welche nur dazu diente, den Eifer der Streifer zu vermindern, und die Wachsamkeit der verdoppelten Patrouillen einzuschläfern, auf der Bergstraße, von Zeit zu Zeit jene nächtlichen Unholde wieder, deren Schlupfwinkel man vergebens zu entdecken gesucht hatte. Man mußte daher endlich, da man alle so mühsame Vorkehre vereitelt, alle Anstrengung der Regierungen und der Unterthanen verhöhnt sahe, auf die Idee kommen: es seyen keine fremde, nur momentan sich zeigende und dann wieder in entfernte Gegenden sich zurückziehende Räuberhorden, welche das Unheil verübten, sondern: eigene Landesunterthanen, Bewohner der nächsten Orte an oder auf der Bergstraße, seyen dessen Urheber, und könnten es umso leichter sein und bleiben, weil sie, von allen polizeilichen Vorkehrungen, Streifungen, Patrouillen u. d. gl. Wissenschaft erhielten, und hiernach ihre eigenen Maaßregeln zum Unentdecktbleiben, am leichtesten treffen könnten. Auch diese Öffentliche Meinung blieb, von Seiten der Regierungen, nicht ohne polizeiliche Rücksicht. Hatten zwar die desfallsige besonderen Verfügungen keinen besonderen Erfolg: so fielen doch wenigstens keine weiten Angriffe vor, daher die Spuren der Unsicherheit der Bergstraße verschwanden, und man sich schmeichelte, das wahre Mittel gefunden zu haben. Bei eingetretenem Frühjahr, und minderlangen Nächten, war es bereits so weit gediehen, daß man, wie das im menschlichen Leben so oft zu geschehen pflegt, die Vorfälle des Winters vergessen hatte und an wieder eingetretene volle Sicherheit glaubte, als die Polizei, durch den Vorfall, welcher den Stoff zu dieser Schrift gab, fürchterlich aufgeschreckt und die Einwohnerschaft der ganzen Gegend sowohl, als das ganze
kommerzirende Publikum, neuerdings in die höchste Unsicherheit und in die größte Bangigkeit versetzt wurde.

In der Nacht vom letzten April auf den ersten May 1811, Morgens gegen 2 Uhr, machte ein junger Pursch, welcher eine Estaffette von Weinheim nach Heppenheim hatte befördern sollen, dem Schultheißen zu Hemsbach (auf dem Wege von Weinheim nach Heppenheim) die Anzeige, er habe, als er von Hemsbach gegen das nahe Laudenbach zugekommen sey, eine männliche Stimme rufen hören: „Ach Gott! Ach Gott!“ und „Ach! Wehe!“. Er habe geglaubt, es hätten Reisende das Unglück gehabt, mit der Chaise umgeworfen zu werden, und sey auf den Rufenden zu geeilt. Bald aber habe er ein neues Lamentiren derselben Stimme und den Ausruf gehöret: „Ach! laßt mir nur mein Leben, ich will euch ja alles geben, was ich habe.“ während dem andere Stimmen gerufen hätten: „Gebe dein Geld her – oder ich schieße!“ Schlagt ihn
todt!- “Visitire ihn aus!“ u. d. gl. Zugleich habe er ein fürchterliches Gepolter fallender Schläge vernommen.
Dieses habe ihn mit solcher Angst erfüllt, daß er seine Reise nicht habe fortsetzen können. Er sey also zurückgekehrt, um diese Anzeige zu machen. Der Schultheiß traf sogleich alle in solchen Fällen zweckmäßigen Anstalten; bis aber die zum Streifen aufgebotene Mannschaft nur vor den Ort Hemsbach gelangte, kam ihr schon ein Postillon mit leerer Chaise entgegen, welcher erzählte, daß die Reisenden, welche er gefahren habe, von Räubern überfallen und so wie er selbst, gemißhandelt worden seyen. Er wußte nicht, wo die Reisenden geblieben waren, ob sie noch lebten oder todt seyen. Die Streifmannschaft setzte ihren Weg fort, – stieß aber nicht weit hinter der Chaise, auf die beiden gemißhandelten Reisenden, welche einander führend, langsamen Schrittes die Chaussee her, gegen Hemsbach zu, kamen. Sie wurden nach Hemsbach in das Wirtshaus gebracht, dort verbunden und dem Amte Weinheim, zu dessen Bezirk Hemsbach gehört, die Anzeige gemacht.
Das Amt Weinheim traf, nach seiner gewohnten Thätigkeit, sogleich alle angemessen scheinende Anstalten zur Verfolgung und Einfangung der Räuber, und eilte dann mit dem Physikate unverzüglich zu den Verwundeten.

Es fand sich, daß diese zwei von der Frankfurter Ostermesse zurückkehrende Schweizer Kaufleute:
Herr Jacob Rieder, aus Winterthur, 45 Jahre alt, verheirathet, Vater von sechs Kindern, und
Herr Rudolph Hanhart, aus Zürch, 52 Jahre alt, verheirathet, waren.

Der erste, Herr Rieder, hatte zehn, meistens sehr bedeutende Kopfwunden, wovon die eine die Nasenbeine aus ihrer Verbindung unter sich und mit dem Kienbeine gebracht hatte, überdieß aber auch noch andere, minder bedeutende Verletzungen an sich. Der zweite, Herr Hanhart, war mit einer leichten Contusion an der rechten oberen Stirngegend, davon gekommen. Der Postillon hatte nur leichte Verletzungen. Beide Reisende konnten über die Art ihrer Mißhandlung und Beraubung nur sehr wenig, Über die Thäter selbst aber gar nichts angeben. Er habe, so erzählte Herr Hanhart, mit seinem Gefährten in der Chaise geschlafen, als sie plötzlich durch ein starkes Gepolter an der Chaise, welche in demselben Augenblicke stillgestanden habe, aufgeschreckt worden, und in der ersten Bestürzung aus der Chaise gesprungen seyen. Er habe in dem Augenblicke des Herausspringens einen Schlag auf den Kopf erhalten, welcher ihn besinnungslos nieder geschmettert habe, so daß er durchaus von dem, was weiter vor gefallen sey, nichts anzugeben wisse; denn, als er wieder zu sich selbst gekommen sey, habe er nichts weiter mehr gehört, als das Winseln seines Reisegefährten, der, so wie er selbst, nicht auf der Chaussee, sondern unterhalb derselben, gelegen seyen. Er habe diesen aufzurichten und fortzubringen gesucht und so seyen sie nach Hemsbach gekommen. Herr Rieder stimmte mit dieser Angabe überein, fügte jedoch bei: auch er habe sogleich beim Herausspringen aus der Chaise einen Schlag auf den Kopf erhalten, der ihn zu Boden gestürzt habe; – er habe aber noch mehrere Schläge erhalten und obschon er den Räubern zugerufen habe: er wolle ihnen ja gerne alles überlassen, was er besitze, so hätte doch die Misshandlung so lange fortgewährt, bis er sein Bewußtsein verlohren habe, – zu welchem er erst, durch die Bemühungen seines Reisegefährten, wieder gekommen seye. Der Postillon wußte weiter nichts anzugeben, als daß sogleich oberhalb Laudenbach zwei Kerle seinen Pferden in die Zügel gefallen seyen, während ein anderer ihn durch Schläge vom Kutschbock heruntergebracht habe. Andere hätten die Reisenden gemisshandelt, beraubt, und seyen dann mit dem Geraubten entflohen. Er konnte so wenig als die Herren Rieder und Hanhart, die Räuber beischreiben.

Alle weitere Bemühungen des Amtes Weinheim, den Räubern auf die Spur zu kommen, waren ebenfalls fruchtlos, – man fand zwar auf der Stelle der Chaussee, auf welcher, der Angabe nach, der Angriff und die Beraubung der Reisenden stattgefunden hatte, noch den erbrochenen Koffer, einige zerstreute Kleidungsstücke, und einen großen, starken, mit Blut befleckten Prügel; man überzeugte sich, daß der Koffer die Spuren gewaltsamer Erbrechung an sich trage; – man fand auf dem von der Chaussee über Oberlaudenbach in den Odenwald führenden Gebürgswege eine frische Feuerstätte und einen andern Prügel mit Blut befleckt, nebst einer Kopfbinde, gezeichnet J. R., und
einem Strumpfe; – allein alles weitere Spur der Räuber war verschwunden. Doch schien durch den ebengedachten letzten Erfund die Meinung, als hätten Bewohner der Bergstraße die Tat verübt, widerlegt, indem nun offen zu Tage lag, daß die Räuber ihren Rückweg in den hessischen Odenwald genommen hatten, weder der die Kaufleute geführt habende Postillon, noch der die Estaffette zu besorgen gehabt habende junge Pursch von Weinheim konnten nähere Aufschlüsse über die Thäter ertheilen. Es blieb also dem Amte Weinheim nichts anders übrig, als den Vorfall und das Verzeichniß der den beiden Kaufleuten geraubten Sachen, den benachbarten Ämtern, und durch die öffentlichen Blätter auch den entfernteren Behörden bekannt zu machen, und an seine vorgesetzte höhere Behörde Anzeigsbericht zu erstatten; – das Übrige aber von der Zeit und der Gunst des Zufalls zu erwarten.

Inzwischen wurde der schwer verwundete Handelsmann Rieder in das katholische Pfarrhaus zu Hemsbach und von da, auf sein ausdrückliches Verlangen, nach deshalb eingehohlter Weisung des Großherzoglich. Badischen Hofgerichts zu Mannheim, mit aller nur erdenklichen Vorsicht, nach Heidelberg gebracht und dort der Behandlung mehrerer geschickten und allgemein verehrten Ärzte übergeben. Es geschahe an ihm alles, was Wissenschaft und Kunst räthlich machten; – seine Freunde und Bekannte wetteiferten, Alles, was nur möglich war, zu seiner und Herrn Hansharts Erleichterung und Zerstreuung anzuwenden, – allein es war zu spät, – es war Alles – Alles vergebens.
Der verwundete Rieder starb schon am 5ten May, Morgens 11 Uhr und die vorgenommene Section und legale Inspection seines Leichnams erzeugte und begrändete das Ärztliche Gutachten, daß die Verletzung des großen und kleinen Gehirns, welche sich an Herrn Rieder fanden, wesentliche Verletzungen waren, und daß es um so weniger in der Gewalt der Kunst lag, bei so vielen bedeutenden Wunden, die Entzündung des Gehirnorgans, mit deren tödtlichen Folgen abzuhalten, als unaufhebliche Ursachen zum Grunde lagen; – daß sohin die körperlichen Verletzungen des Jacob Rieder von Winterthur, als schlechterdings tödtliche Verwundung (Vulneratio absolute lethalis) zu achten seyen.

Kurz nach der Beerdigung des Verblichenen, welcher zum Troste und zur Beruhigung seiner Anverwandten und Freunde, die in Heidelberg studierenden Schweizer, die meisten der dasigen Handelsleute und mehrere obrigkeitliche Personen und sonstige Honoratioren beiwohnten, traf der Älteste Sohn des Ermordeten in Heidelberg ein. Sein Jammer war grenzenlos und uns beschreiblich, als er den Vater nicht mehr fand, zu dessen Pflege er in der Überzeugung nach Heidelberg geeilt war, es seye noch Hülfe für den ihm Unersetzlichen möglich.

Während dem man in der Nähe von Weinheim und in den oberen Gegenden der Bergstraße den Raubmördern bei aller nur erdenklichen Mühe, vergebens nachspürte, hätte der Zufall einen
derselben, – und gleich nach ihm, zwar keinen Theilhaber an diesem Raube, aber dennoch einen höchstberüchtigten Gauner, Mörder, Räuber und Dieb, in obrigkeitliche Hände geliefert.
Es wurden nämlich schon am 4ten May in dem Walde bei Sickenhofen, Großherzoglich Hessischen Amtes Babenhausen, verschiedene verdächtige Pursche mit Weibsleuten, von einigen Kindern, welche aus dem Walde heimkehrten, bemerkt, und durch mehrere Sickenhofer Einwohner, die der Schultheiß hiezu hatte aufbieten lassen, angegriffen. Allein die Pursche hatten schon aus der Ziegelhütte bei Sickenhofen, die Ankunft der Bauern bemerkt und suchten denselben zu entfliehen; die Bauern aber griffen rasch an, schlugen tapfer zu und nöthigten dadurch die Pursche, ihre Bündel abzuwerfen und dann wiederholt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Sie entkamen bis auf einen, welcher gefangen und an das Amt Babenhausen, von da aber, nebst den Bündeln, an das Großherzoglich Hessische peinliche Gericht zu Darmstadt abgeliefert wurde. Am 5ten May wurde ein anderer Vagant gleichfalls von Sickenhöfer Einwohnern eingefangen und nebst seiner Frau und
einem 7jÄhrigen Buben, ebenmäßig nach Darmstadt eingeliefert.

Der erste gab vor, er heiße Valentin Schmitt und seye aus Berlin gebürtig, der andere nannte sich Johann Wild und beshauptete, zu Brünn in Mähren gebohren zu sein. Schon das Amt Babenhausen hatte, bei Durchsicht der zurückgelassenen Bündel, Kleidungsstücke gefunden, welche mit den, den Herrn Rieder und Hanhart geraubten, deren Verzeichniß ihm bereits zugekommen war, volle Ähnlichkeit hatten. Das peinliche Gericht zu Darmstadt wiederholte die Vergleichung des Inhalts der Bündel mit dem ausgeschriebenen Verzeichniß der geraubten Sachen und überzeugte sich dadurch noch mehr davon, daß die Vorgefundenen wirklich von den Geraubten seyen. Der peinliche Richter, Herr Brill zu Darmstadt, nahm sich der Sache mit rühmlichem Eifer an und es gelang seiner Bemühung, den sogenannten Valentin Schmitt zuerst zum Bekenntnisse, daß dieser Nahme falsch seye, und er eigentlich Veit Krähmer heiße, dann aber auch zu dem weiteren allgemeinen Geständnisse zu bringen, daß er mit fünf Andern die in den Bündeln und bei ihm selbst gefundenen Sachen (unter welch letztern sich auch ein silbernes Etui und ein Doppel-Louisd’or fand) auf der Bergstraße geraubt habe, und zwar zweien Kaufleuten, welche in einer Chaise gefahren seyen. Das peinliche Gericht zu Darmstadt bot die Auslieferung der Arrestanten, – gegen Kostenersatz und gewöhnliche Reversalien an; sie wurde mit höherer Bewilligung angenommen und so erfolgte den 9ten May die Auslieferung der Gefangenen an das Stadtamt Heidelberg, als die geeignete Criminal Behörde.

Unmittelbar nach seiner Ankunft in Heidelberg, wurde Veit Krähmer, in Mitanwesenheit des Handelsmann Hanhart, welcher sich zur Beiwohnung bereit erklärt, und unter den Richtern seinen Platz genommen hatte, ins Verhör genommen. Er wiederholte da umständlich sein in Darmstadt begonnenes Bekenntniß und er kannte wiederholt die mit eingelieferten Effekten als geraubt.
Auch Herr Hanhart erkannte sie, nach Krähmers Abführung, für einen Theil der ihm und dem verlebten Herrn Rieder geraubten Sachen und bestätigte dieses in der Folge eidlich. Den Veit Krähmer konnte er aber weder von Ansehen, noch der Stimme nach, als einen der Räuber erkennen. Das Stadtamt Heidelberg benutzte die Rührung, in welcher es den Veit Krähmer fand, um von ihm eine genaue Angabe des Vorfalls selbst, vorzüglich aber sogleich die Benennung und genaueste Beschreibung seiner Mitschuldigen zu erhalten und eilte sodann, diese durch reitende Boten dem Großherzoglich Badischen Neckarkreis Directoris vorzulegen, welches sich mit dem regsamsten, rastlosesten Eifer der Sache annahm und allen benachbarten näheren und ferneren Regierungen die zu tausenden gedruckten Signalements der Räuber, auf dem schnellsten Wege mittheilte, auch für ihre ebenso schnelle Bekanntwerdung im Badischen Lande sorgte. Da Veit Krähmer im ersten Verhöre zu Heidelberg angegeben hatte: als er mit seinen Kameraden, nach dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, zurück in den Odenwald, in die Gegend von Strümpfelbronn und Eberbach, gekommen seye, seyen sie streifenden Bauern in die Hände gefallen, welche seinen Kameraden, die Bündel, worin deren Antheile am Raub sich befunden, abgenommen hätten; so wurde sogleich ein reitender Bote nach Eberbach abgesendet, und die Verification dieser Angabe und die Übersendung der den Räubern dort abgenommenen Bündel verlangt. Dieses hatte die Wirkung, daß schon des folgenden Tages von dem Amte Zwingenberg, wohin das Amt Eberbach die Requisition, als dorthin gehörig, mitgetheilt hatte, ein großer Pack übersendet wurde, worin sich die, den vier Mitschuldigen des Veit Krähmer, welche den Streifern bei Strümpfelbronn in die Hände gefallen waren, abgenommenen Sachen befanden. Sowohl Veit Krähmer, als Handelsmann Hanhart, erkannten sie für weitere Theile des Geraubten, und so wurden sie diesem Letztern und des verlebten Herrn Rieders Sohne zugestellt. Zugleich meldete das Amt Zwingenberg: es seye einer der vier Pursche, welchen die Bündel abgenommen wurden, eingefangen gewesen, habe aber nach einigen Tagen schon Gelegenheit gefunden, aus dem Gefängnisse zu entweichen.

Die Untersuchung wurde nun unausgesetzt gegen Veit Krähmer fortgesetzt. Er nannte wiederholt und beharrlich als seine Mitschuldigen:

  • den Hölzerlips,
  • den Manne Friederich,
  • den Köhlers Andres,
  • den langen Andres,
  • den Basti,

gab Verschiedenes über die Verhältnisse derselben an und unter andern, daß sein Mit-Arrestant, Johann Wild, der Vater des Köhlers Andres und Schwiegervater des Basti sey. In den mit diesem Johann Wild und seiner Frau vorgenommenen Verhören zeigten sich beide im höchsten Grade verschmitzt, verriethen so viele Gewandheit und wußten dem Untersuchungsrichter so sehr alle Anlehnungs- und Verbindungspunkte in der Inquisition zu erschweren, daß es ein Leichtes war, in ihnen alte, völlig eingeweihte Gauner zu erkennen, ohne ihnen jedoch von irgendeiner Seite beikommen zu können. Auch der 7jährige Bub derselben Leonhard, benahm sich ebenso und leugnete so hartnäckig, wie diese geläugnet hatten, einen Sohn Andreas zu haben, einen Bruder Nahmens Andres zu kennen oder gehabt zu haben. Bei Leuten dieser Art, welche keine bleibende Stätte haben, täglich in andern Hütten, oder Schopfen, oder im Freien hausen, fällt es sehr schwer, irgend einen Beweis über ihre Familienverhältnisse aufzubringen. Doch gelang es endlich, nach lange vergebener Mühe und fruchtlosem Versuche, Widersprüche in den Angaben der Wildischen Eheleute zu erhalten, welche gegen sie benutzt werden könnten, und mehrere unbescholtene Männer auszukundschaften, in deren Häusern Wild mit den Seinigen gelegen hatte, deren einer bestimmt behauptete, daß derselbe einen Sohn, Nahmens Andres habe. Der alte Wild unterlag bei der, mit aller Vorsicht zwischen ihm und jenen Männern bewirkten Confrontation und bekannte, einen Sohn, namens Andres zu haben, fügte aber zugleich die Entschuldigung bei, er habe um deswillen nichts von ihm wissen wollen, weil er ein unfolgsamer Bub seye, der in der Welt herum laufe. Schlechte Streiche wisse er jedoch nicht von ihm. Nach dem Vater bekannte auch der junge Leonhard Wild, einen Bruder namens Andres zu haben, und entschuldigte sein früheres Leugnen lediglich mit der frechen Behauptung: er habe nicht daran gedacht. Lange kämpfte noch die Mutter; endlich jedoch bekannte auch sie, einen Sohn Andreas zu haben und suchte ihr Leugnen, so wie ihr Mann, zu entschuldigen. Beide wollten von dem Anteile ihres Sohnes Andreas an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach nichts wissen. Beide beharrten bei dem, was sie von ihrer Herkunft und ihren sonstigen Verhältnissen angegeben hatten, so höchst unwahrscheinlich und offenbar falsch auch Manches darin war. Der Verdacht, dass Johann Wild ein alter Verbrecher, ein bedeutendes Mitglied einer früheren Räuberbande gewesen sei, stieg in jedem Verhör, und wurde durch seine Physiognomie und sein ganzes Betragen noch mehr bestärkt. Noch fehlte es aber an näheren Mitteln, die Wahrheit zu erforschen, denn das Urteilen nach den Signalements alleine, fand man zu gewagt; und so musste denn das Weitere noch ausgesetzt und von Zeit und Zufall nähere Entdeckung gehofft werden.

Kaum war Andreas Wild zum zweitenmal von seinen Eltern in Heidelberg gezeugt und geboren, so langte schon des andern Tages von dem Großherzoglich Frankfurtischen Präfekten zu Hanau, Freiherrn von der Tann, welcher sich auf die ausgezeichnetste Weise um die schnelle und glückliche Fortsetzung dieser Untersuchung verdient gemacht und so wie der Herr Oberpolizeidirector von Itzstein in Frankfurt, der Untersuchungsbehörde in Heidelberg die zuvorkommendsten Dienstgefälligkeiten erwiesen hat, die Nachricht ein, daß dort ein Pursch eingebracht worden seye, welcher der signalisierte Köhlers Andres zu sein scheine, zugleich überbrachte der mit dem Schreiben von Hanau abgeschickte erpresse Bote dessen Kleidung und sie wurde von dem arretirten Veit Krähmer für die des Köhlers Andres, zugleich aber auch für den Schweizer Kaufleuten geraubt (was später Herr Hanhart bestätigte), anerkannt.
Darauf wurde sogleich dessen Auslieferung verlangt und bewilligt.
Das Großherzoglich Hessische Amt Steinheim hatte in einer dahin zum Weiterschaffen auf dem Schub von Hanau gebrachten Weibsperson, die Concubine des Hölzerlips erkannt und dieses nach Heidelberg eröffnet. Ihre Auslieferung wurde verlangt und erfolgte. Sie nannte sich Spitzin; ihr 7jähriger bucklicher Bube nannte sich Spitz. Beide verleugneten den Hölzerlips und als Veit Krähmer dem Buben ins Gesicht behauptete, daß er ihn kenne und daß Hölzerlips sein Vater sey, hatte er zum Abscheu des Untersuchungsrichters, die unerhörte Frechheit, dem Krähmer in den schmutzigsten, pöbelhaftesten Ausdrücken zu sagen: er habe seine Mutter fleischlich brauchen wollen, und weil ihm dieses nicht gestattet worden seye, so spreche er aus Feindschaft gegen sie. Selbst der von einem Gauner gezeugte, unter Gaunern erzogene Veit Krähmer war wie versteinert ob solcher Frechheit. Nur das, was wir in der Folge von der Mutter noch hören werden, kann es begreiflich machen, daß dieser Bube zu solchem abscheulichen Benehmen, wie er in der Folge bekannte, wirklich von seiner
eigenen Mutter veranlaßt, daß ihm von dieser die kalte Frechheit, die beispiellose Bosheit eingepflanzt worden seye, mit welcher er sich vor Gericht benahm. . .

Die erlassenen Steckbriefe, die rastlosen Bemühungen des Neckarkreis-Directorii, und die ausgezeichnet thätigen Mitwirkungen aller benachbarten höheren und niederen Behörden, hatten zur Folge, daß überall eine Menge Vagabunden eingezogen und nach Heidelberg geliefert wurden. Die Arbeit der untersuchenden Behörde wurde dadurch ganz außerordentlich vermehrt und erschwert, ohne daß dieses Einfangen für die Hauptsache selbst einen gedeihlichen Erfolg lieferte; immer aber erzeugte es das Gute, daß das Gesindel aufgeschreckt und durch Angst getrieben, gezwungen wurde, ihre bisherigen Schlupfwinkel im Odenwald, im Spessart, im Fuldischen und in der Wetterau vielleicht auf lange Zeit zu verlassen. Man umgeht hier die Aufzählung der einzelnen Auftritte, welche diese Einfangung erzeugte und die Benennung der Personen, welche sie traf; nur das will man, um die Leser durch einen einzigen Zug von der gänzlichen Verdorbenheit dieser Menschenklasse zu überzeugen, flüchtig anführen, daß sich darunter eine Mutter befand, welche mit ihrem eigenen 7jÄhrigen Knaben im Kerker Unzucht trieb. Es war eine Periode, wo 96 solcher verworfenen Geschöpfe zugleich in Heidelberg verhaftet waren. Solch eine Menge, welche täglich noch mehr anzuwachsen drohte, mußte die Hauptsache selbst aufhalten und so dem Hauptzwecke schaden; auch war es wirklich der Arbeit zu viel. Dieses wurde höchsten Orts eingesehen und darum in der Folge verordnet, daß nur die an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach Antheil habenden Verbrecher und die mit ihnen in direkter Verbindung stehenden wirklichen Räuber zu Heidelberg inquirirt, alle andere eingefangen werdenden Vaganten aber einer zu diesem Ende besonders in Mannheim niedergesetzten Commission zur Untersuchung übergeben werden sollten.

Indessen war am 30ten May Abends Andreas Wild wirklich nach Heidelberg abgeliefert worden. Er wurde sogleich des folgenden Tages zum Verhöre vorgeführt und bei dieser Gelegenheit von seiner eigenen Mutter, unbemerkt von ihm, als ihr Sohn Andreas, von Veit Krähmer als Köhlers Andres anerkannt. Er selbst nannte sich Andreas Wild, leugnete aber, noch lebende Eltern zu haben. Beide, so sagte er, seyen gestorben, als er kaum zwei Jahre alt gewesen sey, – er habe sie nicht gekannt,
wisse nicht, wer sie gewesen seyen und wie sie geheißen hätten; er habe nur einen Bruder am Leben, welcher Älter, als er seye und unterm Militär, wie er von herumziehenden Leuten gehört habe, diene, ohne daß er wisse welchem Potentaten. Die bei ihm gefundenen geraubten Kleider behauptete er, von einem ihm unbekannten Juden in Aschaffenburg gekauft zu haben. Alle Ermahnungen zur Wahrheit fruchteten nicht bei ihm, er wurde in seinen Kerker zurück gebracht. Vor dem nachmittägigen Verhöre erkannte ihn auch sein Vater für seinen Sohn und Leonhard Wild für seinen Bruder. Hatte Andreas Wild sich im vormittägigen Verhöre hartnäckig und frech benommen, so betrug er sich noch weit frecher und hartnäckiger im nachmittägigen, er beharrte bei allem dem, was er Morgens angegeben hatte und fügte der Versicherung, daß dieses die reine Wahrheit seie, die effronte Betheuerung bei, „und wenn er ein Wort gelogen habe, so wolle er für jedes dieser Worte 25 Prügel aushalten“.

Da alle gütlichen Ermahnungen, aller Ernst des Richters, keinen Eindruck auf ihn machte, so mußte ein anderes Mittel diesen Eindruck erzeugen und erzeugte ihn wirklich. Es war nämlich die Vorrichtung getroffen worden, daß vor jede der drei zum Verhörzimmer führenden Thüren, vor die eine Wilds Vater, vor die andere seine Mutter und vor die dritte sein Bruder Leonhard, dessen Anwesenheit in Heidelberg ihm unbekannt war, gestellt wurden. Da er nun immerfort leugnete, Eltern zu haben, oder einen jüngeren Bruder und dieses mit den höchsten Betheuerungen und
heiligsten Schwüren bekräftigte; so öffneten sich, auf einen Schellenzug zugleich die drei Thüren und schlossen sich einen Augenblick darauf. Andreas Wild war durch den Anblick erschüttert, faßte sich jedoch gleich wieder, und suchte der Frage: wer diese drei Menschen seyen ? auszuweichen, bis die Schelle wiederholt gezogen wurde, um seinen Vater vorführen zu lassen; da erklärte er endlich, der alte Mann seye sein Vater, der Bub sein Bruder Leonhard und die Frau seine Mutter. Es wurde versucht, diese Stimmung des Inquisiten zu benutzen, um auch ein weiteres Geständniß des Straßenraubs von ihm zu erhalten; dieser Versuch misslang aber; Veit Krähmer musste ihm vorgestellt werden. Er verleugnete diesen nicht nur anfänglich, sondern suchte sogar ihn selbst wankend zu machen. Als aber Veit Krähmer standhaft bei seinen Angaben beharrte und ihn selbst, aus eigenem Antriebe, aufforderte, die Wahrheit anzugeben, und sich und ihn nicht länger aufzuhalten, da fing Andreas Wild an zu zagen und zu weinen, und ging dann vom hartnäckigsten Leugnen plötzlich zum
Geständnisse seines Antheils an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, über. In einem weiteren Verhöre wurde er noch offenherziger, er bekannte zwar keine weiteren, von ihm
verübten Verbrechen, wohl aber gestand er seine Bekanntschaft mit vielen Gaunern, seine Kenntniß der Gauner oder sogenannten jenischen Sprache und entdeckte, daß Manne Friederich, ein weiterer Teilhaber am Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, unter dem angenommenen falschen Nahmen, Goldmann, zu Hanau verhaftet seie und dass die Beischläferin des Hölzerlips im Gefängnisse zu Hanau noch eine der den zwei Schweizer Kaufleuten auf der Bergstraße geraubten goldenen Uhren und eine goldene Karolin gehabt habe. Es wurde sogleich durch Estaffette dem Herrn Präfekten zu Hanau von diesen Angaben Nachricht erteilt, die erste fand sich gegründet und auch Manne Friederich wurde später nach Heidelberg ausgeliefert. Die Uhr konnte aber noch nicht entdeckt werden. Die Hölzerlipsin leugnete und alle Visitationen waren fruchtlos.

Am 4ten Juni ließ sich Veit Krähmer zum Verhöre melden, und gab in diesem mehrere, teils von ihm selbst, teils von Andern verübte, meistens bedeutende Verbrechen, an. Auch Andreas Wild schritt am nämlichen Tage zu einem Ähnlichen Bekenntnisse.
Beide setzten in späteren Verhören ihre Geständnisse fort und gaben zugleich noch sehr viele Häuser im Odenwalde, im Großherzogtum Frankfurt und andern benachbarten Gegenden an, deren
Einwohner Kochem seien, das heißt: die den Räubern und Dieben Aufenthalt gestatteten und die gestohlenen Waren aufbewahrten oder selbst kauften. Es wurde, und zwar wie die Folge zeigte,
mit gutem Erfolge, sogleich von diesen Entdeckungen den betreffenden Behörden Nachricht gegeben, auch die Signalements der weiter genannten Räuber und Diebe aufgenommen und in alle
benachbarten Staaten versendet.
Inzwischen war Manne Friederich mit seiner Frau und seinem 7jÄhrigen Buben von Hanau in Heidelberg angelangt. Er wurde von dem Veit Krähmer und Andreas Wild anerkannt: er selbst nannte sich aber in seinem ersten Verhöre Johannes Goldmann und gab vor, aus Magdeburg gebürtig und ledig zu sein, und die Gegend bei Heidelberg noch nie gesehen zu haben. Zufällig war am Tage dieses Verhörs der Beamte von Zwingenberg in Heidelberg anwesend, er erkannte in dem von ihm, unbemerkt von diesem, besichtigten Manne Friederich, eben jenen Räuber, welcher in Zwingenberg, unter dem Nahmen Philipp Friederich Schütz, eingelegen hatte und dort entflohen war. Man glaubte,
der Anblick des Beamten von Zwingenberg werde den Manne Friederich erschüttern, der Beamte selbst hoffte dieses, allein man hatte sich beiderseits geirrt. Der Inquisit behauptete dem Beamten mit der beispiellosesten, mutwilligsten Frechheit in das Gesicht: er seye nie in Zwingenberg gewesen, forderte denselben im verhönendsten Tone auf, ihn ganz genau zu betrachten, indem
man sich in nichts leichter irren könne, als in Menschengesichtern, und beharrte, trotz aller Vorstellungen und Ermahnungen, trotz aller Versicherungen des Beamten von Zwingenberg auf Ehre und Pflicht, dass er der dort entflohene Philipp Friederich Schütz sey, bei seinem boshaften Leugnen.

Unter solchen Verhältnissen ließe sich von einer Confrontation des Manne Friederich mit Veit Krähmer und Andreas Wild, durchaus kein Erfolg versprechen. Es musste zu andern Mitteln geschritten werden. Es wurde versucht, von dem Knaben des Manne Friederich ein Geständnis zu erhalten, allein er leugnete frech und beharrlich, den Mann, welcher mit ihm und seiner Mutter zugleich nach Heidelberg geliefert worden war, (seinen Vater) zu kennen. Veit Krähmer wurde ihm vorgestellt, der Knabe verleugnete ihn, obschon er der Pathe seines jüngsten, nur wenige Monate alten Bruders ist; endlich aber mußte er, auf Krähmers dringende Ermahnungen, zugeben, daß dieser, und nicht, wie er vorgegeben hatte, ein armer, ihm unbekannter Bube, sein jüngstes Brüderchen in Katzenbach bei Strümpfelbronn, über die Taufe gehoben habe; doch beharrte er immer noch dabei, daß er den mit ihm transportierten Mann nicht kenne. Andreas Wild wurde ihm ebenfalls unter das Gesicht gestellt; der Knabe beharrte, auch auf Wilds Aussagen und Ermahnungen an ihn, bei seinem Leugnen. Wild verdoppelte seine Aufforderungen zur Wahrheit an den Knaben, der Untersuchungsrichter tat dasselbe, der Knabe verlor zwar sichtbar die Fassung, doch leugnete er fort und erst dann, als ihm, auf den Fall der Überweisung, mit körperlicher Züchtigung gedroht wurde, bekannte er, dass der mit ihm und seiner Mutter nach Heidelberg gebrachte Mann sein Vater seie, dass derselbe Friederich heiße und dass seine Mutter ihn angewiesen habe, dieses zu verläugnen. So kräftig, so beharrlich, wird wohl schwerlich eine Anweisung der besten Eltern, zum Guten befolgt, wie der noch so junge Leonhard Wild und der Knabe der Hölzerlipsin und der des Schütz, die Anweisung zum Bösen befolgten. Von solchen Eltern geboren, auf solche Weise in der zartesten Jugend gebildet – welche Pest drohen solche Kinder dem Lande, in dem sie geboren wurden!
Des Knaben Mutter benahm sich eben so, sie wollte noch nie im Odenwald (wo sie in Katzenbach wenige Wochen zuvor entbunden worden war) gewesen sein, den Nahmen des Orts ihrer Niederkunft, so wie jenen ihres Gevattermanns, nicht wissen u.s.w.
Am 8ten Juni erschienen, auf vorgängige Ladung, der Gefangenwärter von Zwingenberg und sieben andere Einwohner aus dortiger Gegend, wovon zwei den Manne Friederich eingefangen hatten, sämtliche übrige aber ihn wohl zu kennen behaupteten; auch erkannten ihn wirklich sämtliche für den in Zwingenberg eingesessenen und von dort entwichenen Philipp Friederich Schütz und behaupteten dieses auch sämtlich dem Manne Friederich ins Angesicht. Er leugnete mit unbändiger Frechheit, und beharrte dabei, selbst als alle acht Männer in seiner Gegenwart, ihre Aussagen gegen ihn mit feierlichen Eide bestätigten. Jeder gefühlvolle Mann, jeder rechtlich denkende Richter, welcher die Gefahr der Selbsttäuschung, der auch Er unterworfen ist, kennt, wird gewiss die zur Ehre der Menschheit abgeschaffte Folter nicht zurück wünschen; aber bedauern wird es auch jeder, wenn allzu sentimentale Gesetze dem Untersuchungsrichter alle Mittel benehmen, der Frechheit solcher verworfenen Menschen Grenzen zu setzen; bedauern wird jeder den Richter, welcher sich von Menschen dieser Art, als Spielwerk ihrer Bosheit, missbrauchen lassen muss. Dem Richter bleibt in solcher Lage kein Trost, als das Bewusstsein, sich streng nach dem Gesetze geachtet zu haben. Das war auch hier der Fall. Es wurde nun der Versuch gemacht, von Manne Friederichs Frau ein näheres Geständnis zu erhalten. Veit Krähmers Concubine und Schwiegermutter erkannten sie und behaupteten ihr unter das Gesicht, sie seye die nämliche Frau,
welche vor wenigen Wochen, zugleich mit der ersten, zu Katzenbach, in derselben Scheuer, niedergekommen sey; sie leugnete dieses mit unbeschreiblicher Kälte und fügte jedesmal die Bemerkung bei: solche Leute nähme sie nicht an, die seien Arrestanten wie sie und könnten nichts gegen sie beweisen. Es wurde versucht, die Inquisitin durch Einwohner des Ortes Katzenbach, in welchem sie niedergekommen war, erkennen zu lassen; es erschienen auch wirklich, auf vorgängige Ladung, der Eigenthümer der Scheuer, in welcher die Manne Friederichin zu Katzenbach niedergekommen war, dessen Knecht und der Schulmeister von da ; allein, unglücklicher Weise konnte keiner von ihnen jene Inquisitin erkennen, obschon, wenigstens der erste, den Veit Krähmer und dessen Concubine erkannten. Es konnte also von einer Confrontation die Rede nicht sein; doch versuchte man, ob es nicht möglich sey, auch durch den blosen Vortritt der Katzenbacher einigen Eindruck auf die Inquisitin zu machen. Jene drei traten daher als stumme Personen auf; der Inquisitin wurde bedeutet, es seyen Einwohner von Katzenbach, sie versicherte: sie kenne sie nicht und fügte bei: die drei Männer würden sie auch nicht kennen; die drei Männer schwiegen. Es wurde der Inquisitin bedeutet, unter diesen drei Männern befinde sich auch derjenige, in dessen Scheuer sie zugleich mit Krähmers Concubine niedergekommen sei; sie beharrte bei ihrem Läugnen. Veit Krähmer wurde vorgeführt und erklärte, auf die Frage: wer die vorstehende Frau sei? „Es ist meine Gevatterin, die Ehefrau des Manne Friederich, welche zugleich mit meiner Frau in Katzenbach niedergekommen ist.“
Und nun erklärte die Inquisitin, „Veit Krähmer sei wirklich ihr Gevattermann, und was er so eben angegeben habe, sey wahr. Der Mann, welcher mit ihr von Hanau nach Heidelberg abgeliefert worden sei, sei wirklich ihr Mann, der Manne Friederich. Sie bitte wegen ihres bisherigen Leugnens um Verzeihung, sie habe es tun müssen, denn ihr Mann habe ihr gedroht, er schlage ihr Arme und Beine entzwei, wann sie die Wahrheit rede“.

Nun wurde Manne Friederich selbst wieder verhört; er fuhr fort, zu leugnen. Es wurden ihm nach und nach Veit Krähmers Beischläferin, deren Mutter, Veit Krähmer selbst und Andreas Wild vorgestellt. Alle behaupteten, er sei Manne Friederich. Manne Friederich beschuldigte jeden auf eine frechere Weise der Lüge. Auch seine Frau trat nun vor und behauptete, er sei ihr Mann, „das ist nicht wahr! wie kommt Sie dazu ?“ war seine ganze Antwort. Auch den Sohn derselben verleugnete er und schloss lachend das Verhör, mit dem Ausrufe: „da bekomme ich allerlei Leute zu sehen“. Ihm wurmte jedoch, als er in die Einsamkeit des Kerkers zurückkam, dieser Auftritt. Er fürchtete, wie er in der Folge selbst einbekannte, seine Frau möge noch mehr gesagt haben, so dass man ihn durch unbescholtene, rechtliche Männer, (denn Mitarrestanten, setzte er bei, würde er nie als Zeugen gegen sich angenommen haben und der Amtmann von Zwingenberg und die Wächter von da hätten nicht als Zeugen gegen ihn gelten können, weil immerhin der Verdacht auf ihnen geruht hätte, als gäben sie ihn nur darum an, um den Fehler des Entlaufenlassens ihres Arrestanten wieder gut zu machen, ) förmlich überweisen könne; und dieses bestimmte ihn, einige Tage später, sich zum Verhöre melden zu lassen, in welchem er dann sein bisheriges Leugnen zurücknahm, und einbekannte: der zu Zwingenberg entwichene Philipp Friederich Schütz und Teilhaber am Straßenraube zwischen Laudenbach und Hemsbach zu sein. Er wollte zwar anfänglich immer
noch nicht mit der Sprache rein heraus, sondern sein Bekenntnis von Erfüllung allerlei Prätensionen, welche er aufstellte, abhängig machen; allein als er einsehe, dass man sich darauf nicht einließ, so schritt er zum volleren Bekenntnisse nicht nur seiner Teilnahme am Raubmord zwischen Hemsbach und Laudenbach, sondern auch noch mehrerer Verbrechen. Unter jene Prätensionen gehörte unter andern die: * man möge ihn mit seiner Frau zusammen lassen. Er suchte sie dadurch zu motivieren, dass er vorgab, er habe einen fürchterlichen Eid schwören müssen, keinen seiner Kameraden zu verraten. Er wollte seiner Frau alles eröffnen, damit diese es anzeige, und er so doch seinen Schwur halte.
Das ganze Vorgeben war erdichtet, und nur darauf angelegt, von seiner Frau bestimmt zu erfahren, was sie gegen ihn gesagt habe, um sich darnach richten zu können.
Inzwischen hatte sich aus den näheren Angaben des Veit Krähmer und Andreas Wild ergeben, dass ein gewisser Georg Schmitt, vulgo der große Harzbub, den Raubmördern den Weg von Oberlaudenbach nach der Chaussee gezeigt hatte. Er wurde verfolgt, ergriffen und war, wie der Verfolg zeigen wird, der That geständig. Da man gleich anfänglich den Verdacht hatte, dass mehrere der Räuber und ihrer Genossen mit der Bande des Schinderhannes, des Damian Hessel und Andern jenseits des Rheins in Verbindung gestanden sein möchten: so war die Einleitung getroffen worden, dass ein vertrauter Mann, dessen man sich jenseits mit sehr gutem Erfolge bedient hatte, die sämtlichen in Heidelberg verhafteten zahlreichen Gauner und Gaunerinnen besichtigte.
Allein er erkannte keinen der Männer und nur von der Concubine des Hölzerlips behauptete er, sie habe zur Überrheinischen Bande des Anton Keil gehört. Es wurde desfalls geeignetes Benehmen mit der französischen Behörde eingeleitet. Durch die eingeleitete Correspondenz mit beinahe allen auswärtigen Behörden und durch die denselben mitgeteilten Signalements, kam endlich von Giesen die Nachricht ein, dass der dort sitzende Johann Adam Steininger, vulgo Ueberrheiner Hannadam,
ein Mitglied der Bande des Schinderhannes, den Andreas Wild zwar nicht unter diesem Namen, aber nach der ihm gemachten Beschreibung, für den Sohn des schwarzen Peters, eines Mitgliedes der Bande des Schinderhannes, zu welcher auch er, Steininger, wie oben bemerkt wurde, gehört hatte, halte. Man suchte hierüber nähere Bestätigung zu erhalten und erhielte sie auch durch Veit Krähmer, jedoch nur in der Art, dass damit eine Überweisung des Johannes Wild nicht möglich war, indem Krähmer seine Angabe nur vom Hörensagen hatte. Nun wurde auch deshalb Communication mit den jenseitigen Behörden eröffnet und gebeten, es möge jemand nach Heidelberg gesendet werden, um den Arrestanten als schwarzen Peter zu erkennen. Diese Communication blieb, wie die obgedachte, ohne Erfolg.

Während vorgedachter weiterer Ereignisse, hatte sich gefunden, dass Hölzerlips auch unter fremdem Nahmen zu Hanau, und Basti zu Werthheim, wohin er gegangen war, um seine früher schon dort eingefangen gewesene Concubine, eine Schwester des Andreas Wild, zu befreien, arretiert seyen. Beide wurden nach Heidelberg abgeliefert; und so waren dann von sechs Verbrechern und ihrem
Wegweiser, dem siebenten, welche sich gleich nach der Tat in ganz verschiedene und entlegene Gegenden entfernt hatten, schon am 18ten Juni sechs in Heidelberg eingebracht und der lange Andres war der einzige, welcher noch fehlte. Hölzerlips sowohl als Basti wurden verhört, allein sie folgten ganz dem früheren Benehmen des Andreas Wild und Manne Friederich; sie leugneten mit frecher Kaltblütigkeit alles ab und waren taub für jede Ermahnung. Am 21ten Juni erfolgte ein neues Verhör gegen Basti; die noch in Heidelberg befindlichen Reste der geraubten Sachen wurden ihm gezeigt, Andreas Wild wurde mit ihm confrontiert; er behauptete, die ersten nicht zu kennen, und leugnete fort, obschon Wild ihn wiederholt und dringend aufforderte: alles zu gestehen, und beifügte, das Leugnen nützt dich nichts mehr, es ist schon alles entdeckt. Doch scheint dieses Verhör, welches sich gegen 8 Uhr Abends schloss, sonderbar auf ihn gewirkt zu haben, denn schon am nämlichen Abende um halb 10 Uhr meldete der Gefangenwärter: so eben sei Basti aus seinem Gefängnisse entflohen, die Wache habe nach ihm geschossen, habe ihn aber gefehlt. Sogleich wurde alles zu seiner Verfolgung aufgeboten und sein Gefängnis visitirt. Es fand sich, dass er, ohne alles Verschulden des Gefangenwärters, auf eine kaum begreifliche Weise, im bloßen Hemde entkommen war. Er hatte das runde Fenster seines Gefängnisses mit der ganzen Rahme ausgehoben, dadurch einen spitzen Kloben, mit welchem die Rahme befestigt war, erhalten, damit die beiden neuen, guten Schlösser der Ketten, womit er kreuzweis gefesselt war, erbrochen, die Ketten abgelegt, seinen Teppich zerrissen, daraus ein Seil, 10 bis 12 Schuhe lang, gedreht und war dann durch die auffallend enge Öffnung des starken Fenstergitters, welche wirklich bei der angestellten Probe keinem andern Kopfe den Durchgang erlaubte, hinausgeschlüpft, hatte sich am Seil herabgelassen und war dann noch 8 bis 10 Schuhe hoch zur Erde gesprungen; der Schuss der Wache war ihm hart am Kopfe vorbei gefahren. – Er war fort und alles Streifen, alles Durchsuchen der nahen Felder mit Hunden, war vergebens. Man hatte aber noch in der Nacht an alle angrenzende Ämter, durch reitende Boten, man hatte selbst an die entfernteren Behörden durch Estaffetten die Nachricht seiner Entweichung gesendet, und alle gebeten, sie sogleich eben so schnell an die rückwärtsliegenden Behörden zu senden und dem Einfänger des Basti eine Belohnung von 50 fl. zuzusichern; und so kam es, so nur konnte es kommen, dass er schon am 22ten Juni Abends im Odenwalde Großherzoglich Hessischen Amtes Fürth, wieder eingefangen und nach Heidelberg zurückgebracht wurde. Er war unmittelbar nach seiner Entweichung in den nahen Neckarfluß gesprungen und hatte sich unter dem Boden der in demselben auf einem Kahne errichteten Schwimmschule, bis an den Mund im Wasser, mehrere
Stunden verborgen gehalten. Er war Zeuge der Nachsuchungen an beiden Ufern und in der Schwimmschule selbst. Erst nach Mitternacht versuchte er es, den Neckarfluß zu durchwaten, der zu seinem Vortheile, gerade in jenem Augenblicke, sehr seicht war. Noch hatte er das jenseitige Ufer nicht erreicht, als er die auch dort ausgestellten Wachen gewahrte; er blieb noch lange Zeit auf einem Felsen im Flusse sitzen. Endlich wagt er einen neuen Versuch und gewinnt, unter Lebensgefahr, das jenseitige Ufer, und durch die hohe Frucht endlich das Gebirg und den Wald. Um sein Erscheinen im bloßen Hemde minder auffallend für Leute, welche ihn etwa im Walde gewahren könnten, zu machen, schlüpft er mit den Beinen in die Hemdärmel und hält den untern Theil des Hemdes oben beim Halse mit den Händen zu. So läuft er weiter. Ihm begegnen im Walde zwei Bauern; er stellt sich närrisch und stumm, bettelt sie an und ist so glücklich, nicht nur nicht angehalten zu werden, sondern noch sogar ein Almosen und das Bedauern der Geber zu erhalten. Mit diesem Almosen kauft er sich in einer entlegenen Mühle im Gebirge Brot. Man fragt ihn über seinen sonderbaren, Aufzug, und er ersinnt eine Lüge, welche ihm hilft. Er hatte sich, so erzählt er
den Leuten in der Mühle, entkleidet, um sich von Ungeziefer zu reinigen, war darüber eingeschlafen und fand beim Erwachen eine große Schlange auf seinen Kleidern liegen. Der plötzliche Schreck bestimmt ihn zur Flucht. Als er sich erholt hatte, kehrt er zurück, kann aber nun seine Kleider nicht wieder finden. Ihm wird geglaubt, er lacht der Leichtgläubigen und flieht weiter, bis er Abends von minder leichtgläubigen Bauern, welchen seine Flucht und die auf seine Einlieferung gesetzte Belohnung von 50 fl. welche sie auch erhielten, vom Amte Fürth schon bekannt gemacht war, arretiert wurde. Am 25ten Juni ließ Basti sich zum Verhöre melden, und bekannte, mit bei dem Straßenraube zwischen Laudenbach und Hemsbach gewesen zu sein, suchte aber seinem Anteile an dieser Tat so viele Entschuldigungen beizufügen, dass er bloß als verführten, beinahe unschuldigen Mensch sich darstellte. In der Folge ging er wohl hievon ab und bekannte, tätigeren Antheil an diesem Verbrechen genommen zu haben; desto hartnäckiger leugnete er aber alle andere, bereits weiter gegen ihn zur Anzeige gekommenen und von den übrigen Mitschuldigen eingestandenen Vergehen ab. Er war, obgleich der jüngsten einer, – der letzte, welcher weitere Verbrechen einbekannte.


Nun war von den eingefangenen Teilhabern am Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach nur noch der Hölzerlips der einzige Übrige, welcher leugnete. Er setzte dieses Leugnen bis zum 27ten Juni fort, wo er die mit ihm und verschiedenen andern Arrestanten vorgenommene Confrontation nicht aushalten konnte, und deswegen ebenfalls zum Bekenntnisse schritt: an dem oft gedachten Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach Antheil gehabt zu haben. Später schritt er, freilich erst nach vieler Mühe des Untersuchungsrichters und oft wiederholtem Versuche, zu widerstehen, zum Geständnisse mehrerer Verbrechen, welche er, sobald er einmal zum Bekennen geschritten war, mit dem gleichmüthigsten Tone erzählte, ohne einige Reue, einiges Mitleid mit den von ihm und Andern Beraubten und Misshandelten zu zeigen. Sein früheres Leugnen erklärte er für eine erlaubte Nothlüge und äußerte dabei: alle wie wir einsitzen, schwören zehn falsche Eide, wann wir uns damit losmachen können.

Auch Hölzerlips hatte nun gestanden. Seine Concubine war die letzte, welche leugnete und darauf beharrte, ihn nicht zu kennen. Sie wurde ihm vorgestellt. Hölzerlips erklärte, auf die Frage: wer sie sey? „das ist meine Kathrine!“- „Ich will deine Kathrine nicht sein!“ schrie sie. Hölzerlips hatte bereits eingestanden, ihr die goldene Uhr und eine Karolin in Gold zugestellt zu haben; sie leugnete dieses. Hölzerlips behauptete ihr es wiederholt unter das Angesicht; sie leugnete beides. Sie wurde mit Güte, sie wurde mit Ernst zur Wahrheit ermahnt; sie leugnete. Es wurde ihr mit körperlicher Züchtigung gedroht; sie leugnete fort. Sie empfing sechs Farrenziemerstreiche und leugnete.
Sie empfing den siebenten und erklärte: sie wolle sagen, wo sie die Uhr begraben habe, aber erst solle der Hölzerlips seine Drohung zurücknehmen; Er habe ihr nämlich den Hals abzuschneiden gedroht, wenn sie die Uhr verrate. Dieser bekannte diese Drohung, nahm sie zurück und die Hölzerlipsin bekannte nun die Uhr zu Steinheim im Gefängnis vergraben zu haben. Sie bezeichnete den Ort. Es wurde nach Steinheim geschrieben und die Uhr fand sich nebst Kette auf der bezeichneten Stelle vergraben, wurde übersendet und kam so in die Hände des Eigenthümers zurück. Die Karolin behauptete sie, ihrem Buben auf dem Transport nach Heidelberg in Heppenheim mit dem Befehle zu gestellt zu haben, sie hinweg zu werfen. Der Bub gab an die Karolin zu Heppenheim in den Abtritt geworfen zu haben; er wurde nach Heppenheim gebracht, bezeichnete die Stelle. Die Karolin wurde aber nicht gefunden. Später musste die Hölzerlipsin ihre näheren Familienverhältnisse bekennen und nun wurde richtig gestellt, dass sie die zu einer Überrheinischen Bande gehörige, bereits von der Kaiserlich Französischen Behörde zum Tode verurteilte Orthweis, eine Tochter des berüchtigten alten Scheerenschleifers Hannes, sei. Von diesem Eingeständnisse wurde sogleich der geeigneten K. K. Französischen Behörde Nachricht erteilt und die Auslieferung dieser Weibsperson angeboten.

Auf gleiche Weise entwickelte sich das Schicksal des durch diese Untersuchung auch entdeckten Johann Wild und bestätigte wiederholt die Wahrheit der alten Lehre: dass die Strafe, wenn gleich manchmal langsam, doch sicher dem Verbrechen folge.
Es waren von den übrigen Mitschuldigen und selbst von Wilds Sohne Andreas Verbrechen einbekannt, an welchen auch er Antheil genommen hatte. Er wurde wegen dieser neuen Anzeigen wieder ins Verhör genommen. Er geriet in sichtbare Angst und Beklemmung, welche sich zwar bei dem Geständnisse jener Verbrechen minderte, aber nicht hob; selbst als er dieses sein Geständnis vollendet hatte. Diese Stimmung des Inquisiten wurde benutzt, und musste um so mehr benutzt werden, da in einem langen Zwischenraume von der K. K. Französischen Behörde keine Antwort erfolgt war; wahrscheinlich, weil es an Subjekten fehlte, welche zur Anerkennung des Wild als schwarzer Peter hätten benutzt werden können. Der Versuch gelang. Wilds Angst stieg mit jedem Augenblicke, seine Brust hob sich sichtbar, die Sprache entfloh ihm, er musste abgeführt werden; kaum aber war er im Freien, so erholte er sich und verlangte, unter den Worten: „was soll ich mich lange quälen lassen, es ist doch aus!“ wieder vorgeführt zu werden. Dieses geschah und er konnte nur durch Kopfnicken bestätigen: er sei Peter Petry, vulgo der schwarze Peter, Genosse des Schinderhannes. Nach einiger ihm gegönnten Erholung wiederholte er dieses Bekenntnis, und ging
von diesem zu jenem der aus der Aktenmäßigen Geschichte der Räuberbande dies und jenseits des Rheines bekannten Ermordung des Juden von Seibersbach und zu dem einiger Pferdediebstähle über. Auch seine Frau gestand nun, dass ihr Mann der schwarze Peter, ein Genosse des Schinderhannes, sei. Der Sohn Andreas leugnete dieses. Er, der früher zwar gebeten hatte, ihn, so möglich, nicht zur Überführung seines Vaters, hinsichtlich der mit ihm verübten Verbrechen, zu gebrauchen, dennoch aber, auf den äußersten Fall, sich bereit erklärt hatte, auch seinem Vater alles unter die Augen zu sagen; – er allein konnte sich nicht entschließen, seines Vaters wahren Nahmen anzugeben. Selbst als man ihm die Geständnisse seines Vaters vorhielt, leugnete er, dass dieser anders als Johann Wild heiße. Sein Vater selbst musste ihm sagen, dass er Peter Petry heiße. Er tat es, bat aber zugleich um Schonung für seinen Sohn, der nur geleugnet habe, weil er wisse, dass sein Geständnis notwendig seines, des Vaters, Leben koste. Der Sohn schrie laut auf, aus Schmerz, warf sich zur Erde und tobte und raste so heftig, dass man ihn nur mit der Äußersten Mühe zur Beruhigung bringen konnte. Auch dieser alte Verbrecher, dem es gelungen war, sich der längst verdienten Strafe zu entziehen, und, während Schinderhannes und der größte Theil seiner Schüler und alten Genossen verhaftet und verurteilt wurden, im Odenwalde unerkannt fortzuleben, – und selbst, nachdem sein eigener Ältester Sohn mit Schinderhannes verurteilt worden war, neue Verbrechen zu verüben und seinen zweiten Sohn Andreas zu gleichen Verbrechen anzuführen, – wurde nun der geeigneten K. K. Französischen Behörde zur Ablieferung angeboten und wird nun den langverdienten Lohn seiner höllischen Großtaten empfangen.

Gleiches Schicksal hatte mit ihm ein anderer Genosse des Schinderhannes, Martin Delis vulgo Zahnfranzen Martin, welcher eingefangen, von den Heidelberger Arrestanten erkannt wurde und nun ebenfalls der rächenden Strafe entgegen sieht.
Noch einige andere Genossen des Schinderhannes und seiner Gesellen wurden durch diese Untersuchung entdeckt, nämlich die in Darmstadt verhafteten Johann Adam Grasmann vulgo langer Samel, und Johann Adam Heußner vulgo dicker, oder Rother Hanna-Adam; die in Arnsberg verhafteten, Peter Heinrichs Hann-Adam und N. N. Gilbert.
Von diesen ist der Vorletzte, nämlich Peter Heinrichs Hann-Adam, eigentlich Johann Adam Hoffmann, in der Aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden dies und jenseits des Rheines, als einer der allergefährlichsten Genossen des Schinderhannes beschrieben. Er war wegen Pferdediebstählen zu Arnsberg verhaftet, saß dort mit einem gewissen Ludwig Lutz zwei und ein halb Jahre unter dem falschen Nahmen Johann Winter und wurde als solcher zu Erstehung der ihm zuerkannten, ihrem Umlauf nahen Zuchthausstrafe nach Marienschloß in der Wetterau abgeführt. Hier saß er, als von Heidelberg aus die Angabe seines wahren Nahmens einlangte. Er wurde nach Giesen gebracht, leugnete aber dort und konnte nicht überwiesen werden. Man sendete ihn nach Heidelberg, auch hier widerstand er lange allen Versuchen; endlich aber gelang es, ihn zum Geständnisse zu bringen, dass er Peter Heinrichs Hann-Adam sey; – und nun steht auch ihm der
lang verdiente Lohn seiner Verbrechen bevor.

Wir übergehen für jetzt die Aufzählung der weitern Entdeckungen und Verhaftungen, welche die Untersuchung herbei führte, indem wir weiter unten darauf zurückkommen werden, und wenden uns nun zur Erzählung des Raubmordes selbst, so wie ihn die übereinstimmende Erzählung der Mitschuldigen liefert.

Am 28ten April 1811 hatten sich Veit Krähmer mit den Seinigen und sein Gevattermann, Friederich Philipp Schütz mit den Seinen bei Milden unweit Strümpfelbronn im Odenwalde an einem gemeinschaftlichen Feuer aufgehalten; zu ihnen hatte sich der lange Andres auch gesellt und später kamen auch Köhlers Andres (Andreas Petri) und Basti (Sebastian Lutz) an diese Stelle. Sie plauderten eine Weile untereinander und kamen dann sogleich auf ihre gewöhnliche wechselseitige Frage: ob keiner etwas zu verdienen (zu rauben oder zu stehlen) wisse? der wußte dies, ein anderer jenes. Sie wurden über keinen einzelnen der gemachten Vorschläge einig und beschlossen daher gemeinsam, ohne dass sie sich bestimmt erinnern, wer die erste Idee dazu angab, auf gut Glück hinab auf die Bergstraße zu ziehen und dort eine Charette zu malochnen (eine Chaise anzugreifen) oder sonst etwas zu unternehmen, wozu sich Gelegenheit zeige. In demselben Augenblicke dieses hemeinschaftlichen Beschlusses kam auch Hölzerlips mit seiner Beischläferin zur Stelle. Der gefaßte Entschluß wurde ihm entdeckt, und er war sogleich von der Parthie.
Es wurde ein Schoppen Brandwein (das Lieblingsgetränk dieser Menschen) in einem Wirthshäuschen im nahen Höllengrunde geholt, und mit diesem Labsal versehen begann die Gesellschaft ihre Reise durch die steilsten und unwegsamsten Gebirge des Odenwaldes. Köhlers Andres und Basti hatten schon vor ihrem Abgang wacker geschnapst; sie geriethen unterwegs in Streit miteinander und zerkratzten und zerbläuten sich tüchtig; doch konnte diese kleine Differenz keine Störung des gemeinschaftlichen Zweckes erzeugen.
Es war tief in der Nacht, als die Gesellschaft bei Oberschönen-Mattenwaag vorüberzog. Der mitgenommene Brandwein war längst alle, und Durst plagte die Räuber. Ein Keller wurde erbrochen und daraus ein Hafen voll Milch und ein Krug Wein (mehr fand sich nicht) mitgenommen und getrunken. Erst am Morgen des 29ten Aprils kam die Gesellschaft auf dem sogenannten Juchhe Häuschen, oben auf dem Gebirge, an welchem Oberlaudenbach (auch noch im Gebirge) liegt, an. Dieses Häuschen wird von den Michael Fuhnischen Eheleuten, welche einige um dasselbe herumliegende Güterstücke besitzen, bewohnt. Beide Eheleute sind Kochem, das heißt: Vertraute der Räuber oder Diebsgenossen. Die Räuber waren hier willkommen, sie ließen sich Äpfelwein geben, Suppe kochen, Eier backen und labten sich damit für die Beschwerden des langen, mühsamen Marsches.
Basti unterhielt sie dabei mit allerlei kurzweiligen Sprüngen und Späßen. Ihr Geld reichte nicht, um die Zeche zu bezahlen, allein sie fanden willig Credit, als sie die Bezahlung bei der Rückkehr zusicherten. Sie hielten sich den Tag über im nahen Walde auf und stiegen – erst mit sinkendem Abend das Gebirge weiter herab, bis auf die Bergstraße, nachdem sie sich zuvor mannshohe
junge Buchen abgeschnitten und zu Prügeln zugerichtet hatten. Sie waren auf der Bergstraße, im Großherzoglich Hessischen Gebiete, postiert und warteten dort der Dinge, die da kommen sollten.
Nach langem Harren hörten sie das Gerassel einer kommenden Chaise. Alle stellten sich in Bereitschaft; die Chaise kam näher und schon sollte der Angriff geschehen, als sie entdeckten, dass eine zweite Chaise hart hinter der ersten nachkomme. Hölzerlips hielt sich und seine fünf Genossen nicht für zahlreich genug, die beiden Chaisen zugleich anzugreifen und untersagte den Angriff.
Die beiden Chaisen passierten glücklich vorüber. Es war die Dilisgence mit einem Beiwagen. Es kam in dieser Nacht nichts weiter und so zogen sich die Räuber, gegen Morgen, wieder in den Wald zurück. Hier verweilten sie bis zum 30ten April Abends, wo sie in einem kochemen Bayes (vertrauten Hause) zu Oberlaudenbach, bei der Wittib Geigerin, einkehrten. Hier fanden sie den in diesem Hause einheimischen großen Harzbuben (Georg Schmitt) welcher sie mit Brandwein regalirte, auch ihnen eine Bohnensuppe selbst kochte und Eier backen ließ. Sie eröffneten ihm ihr Vorhaben und luden ihn ein, Theil daran zu nehmen.
Schmitt, welcher entweder nicht beherzt genug zu einem Straßenraube war, oder Entdeckung befürchtete, weil er in dieser Gegend sehr bekannt war, schlug dieses aus, proponirte aber dagegen einen Diebstahl in der Mühle zu Mörlenbach, wozu er die Gelegenheit angab und wohin er mitziehen wollte. Der Vorschlag wurde, als zu wenig versprechend, verworfen. Nach eingebrochener Nacht verließen die Räuber Oberlaudenbach; Georg Schmitt zeigte ihnen den Weg auf den Theil der Bergstraße zwischen Hemsbach und Laudenbach, im Badischen, auf welchem sie sich nun, mit frischgeschnittenen, den vorigen gleichen, Prügeln versehen, postierten. Sie harrten lange, es kamen endlich zwei Fußgänger; einige verlangten, sie anzugreifen, andere widersetzten sich, weil sie zu geringe Beute vermuteten. Der Angriff unterblieb. Sie harrten bis nach Mitternacht, es zeigte sich nichts.
Die Räuber fühlten Hunger und beschlossen daher, in die Küche des Wirtshauses zu Unterlaudenbach (auf der Chaussee) einzubrechen, um dort Esswaren zu holen. Schon waren sie im Hofe dieses Wirtshauses, schon hatten sie den Einbruch begonnen, als der auf der Schmier (Schildwache) stehende Räuber rief: es kommt eine Charette! Alle verließen den Hof und liefen der durch Laudenbach kommenden Chaise auf der Chaussee nach Hemsbach zuvor. Veit Krähmer und Basti sollten den Pferden in die Zügel fallen; allein sie hatten dazu den Muth nicht, und widersetzten sich standhaft dem Antrage; nun entschloss sich Hölzerlips, der stärkste, zu diesem gefährlichen Geschäfte. Mit Leichtigkeit führte er, der schon so manchem Straßenraube beiwohnte, sein übernommenes Werk aus. Die Pferde waren angehalten, der Postillon erhielt vom langen Andres und auch von Andreas Wild einige Streiche und wurde gezwungen, abzusteigen und sich vorn zu den
Pferden zu stellen und diese selbst zu halten. Den beiden Reisenden war ihr Unglück im Schlafe gekommen. Sie waren schlafend bis zur Stelle des Angriffs gefahren worden und erwachten erst, nachdem Hölzerlips die Pferde gehalten hatte, während von den andern mit ihren Prügeln auf die Chaise selbst geschlagen wurde, um dadurch die Reisenden in Furcht zu setzen und zum Herausspringen zu zwingen. Dieser Zweck wurde schnell erreicht; die beiden Reisenden, aufgeschreckt aus ihrem sichern Schlummer, konnten sich im ersten Augenblicke nicht fassen, auch hätte ihnen alle Fassung wenig gefrommt, da sie unbewaffnet waren, und da auch die beste Bewaffnung, wie der weiter unten angeführt werdende Straßenraub bei Gelnhausen an zwei Französischen Offiziers zeigt, die Räuber nicht gehindert haben würde, ihre Absicht zu erreichen. Sie sprangen nach einander aus der Chaise, und erhielten, jeder, so wie er die Chaussee betrat, einen so kräftigen Schlag auf den Kopf, dass sie betäubt zu Boden stürzten. Zum Glücke für ihn, war die Betäubung, in welche Herr Hanshart verfiel, von längerer Dauer. Er erhielt zwar, selbst in diesem Zustande, noch einige Streiche, aber nur auf den Rücken. Herr Rieder erholte sich, als die Räuber ihm Geld und Uhr abnahmen; sogleich erhielt er vom langen Andres neue Streiche; er bat, wie selbst die übrigen Räuber angaben, um sein Leben, erbot sich, alles herzugeben, was er besitze, suchte durch die Angabe, dass er Vater von sechs Kindern sei, das Mitleid des Räubers rege zu machen. Umsonst, der lange Andres fuhr fort, ihn zu schlagen; – Rieder fing ihm, auf der Erde sitzend, den Stock auf; nun rief der lange Andres seine Kameraden zu Hilfe. Ehe sie aber ankamen, hatte er schon die geladene Pistole, welche er bei sich führte, hervorgezogen und schlug mit dem Kolben und Schloss derselben den armen, bejammernswerten Rieder so lange auf Kopf und Stirne, bis dieser den aufgefangenen Stock losließ und in neue Betäubung hinsank. Er wurde nun völlig ausgeplündert. Während dieser Misshandlung hatten Veit Krähmer und Manne Friederich, welcher letzte standhaft leugnet, geschlagen zu haben, obschon Andreas Petri eben so standhaft das Gegenteil behauptet, den Koffer, welcher hinten auf die angegriffene Chaise gepackt war, mit einem dazu eigens gefertigten, von ihnen mitgebrachten Instrumente erbrochen, wozu ihnen am Ende auch Hölzerlips noch half. Alles, was sich in dem Koffer befand, wurde geraubt, die Chaise selbst durchsucht, und dann zogen die Räuber, mit ihrer Beute beladen, wieder zurück in das Gebirge. An dem schon gedachten sogenannten Juchhe-: Häuschen hielten sie an, ließen sich, ohne jedoch in das Häuschen selbst zu gehen, Apfelwein reichen, bezahlten von dem geraubten Gelde ihren vorigen Zechrückstand, schenkten dem Wirthe eines der geraubten Halstücher und setzten dann ihren Weg tiefer in den Odenwald fort. Unterwegs teilten sie im Walde die Beute in sechs gleiche Theile und verlosten diese unter sich. Was sich nicht teilen ließ, wie z. B. die Uhren, Ringe u. d. gl., wurde unter ihnen versteigt, oder wie sie es nennen, von Einzelnen herausgekauft.

Schon am andern Abend waren sie wieder im Höllengrund, in der Gegend, aus welcher sie ausgegangen waren. Am 2ten May Morgens tranken sie im Wirtshause im Höllengrund Brandwein und nahmen dessen sehr viel zu sich. Einem Großherzoglich Hessischen Soldaten, waren diese Kerls und ihre Bündel verdächtig; er machte deshalb einige Bewohner des Höllengrundes auf sie aufmerksam, welche den Hölzerlips, Manne Friederich, Köhlers Andres und Basti, die das Wirtshaus zuerst verließen, anhielten, aber nur des Manne Friederichs habhaft wurden, welchen sie nach Zwingenberg an das Amt lieferten. Zugleich wurden auch die Bündel, welche die Räuber abgeworfen hatten, dorthin gebracht.
Manne Friederich konnte nicht leugnen, in der Gesellschaft der drei andern gewesen zu sein; wohl aber leugnete er, sie zu kennen, oder zu ihnen gehört zu haben. Er wollte bloß zufällig auf dem Wege mit ihnen zusammengekommen sein. Er hatte eines der geraubten feinen Hemden an, als er arretiert wurde; er fürchtete mit Recht, durch dasselbe verraten zu werden, er riss daher im Kerker sogleich den Chapeau und jenes Stückchen des Hemdes ab, auf welchem der Name des Eigentümers gezeichnet war und versteckte beides. Beide Stücke wurden entdeckt; obschon sie ihm
vorgehalten und er überwiesen wurde, dass sie an sein Hemd passten, so leugnete er dieses dennoch, gab aber wegen dem Hemde selbst an, er habe es von einem der drei Entflohenen gekauft und unterwegs, auf freiem Felde, sogleich angezogen. Alle Mühe des Beamten war vergebens, er beharrte bei seinem Leugnen; bis er endlich, wie wir bereits wissen, Gelegenheit fand, zu entfliehen.
Über die Art seiner Flucht war von ihm kein offenes Geständnis zu erhalten; und man gerät wirklich in Versuchung, darin einen edlen Zug zu bewundern, wenn wirklich bloß Dankbarkeit und nicht Furcht, in künftigen, ähnlichen Fällen auf eine Befreiung hoffen zu dürfen, ihn zurückhielt, offen zu bekennen: wer ihn befreit habe. Dass ihm das Gefängnis von außen geöffnet, dass ihm von seinem Befreier der Weg zum Ort hinausgezeigt und ihm noch etwas Brandwein mit auf den Weg gegeben worden sei, bekannte er; standhaft aber versicherte er, dass er seinen Befreier nicht kenne, und war durchaus durch keine Vorstellung von dieser Versicherung abzubringen. Seine und der Übrigen später erfolgte Wiedereinfangung ist schon bekannt.

Die Entdeckungen, zu welchen die Geständnisse der Räuber führten, waren von großem Umfange; sie wurden allen benachbarten Behörden mitgeteilt, und alle fühlten gleich lebhaft, dass nur die energischsten Maßregeln vermögend seien, zur völligen Entdeckung dieser so höchst gefährlichen Bande in ihrer ganzen Ramification, und zu Vertilgung ihrer Schlupfwinkel beizutragen; alle ergriffen auch mit gleicher Bereitwilligkeit, mit gleichem Eifer, diese Maßregeln; und vorzüglich diesem, sonst so seltenen, rastlos tätigen Zusammengreifen ist es zuzuschreiben, dass die Untersuchung jene Resultate liefern konnte, welche sie wirklich lieferte. Die Großherzoglich Hessische Regierung zu Darmstadt überzeugte sich, dass es all ihrer Sorgfalt nicht gelingen könne, ihren Antheil am Odenwalde von Räubern frei zu halten, wenn nicht zuvor ihre Schlupfwinkel, die Kocheme Bayes (vertraute Häuser) entdeckt und für die Folge unbrauchbar für die Räuber gemacht würden. Sie wendete daher ihr Augenmerk vorzüglich hierauf. Das Amt Heppenheim musste sich selbst nach Heidelberg begeben, um dort die vorgedachten Fuhnischen Eheleute ihrer Teilnahme überweisen zu lassen. Diese Überweisung erfolgte sowohl hinsichtlich der Fuhnischen Eheleute, als hinsichtlich der Wittwe Geigerin zu Oberlaudenbach, und hatte zur Folge, dass schon im Julius die ersten zu 1 ½, die letzte zu 5jähriger Zuchthausstrafe, verdammt wurden; damit noch nicht zufrieden, sendete diese Regierung auch den Herrn Kriminalrichter Brill von Darmstadt nach Heidelberg ab, damit er dort sich nähere Notizen sammle. Er unterzog sich mit Eifer und Fleiß diesem Auftrage, fand in Heidelberg die willigste Unterstützung, und bei den Räubern selbst die offenste Freimütigkeit. Er kehrte mit reicher Ernte nach Darmstadt zurück und begann dort sogleich seine Untersuchungen, sowohl gegen die verschiedenen Diebshehler, als gegen die in Darmstadt verhafteten, bisher geleugnet habenden Mitschuldigen; welche keine andere als günstige Erfolge für die allgemeine Sicherheit liefern können.

Auch im Badischen Lande, namentlich zu Kreuzsteinach, Strümpfelbronn und Milden, wurden solche Diebshehler und Käufer geraubter Sachen entdeckt, zur Untersuchung gezogen und verhaftet. Auch sie wird die wohlverdiente Strafe treffen, und hoffentlich dazu dienen, sie von ferneren Vergehen und Andere von Nachahmung abzuhalten. Die Verfügung, welche das Großherzoglich Badische Ministerium traf, dass alle und jede im Lande eingefangen werdende Vaganten nach Heidelberg und Mannheim eingeliefert werden sollten, um den dort bereits Verhafteten vorgestellt zu werden, hatte die heilsamsten Folgen, indem dadurch eine Menge sogenannter Fallenmacher (falsche Spieler) Stappler (Steifbettler und falsche Collectanten) auch wirkliche Schupper (Diebe) entdeckt und zur Bestrafung reif gemacht wurden. So wurde unter andern der sogenannte stumpfarmige Zimmermann, Philipp Müller, und nach und nach seine ganze zahlreiche Familie verhaftet, welche sich, ohne festen Wohnsitz, ohne einen bestimmten, ergiebigen Nahrungszweig, im Badischen und Darmstädtischen Odenwalde schon seit langen Jahren herumtrieb. Der Alte hatte früher unterm Pfälzischen Militär, als Pionier gedient, hatte später seinen Arm durch einen unglücklichen Fall, beim Arbeiten auf seiner Profession, strupirt erhalten und zog nun, seit langen Jahren, von Ort zu Ort, mit einem Kasten voll Meerschweinchen umher, welche er ums Geld sehen ließ, während dem seine Frau und Töchter durch Verfertigung von Tragringen etwas Weniges zu
verdienen suchten. Ein Verbrechen war von ihm nicht bekannt; die verhafteten Räuber versicherten einstimmig, dass er weder Räuber, noch Dieb, noch Baldowerer (Ausspäher und Angeber der Gelegenheiten zu Raub und Diebstahl) sei. Ihm lag also damals nichts zur Last, als sein Vagantenleben. Er wusste für dieses manche Entschuldigung anzuführen. Geboren in einem Darmstädtischen rein lutherischen Orte, war er als kleiner Knabe seinem Vater, angeblich wegen der Härte seiner Stiefmutter gegen ihn, entlaufen; er diente als Schweinhirtenjunge in verschiedenen Orten. Ein bemittelter Zimmermann aus Mannheim fand ihn in diesem Zustande, nahm sich seiner an, ließ ihn im Waisenhause zu Mannheim erziehen und lernte ihn seine Profession.
Nun war er aber in jenem Waisenhause katholisch erzogen worden; dieses und sein nachheriger langer Dienst unterm Pfälzischen Militär hinderten ihn, nachdem er strupirt war, in seinem Geburtsorte Unterkunft zu finden; auch fehlte es ihm, da er nicht mehr arbeiten konnte, an Mitteln, sich in einem festen Wohnsitze zu ernähren. Wenn man einmal meine Meerschweinchen in einem Orte gesehen hat, so ist dort auf geraume Zeit kein Verdienst mehr für mich, und haben meine Weibsleute, so sagte er, einmal ein Dorf mit neuen Tragringen versehen, so ist dort auf lange Zeit für uns nichts zu tun. Unser Gewerb macht also einen steten Wandel unumgänglich nötig. Wollten wir es von einem festen Punkt aus betreiben, so würden die Reisen zu groß werden, auch jener feste Sitz allen Zweck für uns verlieren; denn wer sollte die Kinder besorgen, wann ich mit meinen Schweinchen, meine Frau mit den Ringen umherzöge? In einem festen Wohnsitze müsste ich herrschaftliche Abgaben geben, Wachen und Frohnden leisten, Hausmiete bezahlen; alles dieses fällt bei meinem wandernden Leben hinweg. Und meine Kinder würde ich in stetem Wohnsitze überdies auch nicht ernähren können; so aber fehlt dieses nicht. Klagt eines Hunger, so hänge ich ihm ein Bandelier Tragringe um und schicke ihn in das nächste Dorf; kauft man ihm nichts ab, so gibt man doch dem Kinde ein Stück Brot, und handelt man ihm den Kreuzer, welchen es mehr zu fordern angewiesen ist, ab, so bedingt es sich dagegen ein Stück Brot, welches man ihm willig gibt, und sein Hunger ist gestillt, oft auch der seiner Geschwister und Eltern, wenn es gut geht. Also der stumpfarmige Zimmermann; – und was lässt sich wohl gegen seine praktische Lebensphilosophie einwenden, so lange für Menschen seiner Art nicht auf andere Weise gesorgt ist? – und seiner Art Menschen gibt es so viele!
Seine Unbescholtenheit und seine selbst angegebene Kenntnis der Schlupfwinkel der Räuber, unter welche er selbst seinen eigenen Tochtermann Stephan Heußner, vulgo langbeiniger Steffen, zählte, welche er bei seinem steten Umherziehen, auf den Feuerplätzen, in den Herbergen, auf den Kirmsen und Märkten, erlangen musste, schienen es nicht zu missraten, den Versuch zu machen: ob er nicht, nach seinem Erbieten, zum Einfangen der Gauner gebraucht werden könne. Höheren Orts wurde diese Idee genehmigt, und jedoch mit vieler Vorsicht ausgeführt, da es eine erprobte Wahrheit ist, dass dergleichen sogenannte Fleischmänner zwar Bettler und sonstiges Gesindel einfangen, dagegen aber die wahren Räuber und Diebe nicht nur laufen lassen, sondern ihnen sogar noch die Maßregeln der Polizei verraten, entweder aus Furcht für ihre eigene Sicherheit, oder aus Furcht, dass dann auch frühere, von ihnen verübte, noch unentdeckte Verbrechen verraten werden möchten, oder um für ihr Schweigen gegen die Obrigkeit und ihren Verrat an die Räuber von diesen Belohnung zu erhalten. Müller brachte zwar von verschiedenen Orten vielerlei Menschen ein, die alle Vaganten, aber auch weiter nichts waren. Er ließ dann mehrere Wochen über nichts von sich hören, obschon er große Versprechungen gemacht hatte. Nun erfolgte aber plötzlich von einem andern sogenannten Fleischmann, (welchen man von jenseits Rheins hatte kommen lassen, um durch ihn zu erforschen, er sich unter den Verhafteten keine Glieder der jüngsten Überrheinischen Anton Keilischen Räuberbande befänden;) die Angabe, dass Müller, wenigstens die Seinigen, mehrere Verbrechen verübt hätten; und so wurde er dann wieder eingezogen und eine besondere Untersuchung gegen ihn und seine Familie vorgekehrt, welche jedoch nur wenig bedeutende Resultate lieferte.
Philipp Müller hatte selbst seinen Tochtermann, Stephan Heußner, als einen höchstgefährlichen Räuber denuncirt; er selbst hatte dessen Frau, seine eigene Tochter, in Eberbach, wohin er gesendet worden war, recognoscirt. Nun wurde dieser Stephan Heußner selbst eingebracht. Er war schon in den ersten Tagen des Monats May, kurz nach dem Dürrfleischdiebstahle zu Igelsbach, wovon weiter unten die Rede sein wird, mit dem kleinen Johann zu Hüngheim, wohin beide ihren Antheil gestohlenen Fleisches verkauft hatten, arretiert worden. Er nannte sich in seinen Verhören Stephan Müller, und gab vor, aus dem Kaiserlichen zu sein. Bei allem dem aber hatte er die Unvorsichtigkeit, den Namen seiner Frau und die Familienverhältnisse derselben und den Ort seiner Trauung richtig anzugeben. Der kleine Johann hatte seinen Nahmen Johann Adam Treber, (wenn es anders sein wahrer Name ist) richtig angegeben, und stimmte auch hinsichtlich seiner sonstigen Verhältnisse mit dem überein, was seine in Heidelberg verhaftete Frau, Caroline, geborene Höhnin, davon angegeben hatte. Einzig der, höheren Orts auch scharf gerügten, Oberflächlichkeit der gegen diese beide schweren Verbrecher geführten Untersuchung, ist es zuzuschreiben, dass beiden es gelang, trotz aller Ausschreibung ihrer richtigen Signalements, unentdeckt zu bleiben und dass sie bloß als Vaganten zu sechsmonatlicher Arbeitshausstrafe verurteilt wurden. So oberflächlich die gegen beide geführte Untersuchung war, so nachlässig war auch die Art, womit ihr Transport nach Bruchsal in das Arbeitshaus bewerkstelligt wurde. Ein einziger Begleiter wurde dem Bauern, welcher beide auf seinem Karren führte, mitgegeben. Die Folge war, dass beide Arrestanten zwischen Schefflenz und Mosbach, während eines heftigen Hagelwetters, den Augenblick benutzten, in welchem ihr Begleiter seine Flinte in dem Büchsenranzen gegen die Nässe zu schützen suchte, um diesen selbst anzugreifen. Sie sprangen zugleich vom Karren und schlugen den Begleiter mit ihren Handschellen zu Boden. Er war bereits ohne Besinnung, als der Fuhrmann sich ermannte, mit einem Steine dem langbeinigen Steffen neun Kopfwunden schlug, von welchner, ohne Bewusstsein, niedersank, dann dem kleinen Johann das Gewehr, welches er dem Begleiter abgenommen hatte, entwand und es auf ihn selbst losdrückte. Es versagte. So entkam der kleine Johann. Der Stephan Heußner wurde, nachdem er in Mosbach verbunden worden war, nach Bruchsal abgeliefert. Dort saß er ruhig und spann geduldig, als Stephan Müller, seine Wolle, bis man in Heidelberg, durch das Amt Eberbach, Nachricht von jenem Transporte erhielt, Verdacht schöpfte und ihn nach Heidelberg kommen ließ. Er wurde sogleich von allen seinen Konsorten und der Familie seiner Frau anerkannt. Er selbst beharrte, dessen unbewusst, bei seinem angenommenen Nahmen Müller und seinen sonstigen Angaben. Als ihm aber schnell nach einander, alle seine in Heidelberg verhafteten Konsorten und Verwandten vorgestellt wurden, verlor er die Fassung so sehr, dass er in demselben Verhöre alle seine Verbrechen, wenigstens alle bekannte, deren Zahl bedeutend war, und noch darüber einbekannte. Seine Geständnisse hatten wesentlichen Einfluss auf das Ganze der Untersuchung, indem sie dazu dienten, seinen schon seit langer Zeit in Darmstadt verhafteten Bruder Johann Adam Heußner, vulgo dicken oder Rothen Hannadam, ebenfalls zum Geständnisse zu bringen, wozu ihn bisher nichts bewegen konnte. Stephan Heußner wurde, so wie sein Bekenntnis abgelegt war, auch in seinem ganzen übrigen Benehmen offener und freundlicher; er verriet zwar bei den Zusammenstellungen mit den Übrigen, nicht die Frechheit, nicht jenen Mutwillen, womit diese jede Nachsicht des untersuchenden Richters benutzten, um sich an alte Späße zu erinnern, einander zu necken oder zu Ängstigen; aber er wurde doch manchmal auch ganz munter und launig. In dieser guten Stimmung hatte er am 3oten August Abends spät das Verhör verlassen. In dieser guten Stimmung hatte ihn der Gefangenwärter noch am 31ten August Vormittags 10 Uhr gefunden; als ihm aber einige Stunden später das Mittagessen gebracht werden sollte, wurde er erhängt gefunden. Er hatte sich mit seinem Halstuche an das Gitter seines Kerkerfensters gehängt. Es wurden alle nur mögliche Wiederbelebungsversuche angestellt, aber es war zu spät.

Wenn ihn nicht die Furcht zur Überweisung seines Bruders gebraucht zu werden, und von diesem Vorwürfe über seine Geständnisse zu erhalten; oder die Furcht, seine wieder zu Haften gekommene Frau werde noch weitere Verbrechen gegen ihn angeben, zum Selbstmorde bestimmt hat; so kann derselbe lediglich in folgendem vorhergegangenen Ereignisse seinen Grund haben: der mit den bereits verhafteten Verbrechern auch mehrere Diebstähle verübt habende Peter Eichler, vulgo Hainstadter Peter, ein äußerst gefährlicher Gauner, welcher in der Gegend von Boxberg so bekannt und gefürchtet war, wie der schwarze Peter im Sohnwalde, und wirklich auch zu seinem Verdrusse, in jener Gegend der schwarze Peter genannt wurde, war, wegen eines mit Mord verknüpften Straßenraubs, welchen er gemeinschaftlich mit einem jungen Weibsbilde verübt hatte, zu Boxberg eingefangen worden.
Die Kunde davon kam nach Heidelberg, und seine Ablieferung dahin wurde verlangt; ehe diese ankam, war aber Eichler schon nach Mannheim abgeliefert, weil er mit einigen, schon in früheren Jahren dorthin gelieferten, Verbrechern zusammenhing. Dieser Peter Eichler, aus Hainstadt unweit Boxberg, hatte sich in Boxberg Anton König aus Wien genannt, und war, trotz allen gegen ihn aufgebrachten Beweisen, bei dieser Behauptung geblieben. Er erhielt, da nichts seine Frechheit beugen konnte, Schläge, er widerstand, – er wurde enger und enger geschlossen, er hielt es aus; es wurden ihm Daumenschrauben angelegt, er blieb bei seiner Behauptung: er heiße Anton König und seye aus Wien gebürtig, welches er erst vor wenigen Monaten verlassen habe.
Auch in Mannheim beharrte dieser Bösewicht bei diesem seinem Vorgeben; weder die Confrontation der mit ihm verhafteten Weibsperson, welche seinen wahren Nahmen angab, noch die Vorstellungen und Ermahnungen des untersuchenden Beamten konnten seinen Starrsinn beugen. Es sollte daher ein anderer Versuch gegen ihn gemacht; er sollte mit seinen in Heidelberg einsitzenden Raubgenossen; er sollte demnächst mit acht Einwohnern von Neckarschwarzach, wo er vor kurzer Zeit noch anderthalb Jahr lang als Peter Eichler im Arrest war, confrontirt; – es sollte ihm noch sogar das Amt Neckarschwarzach selbst vorgestellt werden, um ihn, wenn er es soweit kommen ließ, als Peter Eichler anzuerkennen. Zu diesem Ende wurden den 28ten August mehrere Heidelberger Arrestanten und unter diesen auch Stephan Heußner, nach Mannheim gebracht. Die Confrontation mit Peter Eichler erfolgte, blieb aber fruchtlos. Er trotzte den ihm entgegengestellten Verbrechern mit frecher Stirne. Er verhöhnte durch unbeschreibliche Kälte die acht Neckarschwarzacher Einwohner, welche ihm unter das Gesicht sagten, dass er Peter Eichler sei, und worunter sich der Gefangenwärter, welcher ihn achtzehn Monate lang täglich im Gefängnisse gesehen; der Amtsdiener, welcher ihn so oft zum Verhöre geführt; der Amtschirurg, welcher ihn bei neun Monate lang als krank im Kerker behandelt hatte, befanden. Sie beschworen in seiner Gegenwart, in der Zuchthauskirche, dass er Peter Eichler und anderthalb Jahr zu Neckarschwarzach verhaftet gewesen seye; er leugnete beides. Ebenso trotzte er dem Beamten von Neckarschwarzach und seinem Actuar,
welche ihn gleichmäßig als Peter Eichler erkannten. Als ihn der Beamte daran erinnerte, dass er auch in Neckarschwarzach im Anfange, Peter Eichler zu sein, geleugnet, es aber endlich dennoch einbekannt, zugleich aber im Verhöre sich den kleinen Zahn, welcher ihm zwischen den zwei oberen vordern Schneidezähnen saß, ausgebrochen und ihn in die Stube geworfen habe, damit er durch diesen Zahn nicht mehr signalisiert und verraten werde, schlich sich, gleich einem vorübergleitenden Traumgesichte, ein kaum merkbares selbstgefälliges Lächeln über den Äußersten Rand seiner Unterlippe; doch zog sich diese sogleich wieder in tiefen Ernst zusammen, und er erklärte: er wisse von allem dem nichts, er wisse nicht, wo Neckarschwarzach liege; er heiße Anton König und sei aus Wien. Er musste den Mund öffnen, – die Lücke von dem ausgebrochenen kleinen Zahne zeigte sich. Auf die ihm darüber gemachte Bemerkung erklärte er, wenn alle Leute, welche Zahnlücken hätten, Spitzbuben sein müssten, dann gäbe es viele Spitzbuben in der Welt. Er Äußerte dabei, was man praktisch schon gar oft erfahren, vielleicht aber noch nie so offen und deutlich aus dem Munde eines Gauners gehört hat, und die höchste Rücksicht verdient, indem es den klarsten Beweis liefert, dass, so barbarisch es auch in den Ohren sentimentaler Criminalisten klingen mag, – nur die Todesstrafe allein diese Menschenklasse von Verbrechen abschrecken könne, das Zuchthaus aber nichts anderes für sie sei, als das zwar gefürchtete, aber wenn es sein muss, doch willkommene und erwartete Asyl für ihre alten Tage. Er äußerte nämlich dabei, man solle nicht glauben, dass er leugne,
Peter Eichler zu sein, um aus dem Zuchthause zu kommen; das wolle er keineswegs, es könne sich bei ihm niemand einen größeren Undank verdienen, als der, welcher ihn aus dem Zuchthause entlasse. Er erkläre freimütig, dass er lebenslänglich darin bleiben wolle. Was hat das Leben im Freien, fuhr er zu reden fort, für mich für einen Wert, bei den jetzigen strengen Anstalten? In keinem Orte werde ich geduldet, als höchstens über Nacht und das kaum über den dritten oder vierten Tag einmal, je nachdem die Ortsvorstände strenger oder nachsichtiger sind. Ich muss also täglich wandern, ohne zu wissen, wo ich Abends meinen Kopf hinlege; ich kann, eben weil ich täglich wandern muss, nichts verdienen; ich habe also auch weder etwas zum Leben, noch Geld um mich kleiden zu können; ich muß also betteln oder stehlen; beim ersten bekomme ich oft kaum einen Bissen alten Brotes, um mich gegen den Hungertod zu schützen; und wann ich mich zu letzterem entschlossen hätte, so würde ich durch innere Angst und Äußere Verfolgung noch mehr gelitten haben. Diesem allem bin ich im Zuchthaus überhoben. Ich bin zwar gefesselt, allein daran gewöhnt man sich; ich darf nicht umherlaufen, das ist mir gerade recht, ich bin des Laufens müde; die Kost ist, sagt man, schlecht, – allein sie ist immer besser, als ich sie, wenige Fälle ausgenommen, im Freien hatte, und ich brauche sie so wenig, als meinen Trunk, zu suchen oder zu erbetteln; man bringt mir bei des täglich zu richtiger Zeit; ich liege zwar auf Stroh, aber lag ich in der Freiheit weicher? Oft hatte ich nicht einmal Stroh oder Heu zum Liegen; oft, sehr oft musste ich unter freiem Himmel auf harter Erde, bei Regen und Kälte liegen. Hier bin ich gegen beides geschützt, und darf mir meine Lagerstätte nicht erst erbetteln, die Nacht nicht in Angst, aufgegriffen, misshandelt und von Kerker zu Kerker geschleppt zu werden, zubringen.
Diese Philosophie des Peter Eichler scheint nicht ganz nach dem Geschmacke des noch jungen und rüstigen Stephan Heußner gewesen zu sein; vielmehr scheint gerade die gemachte Bekanntschaft – mit dem Innern des Mannheimer Zuchthauses ihn zum Selbstmord bestimmt, wenigstens zu dieser Bestimmung nebst den obgedachten andern Motiven mitgewirkt zu haben. Er konnte nach dem, was er von seinen Mitgefangenen hörte, und nach dem, was er sich selbst bewusst war, auf nichts anderes rechnen, als, im glücklichsten Falle, auf lebenslängliche, oder doch langjährige Zuchthausstrafe in Mannheim. Er hatte sich, da er nicht wie Peter Eichler mit allen Leiden eines harten und langwierigen Arrestes schon vertraut, sondern noch ein Neuling in allem diesem und zum ersten Male im längeren schweren Arreste war, wahrscheinlich das Zuchthaus mit leichteren Farben gemalt und sich dasselbe wenigstens nicht schlimmer, als das Arbeitshaus zu Bruchsal gedacht; nun war er aber mit dem Innern jenes Hauses bekannt geworden, er hatte die Blockzimmer, die festen Geschliesse, die vielen Ketten, Sprenger und Kugeln gesehen; und sich dabei höchstwahrscheinlich die Idee gemacht, jeder Züchtling bleibe in Mannheim beständig eingesperrt, so wie er es am Tage seines Dortseins war; wodurch begreiflicher Weise das Bild der seiner harrenden Zukunft im schwärzesten Schatten vor seiner Seele erscheinen musste. Dass der Anblick des Innern des Mannheimer Zuchthauses einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht habe, verriet er selbst teils durch die dringende ängstliche Bitte an den in Mannheim anwesenden Heidelberger Richter, ihn doch ja wieder nach Heidelberg mitzunehmen, teils durch das Vergnügen, welches er am folgenden Tage, sowohl gegen diesen Richter, als gegen seine Mitschuldigen, über die erhaltene Gewährung jener Bitte Äußerte. Doch scheint, wie schon gesagt, zugleich auch die Furcht weiterer Entdeckungen gegen ihn mitgewirkt zu haben, indem er dem Andreas Petri, wie dieser jedoch erst nach Heußners Tod angab, auf dem Rückwege von Mannheim eröffnete: er habe noch sieben bis jetzt unentdeckte Straßenräubereien auf sich. Er hatte sich in seinem Gefängnisse ruhig betragen und besonders in den letzten Tagen vor seinem Tode anhaltend, laut und bis spät in die Nacht gebetet. Sein Leichnam wurde, auf Befehl des Großherzoglichen Hofgerichtes zu Mannheim, in das anatomische Theater abgeliefert.

Schon früher als Stephan Heußner, war der auch zu der Räuberbande gehörige, berüchtigte Matheus Oesterlein von Sindolfingen vulgo Krämermathes, von dem Amte Buchen, wo er zu Haften gekommen war, nach Heidelberg eingeliefert worden. Auch er versuchte zwar, seine Verbrechen zu verschweigen, doch leistete er nur schwachen Widerstand, indem er sogleich im ersten Verhöre zu einem beinahe ganz vollständigen Einbekenntnisse aller gegen ihn angegebenen Verbrechen überging; und dieser Freimütigkeit blieb er auch in der Folge getreu. Hartnäckiger zeigten sich und blieben auch in der Folge die vier sogenannten Frankfurter Karlsbuben, Söhne eines zu der vor achtzehn Jahren die Gegend von Heidelberg, Speier, Grünstadt, Worms u. s. w. unsicher gemacht habenden Johann Rangischen Diebsrotte gehört habenden Gauners, gewöhnlich der Frankfurter Karl genannt. Hier zeigt sich der offenste Beweis, dass sich unter dieser Menschenklasse die Verbrechen von Generation zu Generation fortpflanzen, und dass folglich die Gefahr für das Allgemeine sich in eben der Progression vervielfältigt, in welcher die ohnedies wuchernde Generation in der Gaunerwelt zunimmt; insofern nicht durch energische, nicht bloß für den jedesmaligen Augenblick, sondern für eine längere Reihenfolge von Jahren berechnete, zusammengreifende Maßregeln mehrerer Staaten Mittel angewendet werden, welche, sobald man ernstlich will, gar leicht gefunden werden können, deren Aufzählung aber nicht in den Plan der gegenwärtigen Schrift gehört. So wie in den Kindern der Gauner der Keim neuer Räuberbanden fortgepflanzt und entwickelt wird; eben so erhalten diese sich neu bildenden Banden durch den Zutritt versprengter Glieder Älterer Banden mehr Consistenz, und größere Praktik. Ohne den Zutritt der versprengten Glieder der Niederländer Räuberbanden, der Consorten von Schinderhannes und Damian Hessel würden unter den diesseits Rheinischen Gaunern, welche sich vorher gewöhnlich nur auf nächtliche Einbrüche und Marktdiebstähle beschränkt hatten, das Strahlenkehren (Straßenrauben) Laatschen fezen (Plündern der Güterwagen) und Kassne malochnen (Einbrechen mit offener, lauter Gewalt, durch den Thran – oder Rennbaum) nie an die Tagesordnung gekommen – sein. Selbst Schinderhannes würde ohne den
schwarzen Peter und andere alte Räuber seine verruchte Celebrität nicht erreicht haben. Der zu seiner Bande gehört habende, mit ihm guillotinirte Franz Bayer, vulgo scheeler Franz, war schon vor achtzehn Jahren eines der gefährlichsten Mitglieder der Rangischen Bande, wozu auch der unter der jüngsten Anton Keilischen Bande paradirende Theodor Daniel Mayer, vulgo Schwabendaniel, gehört hat. –
Die vier Frankfurter Karlsbuben erscheinen um deswillen als gefährlichere Räuber, weil sie mit Beinahme ihrer Schwäger, des rothen Christian und Franz Vetter, eine eigene Räuberfamilie bildeten, welche kräftig genug war, ohne fremde Beihilfe Verbrechen auszuführen; wodurch sie gegen Verrat um so gesicherter waren, da sie gemeinschaftliche Familienverhältnisse banden, und also ihr öfteres Beisammensein keinen Verdacht gegen sie erregen konnte. Überdies hatten sich zwei von ihnen als Feldhüter feste Wohnsitze erworben, in welchen sie, da sie tief im Odenwäldischen Gebirge isoliert lagen, nicht beobachtet werden konnten, und auf welchen sie, selbst wenn ihre nächtliche Abwesenheit bemerkt worden wäre, sich ganz füglich damit entschuldigen konnten, dass sie ihrem Dienste, als Hüter der Haidekornfelder gegen das Wild,nachgegangen seyen.

Der Älteste von ihnen Joseph Jacobi, Stiefbruder der Übrigen wurde vom Amte Zwingenberg, der zweite Balthasar gleichfalls vom Amte Zwingenberg, der dritte Bernhard vom Amte Reichelsheim und der jüngste Friederich vom Amte Neckarschwarzach nach Heidelberg eingeliefert. Joseph hatte, so wie Friederich seine Brüder abgeleugnet, Bernhard nur den Joseph, Balthasar hingegen hatte sie alle anerkannt. Die hieraus sich bildenden Widersprüche dienten zwar freilich dazu, sie sämtlich noch verdächtiger zu machen, als sie durch die Übrigen gegen sie vorliegenden Angaben schon waren, allein zu einem offenen Geständnisse ihrer Vergehen waren sämtliche nicht zu bewegen.
Nur dann bekannten sie, wenn keine weitere Ausflucht mehr möglich schien. Hatte aber auch der eine Bruder bekannt, so leugneten die Andern wieder und waren nur dann zum Geständnisse zu bringen, wenn sie aus dem eigenen Munde des bekannt habenden Bruders dessen Eingeständnis vernahmen; weder die Versicherungen des Richters, dass der Bruder gestanden habe, noch die Aus-
sagen der andern mit ihnen confrontirten Räuber vermochten etwas über sie.

Nun war auch Johann Bauer, vulgo der Schefflenzer Bube, von Aschaffenburg nach Heidelberg geliefert worden und die Untersuchung richtete sich nun auch gegen diesen. Sie war um so leichter und schneller beendigt, weil Bauer schon in Aschaffenburg frühere Vergehen, wegen welcher er zu Haften gekommen war, eingestanden hatte, und in Heidelberg nicht zögerte, auch das, was weiter gegen ihn angezeigt war, einzubekennen.

Mit nicht ganz gleicher Ergebenheit in sein Schicksal bekannte auch der später noch von dem Amte Buchen nebst seinem 13jährigen, auch schon zum Marktdiebe gebildeten, Sohne eingelieferte Johann Adam Karr, vulgo strobelicher Adel, jene Vergehen, welche in Heidelberg gegen ihn angezeigt waren. Seinem Beispiele folgte der vom Amte Lauden später auch noch eingelieferte Johann Schulz, vulgo Vogelhannes. Der Verbrechen dieser beiden sind freilich nur wenige; wahrscheinlich aber nicht darum, weil sie nur wenige begangen haben, denn sie scheinen, besonders der erste, alte praktische Gauner zu sein; sondern nur darum, weil sie mit den andern in Heidelberg einsitzenden Gaunern nur ganz kurze Zeit in Berührung gestanden hatten. Sie gehörten nämlich nie zu der Bande, welche in den Gegenden des Odenwaldes hauste, sondern zu einer andern, welche an der Grenze des vormals fränkischen Kreises ihr Wesen oder vielmehr ihr Unwesen trieb; und die Berührung und Geschäftsverbindung einzelner Mitglieder der Odenwälder Bande mit jener, wozu sie gehörten, war nur die Folge einer momentanen Versprengung der Odenwälder aus ihrem gewöhnlichen Sprengel; auch war es gegen die Absicht jener Nomaden an der fränkischen Grenze, die versprengten Odenwälder in bleibende Verbindung mit sich zu ziehen; vielmehr kündigten sie denselben, nach ganz kurzer Zeit, die Gesellschaft auf und wiesen sie ernstlich an, dahin zurück zu kehren, woher sie gekommen seien, mit dem Beifügen „was hier oben zu machen ist, ist unser, und wir können es machen ohne Euch und bestätigten das mit die frühere Wahrnehmung des Verfassers, dass diese Menschen, so wie einst die verschiedenen Orden der Bettelmönche ihre eigene Provinz – Einteilungen zur Besteuerung der frommen Gläubigen hatten, ebenfalls ihre eigenen Sprengel gebildet haben, in welchen sie das ausschließende Recht zu Treibung ihres Räubergewerbes zu haben vermeinen, und in welchen sie den zu andern Sprengeln gehörigen Raubgenossen keinen oder doch nur kurzen Aufenthalt für besondere Notfälle gestatten. Wollten sich Räuber eines fremden Bezirks in einem andern Sprengel gegen den ausdrücklichen Willen der darauf ein erworbenes Recht ausraubenden Räuber, zu halten suchen, so würde ihnen dieses schon wegen der ihnen von allen Seiten und von allen Gliedern der einheimischen Bande bevorstehenden Gefahr wiederholter Misshandlungen und Angriffe auf ihr Leben beinahe unmöglich sein; wollten sie aber auch diesen Gefahren trotzen, oder wollten, oder könnten die einheimischen Räuber durch eigene Angriffe auf das Leben der Eingedrungenen jene nicht vertreiben, so finden sie gar leicht andere Mittel, sie zu verscheuchen. Es ist schon um deswillen solchen Eingedrungenen beinahe unmöglich, sich ohne den Willen der Einheimischen in einem fremden Sprengel zu halten, weil sie der Gegend unkundig sind, die Seitenwege, die Fußpfäde, Waldungen, Gebirgsschluchten u. s. w. nicht kennen, weil sie keine kocheme Bayes (vertraute Häuser) haben, in welchen sie für sich und das Geraubte Unterkunft finden, und weil es ihnen eben so an Kenntnis solcher Leute gebricht, an welche sie das Geraubte schnell und sicher absetzen können; wenn nun zu diesen ihnen schon im Wege stehenden Hindernissen sich noch die Gegenwirkungen der einheimischen Räuber gesellen, so sind jene offenbar verloren.
Solche Gegenwirkungen sind den einheimischen Räubern gar leicht ausführbar. Sie machen die ohnehin noch kein Vertrauen besitzenden fremden Räuber in den kochemen Bayes, und bei den Käufern gestohlener Waren, als Zikmer (Pursche, welche, wenn sie eingefangen werden, sogleich alles bekennen und verraten) verdächtig; sie spüren jenen Fremden nach, und wann diese im Begriffe sind, einen Raub oder Einbruch auszuführen, so kommen sie ihnen in demselben Locale oder in einem sehr nahen um eine oder einige Stunden zuvor, so dass, wann jene eben auf dem Marsche nach ihrem gesteckten Ziele sind, schon Lärm in der Gegend ist, und sie so den Streifern und Wachen in die Hände fallen müssen; oder sie verüben in der Nähe des Ortes, in welchem die Fremden mit ihren Familien herbergen oder in diesem Orte selbst einen Diebstahl, und zerstreuen einige gestohlene Effekten in der Nähe der Scheuer oder des Schopfen, worin jene liegen, oder wissen sie wohl gar selbst in diese Lagerstätte zu bringen, entfernen sich dann schnell wieder; und so sind jene am folgenden Morgen gewiss arretiert oder versprengt und auf jeden Fall auf lange Zeit aus dem Sprengel vertrieben. Alle diese Handwerksvorteile und ihre gefährlichen Folgen kennen sämtliche Räuber und darum wagt es auch nur selten einer, sich in einen fremden Sprengel einzudringen.
Ehe ich zu Beschreibung des Thun und Treibens dieser Menschen im Allgemeinen übergehe, finde ich es für zweckmäßiger, die von den in Heidelberg eingefangenen Räubern eingestandenen Verbrechen aufzuzählen, weil sich hieraus gar manche Notiz über ihre Taktik und ihre Lebensweise von selbst ergibt; um aber auch diese leichter begreiflich, und beurteilbarer zu liefern, sende ich eine kurze Schilderung der eingefangenen Räuber voraus. Ihre Biographien liefern wenig Interessantes, da sie sich meistens darauf reducieren: sie wurden von Gaunern geboren, zu Gaunern, erzogen und lebten als Gauner.