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Die Hessischen Räuber

Räuber im Odenwald und Umgebung

Schinderhannes

»Hölzerlips« und »Schinderhannes« gelten in der Odenwälder Region als die großen Räubergestalten, denen viele geschichtlich nicht beweisbare Taten vor rund 200 Jahren zugerechnet werden.

Aber nicht der Schinderhannes war es: Die wirklichen Odenwälder Räuberhauptmänner hießen um 1800 Johann Adam Grasmann und Johann Adam Heusner. Die Heimatforscherin und Autorin Ella Gieg hat jetzt ihre zusammengefassten Erkenntnisse auf Einladung des Höchster Vereins für Heimatgeschichte im Bürgerhaus vorgetragen. Die gut besuchte Veranstaltung zeugte vom Interesse, das die Odenwälder Räubergeschichten noch heute wecken: „Es war die Armut, die pure Not, die die Menschen damals dazu trieb”, erklärt Gieg die harten Verhältnisse im damaligen Odenwald. Mit dem Diebstahl aus Hunger habe es begonnen. Das Gebiet der Räuber erstreckte sich bis weit über den Odenwald hinaus: Beutezüge führten sie bis nach Mainz, Fulda, Würzburg und Heidelberg. Die Gesellen bildeten keine festen Banden, sondern trafen sich mehr oder weniger spontan zum meist nächtlichen Geschäft. Angeführt wird die Liste der Räuber im Odenwald vom „Langen Samel”, dem 1765 in der Bruchmühle (außerhalb Etzen-Gesäß in Richtung Bad König) geborenen Johann Adam Grasmann, und dessen Neffen, dem „Roten Hann-Adam”, der 1779 als Johann Adam Heusner in Mümling-Grumbach geboren wurde. „Roten Haaren”, betont die Forscherin, „sagte man damals nichts Gutes nach.”

Grasmann, zuvor Hirte und Korbmacher, war während seiner Räuberzeit mit einem Bauchladen unterwegs. Nach dem frühen Tod seiner Frau hatte er bis zu seinem Ende ein Verhältnis mit einer Elisabeth Müller. Heusner, ebenso Korbmacher, aber auch Tagelöhner und Zapfensammler, soll um 1800 mit Grasmann seine erste Straftat begangen haben.
Laut Taufurkunden hatte Heusner einen Sohn, der vermutlich früh starb, und eine Tochter, die später, elfjährig, nach Heusners Hinrichtung vom Darmstädter Richter C. F. Brill aufgenommen worden sei. Die Unterlagen jenes Richters und dessen Heidelberger Amtskollegen Ludwig Pfister dienten Ella Gieg als Hauptquellen für ihre Recherche. Um die beiden „Haupträuber”, wie Gieg sie bezeichnet, scharte sich eine ganze Horde weiterer Krimineller. Die Spitznamen jener Gesellen („Bürsten-Caspar”, „dicker Bub”) lassen erahnen, dass sie aus ärmlichen Verhältnissen stammten und oft körperlich gehandicapt waren.
Einer der schwersten Überfälle, der jener Rotte zugerechnet wird, ist der Raubüberfall im Rimhorner Pfarrhaus am 15. August 1803. Die Vermutung der Schinderhannes sei hier am Werk gewesen, sei widerlegt, so Gieg. „Wissentlich gemordet haben die Räuber nie,” betont die Forscherin, dennoch seien sie nicht zimperlich gewesen. Der misshandelte Pfarrer starb fünf Jahre später an den Folgen seiner Verletzungen. „Meistens wurden die Überfälle in Dörfern verübt, in denen sich einer der Räuber gut auskannte”, bemerkt Gieg. In Rimhorn sei es Heusner gewesen, der dort zuvor gewohnt hatte.
Das Diebesgut bestand oft nur aus Lebensmitteln, Branntwein, Geschirr oder Textilien, aber auch Schafe, Waffen und andere Wertgegenstände gestohlen. Allerdings, so Gieg, seien der Lange Samel und der Rote Hann-Adam keine Robin Hoods gewesen: „Die romantische Annahme, Arme würden für Arme stehlen, ist hier falsch.” Im Gegenteil seien oft arme Menschen die Opfer der Räuber geworden. Aus den Unterlagen der Richter sei zu erkennen, dass die beiden 41 Straftaten gemeinsam begangen haben sollen; 93 habe Grasmann, und 80 Heusner zusätzlich mit anderen begangen. Insgesamt also ein Register von 214 Delikten. Unterschlupf fanden die Räuber in der „Freiheit” bei Laudenau, heute ein Hotel, wo sich drei Grenzgebiete treffen. In jedem der Gebiete herrschte eine andere Polizeigewalt, was den Räubern zu Gute kam. Aufgrund ihrer Ortskenntnis konnten sie fern der Wege in kurzer Zeit unentdeckt auch große Entfernungen zu Fuß überwinden.

Dem Schinderhannes sei Heusner nur einmal begegnet, was in einer Prügelei endete. Der Rote Hann-Adam hatte keine gute Meinung von ihm: Der Schinderhannes sei ein großer Feigling gewesen. Heusner selbst wird vom Darmstädter Richter Brill als geständiger und sehr intelligenter Mann charakterisiert, man könne sich nur wundern, wieso er eine solche Laufbahn eingeschlagen habe. Insgesamt wurden zwischen 1803 und 1814 in der südhessischen Region 38 Menschen wegen Diebstahls, zumeist aus Hunger und Not, hingerichtet.

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Nach dem Vorbild des Schinderhannes haben sich im Odenwald aber auch andere Räuberbanden gebildet. Im Wald zwischen Billings und Nonrod, in der Nähe des “spitzen Steins” hatte sich eine Bande eine Höhle als Unterkunft ausgebaut und sich häuslich eingerichtet. Selbst der Ofen fehlte nicht. Von hier aus unternahmen die Räuber ihre Streifzüge in die nähere und weitere Umgebung.


Im Gebiet um Fulda und später weiter südlich, im Badischen gab es noch die sogenannte Hölzerlipsbande, die ihr Unwesen aber auch bis in unsere Gegend ausdehnte und die Freiheit bestens kannte. Bis die Bande 1814 zum Tode durch das Schwert verurteilt war, verübten sie über 130 Delikte, darunter 43 Überfälle. Die Delikte bestanden meistens im Einstoßen eines Hausgefachs und dem Ausrauben der Speisekammer und etwaiger Wertgegenstände. Stellte sich ihnen jemand in den Weg, bekam er meistens arge Schläge. Beliebtes Ziel der Ganoven waren Mühlen, Bauernhöfe und fahrende Händler. Nach solchen Raubzügen, die oft mehrere Tage dauerten, traf man sich in der Freiheit. Dort wurde das Diebesgut in der Weise verteilt, daß die Tochter des Hauses sich auf einen Stuhl stellte und den jeweiligen Empfänger der Stücke ausrief. Die damaligen Wirtsleute hatten ihren Vorteil darin, daß die Halunken sich nach einem erfolgreichen Beutezug äußerst freigiebig zeigten und ausgiebige Gelage feierten.