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Geschichtserzählung

Der Post-Raub in der Subach begangen von acht Straßenräubern von denen fünf am siebenten October 1824 zu Gießen durch das Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht worden sind – Carl Franz, 1825

Im Herbste 1821 mähte Jacob Geiz einstens in der Nähe von Biedenkopf die Wiese des Herrn Posthalters Stapp daselbst. Bei dieser Arbeit kam der Strumpfhändler David Briel von Dexbach (gewöhnlich nur unter dem Namen David von Dexbach bekannt), dessen Freundschaft er nicht lange vorher auf der Jagd geschlossen hatte, zu ihm und redete ihn folgendermaßen an:„ Höre, Jacob, kann ich mich wohl auf dich verlassen? Ich wüsste etwas und wenn noch mehrere vertraute Leute mitgingen, so könnten wir’s ausführen”. Hierauf ging er schnell wieder weg und überließ seinem Freunde, diese Worte sich selbst zu enträtseln. Allein er blieb nicht lange in dieser Ungewissheit. David Briel kam kurz darauf wieder zurück und erklärte ihm also den Sinn seiner vorhin gesprochenen Worte: „Sieh einmal, Jacob, ich wüsste ein Mittel, wodurch uns Beiden geholfen wäre, wenn du und noch einige vertraute Leute mit mir einverstanden wären. Du weißt, es fährt alle Monate ein paarmal das Geldkärrnchen von Biedenkopf nach Gießen. Das wollen wir zusammen angreifen, das Geld herausnehmen und wenn es uns gelingt, dann sind wir doch auf unser Lebtag geborgene Leute”. Mehr bedurfte es schon für einen Jacob Geiz nicht, um ihn zu gewinnen. Er war ein gefährlicher Mensch, der das Gesetz weder achtete, noch fürchtete, gefühllos für Anderer Wohl, dem auch ein Menschenleben nicht zu heilig war, um es im Notfall aufs Spiel zu setzen. Als Wilddieb von Handwerk wagte er die verzweifelten Schritte, und schoss einstmals, als er verfolgt wurde, unter andern einen armen Bauer lahm. Um ihn indessen noch mehr an sich zu kirren, fuhr David von Dexbach weiter fort: „Wir greifen es auf churhessischem Boden an und da muss auch der Churfürst von Hessen unserm Großherzoge das Geld wieder ersetzen. Gesetzt, es wurde nun deshalb auch eine Steuer ausgeschrieben, so kann es einem Manne höchstens zwei bis drei Kreuzer tragen, und uns wäre doch auf immer geholfen.” Durch diese Worte legte David von Dexbach den Keim der Übeltat in die Brust seines Freundes nieder; und da sie diese Sache noch weiter besprochen, schieden sie ganz einverstanden von einander. Jacob Geiz ging nun, nach vollendeter Arbeit, nach Hause zurück, machte zuerst seinen Vater mit dem Vorhaben bekannt, dann seinen Bruder Heinrich und fand sogleich in ihnen bereitwillige Teilnehmer. Lange Zeit trugen sie sich mit diesem Gedanken herum, ohne die Ausführung zu wagen, denn was ihnen besonders im Wege stehen mögte, war der Umstand, dass ein Landschütze mit einer scharf geladenen Flinte diesen Wagen begleitete. Da ging einmal Heinrich Geiz, aus welchem Beweggrund ist nicht bekannt, nach dem Landstädtchen Königsberg und traf in einem Wirtshause daselbst einen früheren Kriegskameraden, den Landschützen Volk, an. Sie bewillkommten sich als alte Freunde und erzählten sich bei einem Glas Branntwein, was ihnen, seitdem sie sich nicht gesehen, widerfahren war. Bei dieser Gelegenheit klagte nun auch Heinrich Geiz seine Not, dass er sich so gerne in Mühlheim ehelich niederlassen mögte, aber aus Mangel der nötigen Receptionsgelder von 200 fl. bis jetzt diesem sehnlichen Wunsche hatte nachstehen müssen. „Da können wir mit einander gehen, versetzte Volk, so geht es mir gerade auch; ich habe einem Mädchen aus Offenbach die Ehe versprochen und bin auch nur um ein Paar hundert Gulden zu arm, um mein Versprechen erfüllen zu können und ein ganz glücklicher Menschen zu sein.” „Dafür wüsste ich vielleicht Rat, erwiderte ihm darauf Heinrich Geiz, uns Beiden wäre durch ein leichtes Mittel geholfen, und es kommt bloß auf dich an, ob du es ergreifen willst.” Er offenbarte sich ihm nun ganz und sagte ihm zugleich, dass schon mehrere Leute um dieses Geheimnis wüssten, die alle bereit waren, das Geldkärrnchen bei einer schicklichen Gelegenheit anzugreifen und erbot sich, wenn ihr Vorhaben gelungen, so solle er auch seinen Teil davon haben. „Wenn ihr es nur schon hättet, was läge mir daran, entgegnete Volk; jedoch, fuhr er fort, ich will dem jedesmaligen Landschützen, der den Wagen begleitet, das Blei aus der Flinte ziehen, damit von Euch keiner geschossen werden kann, und, sollte ich es eskortieren, so will ich mich ohne alle Gegenwehr gefangen geben.”

So war auch dies Hindernis aus dem Wege geräumt und nichts mehr übrig, als noch mehrere Teilnehmer in das Geheimnis zu ziehen und zur Ausführung der Tat zu gewinnen. Sie fanden ihre Leute. Das ganze Komplott bestand schon nach einem Vierteljahre aus neun Helfershelfern. Diese waren:

David Briel von Dexbach;

der Landschütze Volk; 3)

Hans Jacob Geiz von Kombach;

seine Söhne Heinrich Geiz und Jacob Geiz;

Wege von Kombach;

Wege von Wolfsgruben

Johannes Soldan von Kombach;

Ludwig Acker von Kombach.

Welche gefährliche, ja unverbesserliche und für alles Gute erstorbene Menschen dieses Complott in sich fasste, mag schon daraus hinlänglich hervorgehen, wenn man bedenkt, dass diese Menschen schon sechsmal zur Begehung dieses Verbrechens ausgegangen waren, ohne sich abschrecken zu lassen und auf den Weg des Rechts wieder zurückzukehren. Auf den ersten Weihnachtstag 1821 wollten sie den Postwagen zum ersten mal in der Gegend von Eifa angreifen. Als sie auf dem Wege dahin nach Eckelshausen kamen, langte ein Brief an Jacob Geiz an, worin ihm David Briel schrieb, dass jetzt aus der Sache nichts werden könne, indem das Geldkärrnchen diesmal von zwei Gendarmen begleitet werde. Nun blieb die Sache ruhig bis gegen Frühjahr, wo sie wieder in der Gegend von Eifa die Tat auszuführen beschlossen. Da jedoch auf dem Hinweg Schnee gefallen war, und sie deshalb befürchteten, durch die Spur verraten zu werden, so kehrten sie auch hier wieder unverrichteter Sache zurück. Nach Verlauf von einiger Zeit gingen sie nochmals in die nämliche Gegend, wo aber die Tat auch nicht zu Stande kam, weil sie sich einander im Walde verfehlt hatten. Kurz vor Ostern gingen sie dann in die Subach, wo sie wieder unverrichteter Sache abziehen mussten, weil das Geldkärrnchen an diesem Tage die Nacht über in Gladenbach blieb. Nach Ostern begaben sie sich in den Krofdorfer Wald und lauerten da der Ankunft des Wagens auf, konnten aber wegen vieler Rekruten, die gerade damals sich bei dem Postwagen befanden, wieder nicht ankommen. Drei Wochen vor Pfingsten wollten sie es nun abermals in der Subach versuchen, wurden aber dadurch abgehalten, weil Jost Wege von Kombach, der später auf den Platz traf, seine Raubgenossen benachrichtigte, dass sich jetzt kein Geld auf dem Wagen befinde.

Nun beschlossen sie zum siebentenmal die Ausführung dieser Tat. Alle Teilnehmer versammelten sich an dem Samstag vor Pfingsten, als den 18. Mai, in dem Hause des Hans Jacob Geiz. Hier wurden die Verabredungen zur Ausführung des Plans, wobei Heinrich Geiz das Wort führte, besprochen, die Rolle eines Jeden verteilt, sodann fünf Pistolen mit Kugeln und dickem Schrot geladen und in einen Büchsenranzen gesteckt. Larven, die sie schon lange vorher gekauft hatten, sowie Stricke und Lappen und eine Axt, taten sie in einen andern Büchsenranzen. So gingen nun Alle, mit Ausnahme des Hans Jacob Geiz und Wege von Wolfsgruben, welche erst andern Tags nachkamen, am 18. Mai in der Nacht um zehn Uhr von Kombach weg, drehten sich rechts um das Dorf und wendeten sich bei Dautphe auf die Chaussee hin. Gladenbach rechts, Mornshausen links lassend, begaben sie sich dann in den Wald, die Subach, und trafen Morgens um zwei Uhr auf den Platz, wo der Angriff beschlossen war, ein. Rechts im Gebüsche, wenn man von Gladenbach kommt, lagerten sie sich und erwarteten so den Morgen. Bei Anbruch des Tags kamen auch Wege von Wolfsgruben und etwas später Hans Jacob Geiz an, und da Letzterer die Rolle eines Wächters übernommen hatte, so nahm er gleich den Platz auf der Höhe des Hohlwegs ein, von wo aus man die Gegend übersehen und wahrnehmen konnte, wenn das Geldkärrnchen komme. Johannes Soldan war bestimmt, die Büchsenranzen und Hüte seiner Kameraden zu tragen und stellte sich in die Nähe des Hans Jacob Geiz. Nun banden sie ihre Larven vor, wechselten ihre blauen Kittel mit andern alten Kleidern, ihre Hüte mit Kappen verschiedener Farbe, legten sich darauf in das Gebüsch nieder und tranken sich tapfer mit Branntwein zu. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne stand schon hoch und verkündete den Mittag – da meldete Hans Jacob Geiz die Ankunft des Wagens und sogleich nahmen sie jetzt ihre Posten ein. Heinrich Geiz und sein Bruder Jacob sprangen auf die linke Seite der Hohle in das Gebüsch. Die Andern blieben auf der rechten Seite versteckt. So mit Herzklopfen ihre Beute erwartend, standen sie zum Angriff bereit, und als sie sich auf eines Sprunges Weite näherte, da fielen Heinrich Geiz, sein Bruder Jacob, der auch gleichzeitig seine Pistole abfeuerte, über den Landschützen her. David von Dexbach und Wege von Wolfsgruben bemächtigten sich des Postillions Müller und verfuhren nun so unmenschlich mit ihnen, wie wir bereits beschrieben. Acker fiel sogleich den Pferden in die Zügel und fuhr den Wagen auf die linke Seite in das Gebüsch. Nachdem er den Kasten heruntergeworfen, kam schon wieder David von Dexbach zurück und holte die mitgenommene Axt, um den Deckel des Kastens einzuschlagen. Da nun nach einigen Schlägen der Stiel derselben brach, so sprang Heinrich Geiz zu dem Wagen hin und schnitt die an demselben sich befindliche Axt los, bei welchem Geschäft er seine Messerklinge zerbrach. Nach einigen Hieben stürzte der Deckel des Geldkastens ein, darauf nahmen sie das in Tüchern und Beuteln bepackte Geld heraus und teilten es in die Büchsenranzen ein; Acker, der allein keinen Büchsenranzen hatte, nahm seinen Anteil wie einen Quersack auf beide Schultern. Nur einen großen Sack voll Geld, der selbst dem starken Wege von Kombach zu schwer war, um ihn fortschleppen zu können, ließen sie zurück und versteckten ihn in eine hohle Eiche. Hans Jacob Geiz verbarg die Flinte des Landschützen, die auf dem Wagen gelegen, in einen Busch und er war es auch, der des Landschützen Tabaksbeutel, sowie sein Schnupftuch mitnahm, in der Meinung, dass diese Stücke einem seiner Kameraden gehörten. Hierauf entkleideten sie sich, zogen wieder ihre blauen Kittel an und versteckten ihre alten Kleider in dieselbe Eiche bei den Sack voll Geld. Jacob Geiz, Wege von Wolfsgruben und Soldan schlugen den Weg nach Erdhausen ein. Hans Jacob Geiz und sein Sohn Heinrich, Acker, David Briel und Wege von Kombach gingen über ein Wiesengründchen durch den Wald, die Subach, und als sie ihn durchschritten, nahmen sie ihren Weg wieder über eine kleine Wiese, dann über einige Aecker durch einen Wald, den sie gerade durchgingen, drehten sich an dessen Ende links herum, und, Riegenbach rechts, Mornshausen links lassend, gelangten sie noch durch zwei Wälder und kamen Nachts zwischen 10 und 11 Uhr im Kombach wieder an. Das Geizische Haus war auch jetzt wieder der Ort, wo sie alle zusammenkamen. Hier wurde nun das Geld in ein Fässchen geschüttet und die ganze Summe, so wie eines jeden Anteil von Heinrich Geiz berechnet, dann teils in Rollen, teils Stück vor Stück geteilt. Ein Jeder erhielt für sein Teil die Summe von 800 fl., die sie dann nach Hause trugen, Acker allein nahm nicht soviel mit. Ihn, der nach der Teilung einmal vor die Stubenthüre ging, hatten die Uebrigen während dieser Zeit um 100 fl. bestohlen. Das Geld verschwendeten sie nun zum Teil, oder vergruben es in der Nähe von Kombach auf verschiedene Aecker. Heinrich Geiz trug seinen Anteil zu verschiedenen Zeiten in seine Heimat nach Mühlheim und versteckte es in den Garten seines Schwiegervaters zwischen eine Bretterwand. Wege von Wolfsgruben verbarg sein Geld auf der Lustwiese bei Wolfsgruben. In ihren Geständnissen bezeichneten sie die verborgenen Stellen, an welchen man noch ungefähr die Summe von 1500 fl. vorfand.

David Briel von Dexbach, der Stifter dieses Complotts, entfloh dem Arme der Gerechtigkeit dadurch, dass er sich noch zu rechter Zeit einen Hausierschein ins Ausland geben ließ, den man ihm ohne Anstand erteilte, da derselbe einen ausgebreiteten Strumpfhandel trieb und damals noch ganz verdachtlos war.

Der Landschütze Volk wurde gleich nach dem Ackerschen Geständnisse festgehalten und aus Mangel an Platz im Kriminalgefängnis in die Kaserne bei Gießen gebracht. An einer dunklen Stelle auf dem Gange, benutzte er den Augenblick, als man die Thür seines Gefängnisses aufschließen wollte, und schoss sich, der Hand des Henkers vorgreifend, eine Kugel durch das Herz. Auch Soldan endete als Selbstmörder. Kurz vorher, als auf ihn bekannt worden war, erdrosselte er sich in seinem Gefängnisse.

Nach beendigter Untersuchung wurden die Akten an die höhere Behörde, das Großherzoglich Hessische Hofgericht zu Gießen, zur weiteren Beschließung übergeben. Herr Hofgerichtsrat Dr. Pilger, dieser als Gelehrter, so wie als Mensch gleich achtbare, würdige und verdienstvolle Mann, war Referent in dieser wichtigen Sache, und trug, nachdem die Verteidigungen der Verbrecher gehörig geführt waren, in zwei aufeinander folgenden solennen Sitzungen, am 24. und 25. März 1824, diesen Kriminalfall dem Gerichthofe zur Entscheidung vor. Das Gesetz erkannte auf Tod und das Hofgericht fällte demnach folgendes Urteil: