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Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwald; Enthaltend vorzüglich auch die Geschichte der Beraubung und Ermordung des Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf der Bergstraße; nebst einer Sammlung und Verdollmetschung mehrerer Wörter aus der Jenischen oder Gauner-Sprache

1. Veit Krähmer

Veit Krähmer

Er ist 22 Jahre alt, zu Ramsthal im Fuldischen gebürtig. Sein Vater ist Albert Krähmer, vulgo Zunderalbert, ein alter Gauner, welcher schon seit mehreren Jahren zu Würzburg im Gefängnisse sitzt und auch dort der wohlverdienten Strafe entgegen sieht. Seine rechte Mutter ist tot; seine dermahlige Stiefmutter, oder vielmehr die zweite Beischläferin seines Vaters ist die sogenannte Fulder-Ließ, vorher an einen sichern Selser, auch einen herumziehenden Krämer, verheiratet, oder dessen Concubine. Sie ist mit Veits jüngstem Bruder auch in Heidelberg verhaftet und zugleich die rechte Mutter der Beischläferin des Veit Krähmer, Eva geborne Selserin. Beide Weibsleute sind lebhafte, stets muntere Geschöpfe, welche als Bänkelsängerinnen die Märkte besuchten und so das zu verdienen strebten, was Veit entweder nicht verdienen konnte, oder wenn er es verdient hatte, nicht abgab, weil er es ganz oder größtenteils zu vertrinken pflegte. Veit wurde ganz im Gaunerleben und zu diesem erzogen.
Er hat nie eine feste Wohnstätte gehabt. Schon in seinem 15 bis 16ten Jahre wurde er von seinem Vater zu Einbrüchen mitgenommen und teilte mit ihm die Beute. Wenn er nicht ganz als der verworfenste, ausgemachteste Bösewicht erscheint, so ist dieses weniger seiner Erziehung und der Mühe, welche sich sein Vater gab, ihn zum vollendeten Räuber zu bilden, zuzuschreiben, als der Eigentümlichkeit seines Charakters, welcher zwar ein Übermaß von unendlichem Leichtsinn, aber auch eine große Gabe Gutmütigkeit, oder wenn man lieber will, Schwäche zu enthalten scheint. Er kann einer ernstlichen Ermahnung nicht lange, einer gütigen, freundlichen Behandlung aber noch weit weniger widerstehen. Seine Geständnisse waren nicht die Folge der Furcht, von Andern verraten zu werden, denn er war, als er bekannte, noch keiner weiteren Vergehen beschuldigt und alleine verhaftet; sie waren nicht die Folge der Rachsucht gegen Andere, denn er hat nichts Falsches angegeben und es hat sich gezeigt, dass er von keinem beleidigt war, mit keinem in Feindschaft lebte; sie waren auch nicht eine Erzeugnis der Hoffnung, durch sie seine Strafe zu mindern, denn er glaubt den Tod verdient zu haben, und damit bestraft zu werden; auch hat er bei seinen Geständnissen nie daran gedacht, sich eine gelindere Strafe darum zu erbitten. – Sie wurden vielmehr einzig dadurch hervorgebracht, weil Veit nicht schweigen kann, sobald man sich mit ihm in ein Gespräch über seine Lebensweise und seine Diebsgenossen einlässt; und weil ihn, sobald er nur nach einem Verbrechen, welches er mit verüben half, gefragt wird, sein unwillkürliches Lächeln verrät, welches während dem Geständnisse in wirkliches volles Lachen übergeht.
Nicht aber, als ob er aus teuflischer Bosheit sich seiner Taten freute, sondern weil er in jedem Bekenntnisse die Bestätigung der Vorhersagung seiner Kameraden, dass er nichts verschweigen könne, findet, und im Voraus das Vergnügen genießt, welches ihm daraus erwächst, wenn er in der Folge hören oder sehen kann, wie seine Kameraden sich die Köpfe zerbrechen, um zu erraten, wer wohl das von ihm Angegebene gesagt haben möge? Er weiß, dass er gegen die Gesetze gefehlt hat, er glaubt sogar, dass er des Todes schuldig seye; er ist aber nicht im Stande, das Abscheuliche seines Räuberlebens einzusehen, und zeigt darum auch weder Reue, noch Vorsatz zur Besserung. Dieses erklärt sich, ohne den Veit in einem häßlicheren Lichte darzustellen, leicht, wenn man bedenkt, dass das, was der Mensch von Jugend auf und immer treibt, ihm zur Gewohnheit werde, so dass ihm selbst das Häßlichste und Eckelhafteste bei solcher Beschäftigung nicht mehr auffällt, und wenn man weiter erwägt, dass Veit nicht wohl einen Vorsatz zur Besserung fassen könne, da es ihm an den Mitteln und an der Kraft zur Ausführung gebricht. Was sollte er, der nie etwas gelernt hat, der nie zu Arbeiten angehalten wurde, ergreifen, wann er wieder los käme, und wo würde er, wenn er
arbeiten wollte, geduldet? Er müßte wieder stehlen, und wenn er nicht wollte, so brächten ihn die alten Kameraden wieder dazu.
Er selbst hat bei einer Confrontation dem Hölzerlips, welcher erklärte, wenn er je wieder frei würde, wolle er ein ehrlicher Mann werden, ganz offen entgegnet: „wie ist das denn möglich? Wenn du heute los kommst, so schuppst (stiehlst) du wieder, ehe drei Tage vergehen.“
Er liebt übrigens sehr den Brandwein, und hat gewöhnlich das, was er durch Straßenraub und Einbruch er warb, mit seinen Genossen versoffen, ohne den Seinigen etwas Bedeutendes davon zu geben; obschon er für seine Beischläferin sowohl, als für sein jüngstes Kind sehr viele Liebe zu haben scheint.

2. Andreas Petry vulgo Köhlers Andres

Andreas Petry

Er ist erst 17 bis 18 Jahre alt, ledig, ein Sohn des Peter Petry, vulgo schwarzen Peters. Dieses wird in Verbindung mit dem, was schon von dem Vater gesagt ist, hinreichen, um sich einen Begriff von der Erziehung zu machen, welche Andreas Petry erhielte. Er ist heute noch nicht konfirmiert. Doch hat sein Vater in politischer Hinsicht mehr für seine Erziehung getan, als der Zunderalbert für die seines Veit. Er ließ ihn nämlich verschiedene musikalische Instrumente lernen. Andreas Petry spielt mit vieler Fertigkeit die Klarinette, auch die Flöte und das Flageolett spielt er nicht ungeschickt. Diese Kunstfertigkeit sollte dem Andreas Petry zu einem ehrlichen Erwerb helfen; wie war aber dieses möglich, da ihn die Ausübung seiner Kunst von Ort zu Ort, unter der niedersten Volksklasse herumtrieb, ihn immer mit Räubern und Dieben in Berührung brachte, welche er schon von
Kindesbeinen an kannte; da sie ihm manche freie Stunden übrig ließ, ihn nicht vollkommen ernährte, und da sein eigener Vater ihn schon als Buben auf Straßen-Räubereien und Diebstähle mit
nahm, ihm von seinen Großtaten jenseits Rheins, von dem erhabenen Schinderhannes und dessen und seinen eigenen alten würdigen Kämpfen erzählte, und so seinen Geist eben so erhitzte und
zu Nachahmung der großen Vorbilder anspornte, wie einst die Phantasie des edlen Ritters von Mancha exaltiert, und sein Nacht streben rege gemacht wurde! . Er ist von lebhaftem, munterem
Temperamente, besitzt aber zugleich einen hohen Grad von Verschlossenheit, Verschlagenheit, Falschheit und Rachsucht. Sein Blick ist immer unstet, wie der eines Verfolgten, welcher Ängstlich
nach der Nacheile umschaut. Er fühlt, dass die Menge seiner Verbrechen eine Folge seiner schlechten Erziehung, die Schuld seiner Eltern ist. Er hat zwar, wie oben gesagt wurde, den wahren Nahmen seines Vaters bis auf den letzten Augenblick verläugnet; später aber hat er noch gar manche Vergehen seines Vaters freiwillig angegeben. Eben so hat er unaufgefordert Verschiedenes gegen seine Mutter, gegen seine Schwester und deren beide Zuhälter, Lüttich und Luz, angegeben:

3. Sebastian Luz vulgo Basti

Sebastian Luz

Auch er ist der Sohn herumziehender Eltern, auch erst 17 bis 18 Jahre alt, von Neckargerach gebürtig. Von seinen Eltern sind keine Vergehen bekannt. Auch er ist musikalisch, und die Kultivierung dieses Talentes brachte ihn mit Andreas Petry zusammen und durch diesen mit der Räuberbande in Verbindung. Er ist von Allen der munterste, aufgeweckteste, mutwilligste, und, den Mangel an Erfahrung abgerechnet, der gescheiteste; aber auch der ausdauerndste. Hölzerlips selbst, der ungerne einem Andern den Vorrang in irgendetwas zugesteht, erklärte während einer Konfrontation, bei welcher Basti nicht zugegen war: „Basti ist der härteste von uns allen. Wenn der, als Räuber bis zu seinem 30ten Jahre fortgelebt hätte, so wäre Schinderhannes nichts gegen ihn gewesen.“ Er wurde als Schulknabe, eben seiner ausgezeichneten Fähigkeiten wegen besonders geschätzt und eine vornehme Person nahm sich eben darum seiner an und wollte ihn ein Handwerk lernen lassen. Sein Vater verließ aber damals gerade die Gegend des Odenwaldes, in welcher Basti zur Lehre kommen sollte, und beharrte darauf, dass er mit ihm ziehen sollte. Er folgte, blieb aber nicht lange bei seinem Vater, sondern verließ ihn und trieb sich nun bei englischen Reitern, Marionettenspielern und Leuten, welche Lappländer ums Geld sehen ließen, herum, bis er sich endlich auch von diesen wieder losmachte und mit seinem Saitenspiele allein umherzog. Auf diesen Zügen kam er mit andern Burschen seines Gelichters und unter diesen auch mit Andreas Petry zusammen. Jugend, Frohsinn und gleiche Beschäftigung knüpfte das Band ihrer Freundschaft enger. Durch Andreas Petry wurde Basti in den Familienzirkel des schwarzen Peters eingeführt. Dieser hatte seine Tochter Margaretha bei sich, welche früher mit einem gewissen Lüttich als dessen Beischläferin verbunden war und von ihm zwei Kinder hatte. Dieser Lüttich war jenseits Rheins beim Forstwesen angestellt und hatte dort Frau und Kinder. Er war aber vom linken Rheinufer mit deren Zurücklassung, wegen eines verübten Mordes entflohen und hatte in den Gebürgen des Odenwaldes Schutz gefunden. Hier traf er Margaretha Petry und verband sich, seine früheren Verhältnisse verschweigend, mit ihr. Seine Frau erfuhr endlich seinen Aufenthalt und suchte und fand ihn mit ihren Kindern; er wusste sie aber durch die fürchterlichsten Drohungen zurückzuschrecken. Margaretha Petry erfuhr zwar nun die wahren Verhältnisse Lüttichs, allein sie hatte schon ein Kind von ihm gezeugt und blieb daher mit ihm in fortgesetzter Verbindung, deren Folge bald ein zweites Kind hervorbrachte. Lüttichs vorzüglichste
Beschäftigung war die Wilderei, und sie war es auch, welche ihn auf zwei Jahre in das Zuchthaus nach Mannheim brachte. Margaretha Petry hatte, der Verhältnisse Lüttichs, ihrer Eltern und ihrer eigenen bewusst, dennoch die Frechheit, öffentlich als seine Frau aufzutreten und als solche bei Sr. Königlichen Hoheit dem Herrn Großherzoge von Baden, schriftlich um Begnadigung Lüttichs zu bitten. Sie wurde ihr abgeschlagen, und nun war auch ihre Liebe erkaltet. Sie suchte nun als feile Dirne jeden an sich zu locken, bis es ihr endlich gelang, den Basti auf längere Zeit mit sich zu verbinden.

4. Georg Philipp Lang vulgo Hölzerlips

Georg Philipp Lang

Er ist etliche und dreißig Jahre alt, von Roth am Berg im Nassauischen gebürtig, und ebenfalls der Sohn herumziehender, übrigens aber keiner Verbrechen bezichtigter Eltern. Seine Erziehung wurde wie die des Veit in jeder Hinsicht vernachlässigt. Er trieb sich lange mit seinem Vater herum, bis er endlich sich mit einer Weibsperson verband und, wie er behauptet, förmlich trauen ließ. Um für diese und seine dereinstige Familie seine Subsistenz zu begründen, fing er einen Handel mit hölzernen Waren an und trieb denselben geraume Zeit. Daher sein Name Hölzerlips. Von früheren Zeiten sind keine Verbrechen gegen ihn bekannt und er beharrt standhaft bei der Behauptung, dass er bis zu seiner Loslassung von Bergen streng ehrlich gewesen sei und sich von allen Verbindungen mit Räubern frei erhalten habe. Er wurde in Bergen, wegen Landstreicherei, durch Streifmannschaft verhaftet und saß dort geraume Zeit. Diese seine Abwesenheit benutzte ein gewisser Heinrich Pfeiffer, um eine vertraute Bekanntschaft mit seiner Frau anzuknüpfen. Es gelang ihm und er hatte sie beständig, als seine Konkubine bei sich. Hölzerlips erfuhr dieses in seinem Arreste zu Bergen und schnaubte Rache. Seine Loslassung erfolgte und sein erstes Geschäft war nun die Aufsuchung seiner Frau. Er fand sie noch am nämlichen Abend und den Pfeiffer und seine zwei eigene Kinder bei ihr. Noch ehe er seine Vorwürfe begann, schilderte sie ihm die Freundschaft, mit welcher Pfeiffer sich ihrer und seiner Kinder angenommen, sie gegen Hunger und Mangel geschützt und aller Orten für sie gesorgt habe, mit so lebhaften Farben, dass der Zorn des Hölzerlips schon in seinem Ausbruche gemindert wurde. Zwar begann er seine Vorwürfe; aber wie leicht waren diese widerlegt! Alles war Verleumdung boshafter Menschen, welche ihm sein Unglück gegönnt und gerne gesehen hätten, dass auch sie und ihre armen Kinder zu Grunde gegangen wären; und die nun, da dieses nicht erfolgt sey, sie durch ihn selbst verderben wollten. Hölzerlips hatte keine Beweise, seine Frau fuhr fort, ihn durch die heiligsten Versicherungen ihrer Treue zu beschwichtigen, erzählte ihm ihre Teilnahme an seinen Leiden, ihren tiefen Kummer und ihre Trostlosigkeit; ließ sich seine Leiden erzählen und um ihn schnell dafür zu entschädigen und sie leichter vergessen zu machen, Brandwein holen.
Hölzerlips, welcher dieses Getränk bis zum Unsinne liebt, trank den Versöhnungstrunk. Der Groll war vergessen, es wurde des köstlichen Trankes mehr und immer mehr gebracht, bis Hölzerlips berauscht auf sein Lager nieder und in den tiefsten Schlaf versank, aus welchem er erst spät am folgenden Morgen erwachte, um sich mit seinen zwei kleinen Kindern alleine, von seiner Frau und Pfeiffer verlassen zu sehen. Hölzerlips war nun wirklich in der erbärmlichsten Lage; und einzig diese, so behauptet er, zwang ihn, sich dem Räuberleben zu widmen, weil er sich ferner mit seinen zwei Kindern ehrlich nicht fortbringen konnte. In der Folge legte er sich eine Beischläferin zu und als diese später mit seinen zwei Kindern nach Darmstadt in Arrest gekommen war, wo nun auch seine wirkliche Frau einsitzt, verband er sich mit der oben schon gedachten Catharina Weisin, welche sich zu Heidelberg seiner so würdig benahm. Hölzerlips ist trotz allem Mangel an Erziehung kein ungebildeter Kopf. Er ist der stärkste unter allen in Heidelberg Verhafteten, und, nach allen Umständen, auch der grausamste und boshafteste. Er kann seinen Zorn, wenn er ausbricht, nicht dämpfen; er beträgt sich im Kreise der Übrigen stets mit ausgezeichneter Superiorität, und wenn er gleich leugnet, bei diesem oder jenem Raube der anerkannte Anführer gewesen zu sein, so zeigen doch die Umstände, dass er es wirklich gewesen war; so wie die Art, womit die Übrigen seine Anmaßungen ertragen, bei weist, dass sie schon daran gewöhnt sind, von ihm also behandelt zu werden. Die Geschichte der von ihm verübten Verbrechen wird helleres Licht über seinen Charakter verbreiten.

5. Philipp Friederich Schütz vulgo Manne Friederich

Philipp Friedrich Schütz

Auch er ist über dreißig Jahre alt und in Koppenhagen gebürtig. Seine Eltern waren in Frügt, einem ehehin dem Freiherren von Stein zugehörigen Orte, unweit Koblenz, als Bauersleute wohnhaft und nährten sich dort zwar Ärmlich, doch ehrlich. Ein gewisser Graf von Schimmelpfennig kam in die Gegend, machte Bekanntschaft mit dem Freiherrn von Stein und lernte durch ihn die Industrie der Bewohner der Rheingegenden kennen. Er wünschte diese auch auf seine Güter in Dänemark zu verpflanzen, besonders aber mit dem Tabaksbau Versuche zu machen. Freiherr von Stein suchte die Wünsche des Grafen zu erfüllen, und es gelang ihm, in seinem eigenen Orte Frügt zwei und in
dem ehehin Gräflich Leyenschen Lande noch einige Familien zum Überzug nach Dänemark zu disponieren. Unter den ersten befanden sich Manne Friederichs Eltern. Sie ließen ihr Wohnhäuschen und einige Güterstücke, freilich nicht schuldenfrei, in Frügt zurück. Sie hatten bereits mehrere Jahre in Dänemark gelebt, als der alte Schütz dort starb. Seine Witwe konnte nun allein ihrem Geschäfte in Dänemark nicht vorstehen, auch sehnte sie sich in die heimatlichen Gefilde zurück; sie reiste mit ihren kleinen Kindern, worunter unser Inquisit sich befand, nach Deutschland zurück. Sie hatte gehofft, ihre verlassene Hütte wieder beziehen, ihre wenigen Felder verpachten und sich, mit dieser Beihilfe, durch Arbeit fortbringen und ihre Kinder gros ziehen zu können; allein ihre Hoffnung hatte sie getäuscht. Das Häuschen war, nebst dem Übrigen, was sie verlassen hatte, auf Andringen der Gläubiger, versteigt und der Erlös zur Tilgung der Schulden und Bestreitung der Kosten verwendet worden; man legte ihr Rechnung über das Ganze vor; ihr gehörten noch 3 fl. 32 1/2 kr. Diese empfing sie, wurde aber nicht länger in Frügt geduldet, und sah sich also gezwungen, von Ort zu Ort, mit ihren armen kleinen Kindern, das Brot zu suchen. So brachte der lobenswerte Eifer des Grafen von Schimmelpfennig, die Industrie in Dänemark zu befördern, eine rechtliche deutsche Familie in Armut und Elend, und unsern Manne Friederich unter die Räuber. Er lernte auf den immerwährenden Zügen, welche er mit seiner Mutter machte, bei einem auch herumziehenden Korbmacher, diese Profession und von diesem Korb oder Wannenmachen erhielt er später den Nahmen Wannen (oder, wie es in der Wetterau und dortiger Gegend gesprochen wird, Mahnen ) Friederich. Bald verband auch er sich mit einer Weibsperson, welche er als ständige Beischläferin mit sich führte und welche mit ihm nach Heidelberg in das Gefängnis kam. Auch er ist dem Brandwein ganz außerordentlich ergeben, Übrigens aber bei weitem nicht so boshaft als Hölzerlips. Er ist unter Allen der Gebildetste, Manierlichste und Klügste.

Mathes Oesterlein

6. Matheus Oesterlein, vulgo Krämer-Mathes.

Er ist 23 Jahre alt und von Sindelfingen gebürtig, wo seine Eltern sesshaft waren und wo noch ein Bruder von ihm etabliert ist. Seine Eltern, welche er schon früher, im Verdruss verlassen hatte, sind inzwischen nach Russland gezogen. Er zog anfänglich auf seiner Profession als Maurer umher, bald aber machte er Bekanntschaft mit einer herumziehenden Landkrämerin (angeblich die Tochter eines Wirzburgischen Grenadiers) und schloss sich an diese an. Er trieb eine Zeit lang seinen kleinen Handel als her umziehender Krämer, bald aber geriet er in die Gesellschaft der Räuber und machte mit ihnen gemeinschaftliche Sache.
Seine Frau oder vielmehr Konkubine wurde, mit ihrem einzigen Kinde, schon früher durch Streifer eingezogen und sitzt in Darmstadt gefangen. Er hat eine verschlossene Übrigens ruhige Physiognomie, welche nur beim Zusammenziehen der Augen, welches ihm gewöhnlich ist, in finstern, tiefen Ernst Übergeht, sich aber bald wieder ebnet. Er ist von allen der Ruhigste.

7. Stephan Heußner, vulgo langbeiniger Steffen.

Er war 28 Jahre alt, zu König in der Grafschaft Erbach gebürtig. Oben ist schon über seinen Charakter das Nötigste gesagt. Er hinterließ eine Frau und zwei kleine, schöne Kinder.

8. Johann Bauer vulgo der Schefflenzer Bube.

Johann Bauer

Er ist 20 Jahre alt und zu Oberschefflenz bei Mosbach gebürtig. Sein Vater war angeblich ein Pfälzischer Soldat und so wie seine Mutter ohne Vermögen. Nach dem Tode seines Vaters zog er mit seiner Mutter umher; und später setzte er dieses Leben, als Bettler, allein fort. Er arbeitete von Zeit zu Zeit bei Schiffleuten und Bauern, kehrte aber bald wieder zu seiner gewohnten Lebensweise zurück. Auf seinen Kreuz und Queerzügen als Betteljunge, wurde er mit falschen Spielern bekannt, und zwar mit solchen, welche mit sogenannten tragbaren Warenlotterien die Märkte besuchen. Diese fanden an ihm einen offenen Kopf und nicht gewöhnliche Beredsamkeit und warben ihn deswegen als Fallenmacher an; das heißt: er wurde der Lockvogel und die Falle für Andere, die betrogen werden sollten. Um dieses auszuführen, erschien er nie öffentlich mit seinen Gesellschaftern; wann aber diese ihre Lotterie, deren höchste Loose mit Uhren, silbernen Löffeln, Geld u. s. w. besetzt waren, aufgestellt und die Neugierigen beigezogen hatte, und wann sich dann unter diesen ein den Markt besuchender Müller oder Metzger oder Bauer, mit strotzender Geldgurte um den Leib, einfand, oder überhaupt ein rupfbar scheinender Gimpel angeflogen war, welcher, noch unentschlossen, vor der Bude stand; dann erschien Johann Bauer, als ein gänzlich unbekannter Pursch und gaffte mit zu. Der Inhaber der Lotterie forderte, unter manchen Andern, auch ihn auf, sein Glück zu probieren. Er zeigte keine Lust, – es wurde ihm zugeredet, – er verweigerte es standhaft; – man bot ihm einen unentgeltlichen Wurf zur Probe an; er warf (mit dazu eingerichteten Würfeln) ziemlich hoch. Nun sollte er den Wurf um Geld wiederholen, er ließ sich Überreden, warf, verlor und schimpfte nun. Man stellte ihm vor, dass er nicht stets hoch werfen könne, er solle es noch einmal probieren; er verlor abermals, schimpfte noch Ärger, spielte aber nun, freiwillig, hitzig fort, verlor noch einige mal (mit anders eingerichteten Würfeln) bis er endlich plötzlich das höchste oder ein sehr hohes Loos (mit den ersten Würfeln) gewann.
Nun erscholl ein allgemeiner Jubel; das Gewonnene wurde ihm, in Überhohem Preise, wieder vom Lotterie Director abgekauft. Er wollte fort, – wurde aufgefordert, weiter zu spielen, gewann einige Kleinigkeiten, – dann plötzlich wieder einige Louisd’or auf einen Wurf. Nun waren die Umstehenden gereizt, die Gimpel gingen in die Falle und während sie zu Dutzenden kahl gerupft wurden, hatte Bauer den Markt verlassen und fand sich erst des folgenden Tages, an einem andern Orte, wieder mit seinen Kameraden zusammen, um seinen bedungenen Antheil an der Beute zu empfangen. Diese Lebensgattung musste ihn mit den die Märkte auch besuchenden Gaunern zusammenbringen und so wurde er denn endlich Dieb und Räuber. Er besitzt, wie schon gesagt, viele Beredsamkeit, welche er, wie so mancher Redner, sehr gerne ostendirt. Er hat aber die Untugend an sich, dass er sich auf Unkosten Anderer beliebt zu machen sucht, und wenn er keine Wahrheiten anzugeben weiß, Lügen ersinnt und als wahre Beschuldigungen vorbringt. So hatte er sich in einem früheren Arreste brauchen lassen, die andern Gefangenen, zu welchen man ihn geflissentlich gesetzt hatte, auszulocken und sie dann zu verraten; er rühmte sich selbst, dass er manche Lüge unter seine Angaben gemischt und dadurch jenen gar manchen Buckel voll Schläge procurirt habe. Er ist im Uebrigen von schöner Gesichtsbildung.

9. 10. 11. 12. Joseph Jacobi, Balthasar Held, Bernhard Held, Friederich Held, vulgo die vier Frankfurter Carlsbuben.

Der erste 36 Jahr alt, der zweite 28, der dritte 26, der vierte 20. Beide erstere mit Beischläferinnen versehen, von welchen sie Kinder haben; beide letztere ledig. Ihr Vater, der rechte Vater der drei letzteren, Stiefvater des ersten, war, wie schon bemerkt, ein Gauner, ihre Mutter zog auch nach seinem Tode mit den zwei jüngsten Brüdern umher; die beiden Ältesten hatten sich als Fruchthüter in abgelegenen Hütten des Odenwaldes fixiert und trieben von da aus ihre Räubereien. Sie sind sämtlich verschlossene, boshafte, hartherzige Menschen, doch der Älteste in minderem Grade als die Übrigen.

13. Johann Schulz, vulgo Vogelhannes oder Krautscheißer.

Er ist 25 Jahre alt, von Distelhausen gebürtig und hat eine Frau und vier Kinder. Seine Eltern waren herumziehende Krämersleute. In früheren Jahren diente er bei den Bauern, dann lebte er einige Zeit als Hirt auf einzelnen Höfen. Nach seiner Verheiratung (er ist wirklich getraut) zog auch er als fahrender Krämer umher, und kam bald in die Gesellschaft der Diebe. Sein Charakter scheint nicht der schlimmste zu sein.

14. Johann Adam Karr, – vulgo der strobeliche Adel.

Er ist 49 Jahre alt, von Höhfeld, bei Werthheim, gebürtig. Seine Eltern hatten, so wie er selbst, nie einen festen Wohnsitz, sondern zogen mit Münchberger Häfen, welche sie verkauften, im Lande umher. Bis in sein 25tes Jahr blieb Karr bei seinen Eltern und war ihnen, wie er angibt, in ihrem Handel behülflich; dann aber verband er sich mit seiner dermaligen, noch nicht eingefangenen, Ehefrau, Anne Maria, geboren Marzin, deren Eltern ebenfalls Vaganten waren. Er ist nach seiner Versicherung, mit dieser seiner Frau, nicht nur einmal, sondern zweimal kopuliert: einmal lutherisch, das andermal katholisch. Nach seiner Trauung fing er sein eigenes Gewerbe an, welches in Verfertigung von Körben, Stöcken und Blasrohren bestand, und zog darauf in der Grafschaft Werthheim, im Taubergrunde und den angrenzenden Gegenden umher. Er hat drei Kinder, wovon ein Mädchen von 6 und ein Junge von 4 Jahren mit der Mutter um herziehen, das dritte aber der unten bemerkte Joseph ist.
Er hat, allem Anscheine nach, noch weit mehrere Verbrechen
begangen als eingestanden; bei dem gänzlichen Mangel aller näheren Inzichten konnte aber etwas Weiteres nicht gegen ihn herausgebracht werden. Er ist ein sehr verschmitzter Mensch, und hat in den Verhören stets den Reuigen gemacht; immer aber verriet sich dabei, dass es nur Gleisnerei war. Wenn Andere gegen jene, welche etwas gegen sie angezeigt hatten, und es ihnen nun unter
das Gesicht behaupteten, in Zorn ausbrachen; so ergoss dagegen Johann Adam Karr, im frömmelnden, warnenden Tone seine Vorstellungen an die ihm gegenüber Gestellten; und nur, wann alle seine Ermahnungen jene nicht irre machen konnten, schritt er zum Geständnisse.

15. Joseph Karr, Sohn des vorigen.

Ein Bub von 13 Jahren; und schon zum Gehülfen bei Marktdiebstählen gebraucht. Solche Bäume tragen solche Früchte! Da wie schon früher bemerkt wurde, der stumpfarmige Zimmermann Philipp Müller nebst den Seinigen mit Veit Krähmer und dessen Raubgenossen nicht in Verbindung stand, so Übergehe ich hier die Aufstellung der Charakteristik derselben um so mehr, da einige bedeutende Verbrechen bis jetzt von ihnen nicht bekannt geworden sind; und wende mich nun zur Aufzählung der vom Veit Krähmer und seinen Genossen verübten und eingestandenen Vergehen. Es sind, wie das Verzeichnis nachweisen wird, nur solche Vergehen aufgenommen, bei welchen wirklich einer oder einige der in Heidelberg verhafteten Gauner zugegen waren, und welche alle, so viel nur immer möglich war, gehörig richtig gestellt sind. Die von Veit Krähmer und seinen Raubgenossen noch weiter gegen ihre auswärts einsitzenden Kameraden angezeigten Vergehen, (worunter mitunter sehr bedeutende gehören, wie z. B. die Ermordung des Gauners Valentin Bürschner, durch die in Giesen verhafteten Jacob und Johannes Vielmetter, Vater und Sohn) wurden jedes Mal den einschlagenden Gerichten sogleich an gezeigt, um deshalb gegen die Beschuldigten die erforderliche Untersuchung vorkehren zu können; sie konnten aber hieher nicht auf genommen werden, weil der Erfolg jener Mittheilungen bis jetzt meistens unbekannt geblieben ist. Die Verbrechen sind in jener Reihe aufgeführt, in welcher sie zur Anzeige kamen, und ich glaube, dass auch hier die bunte Reihe den Lesern angenehmer sein wird, als die Zusammenstellung derselben nach irgend einer ausgedachten Ordnung. Die meisten Verbrechen wurden von Veit Krähmer angezeigt, und er ist wahrscheinlich auch nur darum jener, welcher die meisten Verbrechen auf sich hat. Keiner der andern war so freimüthig wie er, und keiner hat so sehr ohne alle Nebenabsicht, wie er, Geständnisse abgelegt, oder Anzeigen gemacht. Er hat noch ganz zuletzt, als keiner mehr etwas weiteres von ihm wusste, freiwillig mehrere StraßenRäubereien eingestanden, bloß um bei sich, wie er sagte, Ruhe zu haben. Er hat die von den meisten Andern, besonders von Manne Friederich, gleich anfänglich gemachten Vorschläge, man möge ihn zum Fleischmann (Spitzbubenfänger) anstellen, nur in seinem Schlußverhöre vorgebracht, und – auch da nicht in der Weise, dass er um Freilassung und förmliche Anstellung bat. Er fühlte selbst, dass dieses nicht ans gehe. Nur um sein Leben bat er, und versicherte, dass er, wenn ihm dieses aus höchster Gnade geschenkt werde, so lange er noch lebe, stets zur Entlarvung der unter falschen Nahmen eingefangenen Gauner mitwirken wolle. Er hat nie aus Rachsucht gegen Andere etwas angezeigt, wie Hölzerlips, der meistens nur dann denunzierte, wenn er gereizt war. So erklärte dieser Unteranders einmal im Verhöre, nachdem er ein von Jacob Heinrich und Johannes Vielmetter gegen ihn angezeigtes Verbrechen einbekannt hatte, „das muß ich siebenfach vergelten!“ und wirklich gab er auch sieben Verbrechen derselben mit allen Umständen an. Doch ich wende mich zu dem … weiterlesen