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2. Februar 1809

Teilnehmer:

Johann Martin Rupprecht
Johann Adam Heusner
Stephan Heusner
Johann Adam Grasmann
Christian Haag

Die Räuber hatten sich den 2ten Februar 1809 auf dem Gräflich Meerholzischen Pachthofe unweit Mittelgründ versammelt, um den vom Gelnhäuser Markte zurückkommenden Tuchmachern von Schotten im nahen Walde aufzulauern. Der sogenannte Porzellan-Hannes (Johannes VOGT), Vater der Beischläferin des Martin Rupprecht hatte ihnen veraten, daß diese Tuchmacher ein guter Fang seien. Sie tranken bei dem Pächter Aepfelwein. Der 66jährige Jude Salomon Levi von Lohrbach kam auch dahin, trank mit den Räubern, wurde von ihnen mit der Absicht ihres Daseyns bekannt gemacht und befragt, ob die Schotter Tuchmacher kämen? Der Jude bejahte dieses und die Räuber zogen diesem zufolge, bei herannahender Nacht, in den Mittelgründer Wald. Die beste Stelle war am Eingang des Ronneburger Waldes, an der von Mittelgrund nach dem Ort Bonhausen gehenden Straße.

Martin Rupprecht wartete schon vor Ort und als die anderen hier eintrafen, kam auch alsbald ein vierspänniger Wagen von Mittelgründ hergefahren. Der Fuhrmann ging neben seinen eigenen, der Vorspänner Heinrich Weinel von Mittelgründ neben seinen vorgespannten Pferden her. Die Räuber glaubten, auf diesem Wagen seyen die Waren und das Geld der Tuchmacher von Schotten, sie fielen daher sogleich über die beiden Fuhrleute her und schlugen mit ihren, im Mittelgründer Walde frisch geschnittenen, Prügeln auf sie drein. Schon beim 2ten Streiche stürzte der Vorspänner Peter Weinel röchelnd zu Boden, und hat auch sein Bewußtseyn nicht wieder erhalten. Der andere Knecht Heinrich Herchenröder [bei Pfister: Stangenreuter] wurde indeß von Martin Rupprecht und Stephan Heusner mit Schlägen angepackt und erhielt dabei von jenem mit einem Stachelstock einen Stich in den Arm. Er fand aber Zeit, den Räubern zu erklären, das sein Wagen nichts als Glaswaren enthalte und bat um Schonung. Die Räuber führten den Wagen von der Straße ab in den Wald, dort banden sie Herchenröder die Hände zusammen und ihn so an das eine Wagenrad fest; dann giengen sie zurück, um den röchelnden Weinel auch von der Straße hinweg, in den Wald zu schleppen. Während sie dieses bewirkten, setzten sich die Pferde in Bewegung und zogen den Wagen und den armen Gebundenen in das Dickicht. Dieser schrie laut, die Räuber kamen zurück, machten die Pferde halten, banden ihn vom Rade los, knebelten ihm aber nun auch die Füße zusammen, warfen ihn auf die Erde nieder und bedeckten ihn mit einem, von dem Wagen abgenommenen Tuche. Nun machten sie sich an den Wagen selbst. Er wurde ganz abgepackt und sie überzeugten sich nun, zu ihrem hohen Verdrusse, daß der Fuhrmann die Wahrheit angegeben habe, und die ganze Ladung in Glas bestehe. Aus Unwillen hierüber, wurde alles zertrümmert, der röchelnde, sterbende Weinel auf den leeren Wagen geworfen, mit einem Tuche bedeckt, der Fuhrmann entknebelt und angewiesen, nach Mittelgründ zurückzufahren. Er befolgte dieses, jedoch am folgenden Morgen um halb 7 Uhr starb der arme Weinel.

Die Räuber hatten sich nach der Abfahrt des Knechtes ebenfalss vonihrem Platz entfernt und ihren Weg nach Hainchen genommen, wo sie, außer dem Martin Rupprecht, ihr Quartier hatten.

Empörend für jeden, selbst für den Mindergefühlvollen, ist gewiß diese That; man wird darum auch sicher glauben, daß sie den regsamsten Eifer der Gerichte gegen die Thäter angefacht habe; allein leider! war dieses nicht der Fall; und hierin zeigt sich abermal eine der vielen Ursachen, welche es den Räubern möglich machen, so zu sagen auf dem nämlichen Flecke, eine lange Reihe von Verbrechen zu verüben. Das Amt erhielt am 3ten Februar Morgens die Anzeige des Vorfalls, durch einen Bericht des Schultheißen zu Mittelgründ. Alles, was das Amt hierauf verfügte, war: daß es unter den Bericht Folgendes bemerkte: “Es wurde sogleich, beim Empfange dieses, zum Husar geschickt, um auszureiten und Kundschaft einzuziehen, wohin sich die Thäter, nach der That, etwa begeben oder gewendet hätten; allein der Husar war nicht zu Hause und sein Pferd zu lahm! Zu Absendung einer Streifung war es auch schon viel zu spät, weil die Tat des Abends gegen 5 Uhr geschehen, Abends gegen 9 Uhr zuerst in der Gemeinde Mittelgründ, durch die leere Zurückkunft der abgeschnittenen gewesenen Vorspannpferde, Aufmerksamkeit oder Vermuthung eines Unglücks entstanden, dann erst um 10 Uhr Gewißheit angelangt, hierauf erst gegen 11 Uhr ein Chirurgus geholt, und endlich erst des andern Morgens, nach dem Tod des Weinels der gegenwärtige Bericht (der N.B. von allen obigen Zeitbestimmungen, – die erste vom Angriff ausgenommen – und Umständen nichts besagt) abgesendet worden war.”

“Es hatten somit die Thäter, wovon man keine Spur, als nach dem Büdinger Wald hin hatte, einen Vorsprung von 17 Stunden voraus, wobei alle Verfolgung vergeblich gewesen seyn würde, zumahl auch ohnehin des einzigen Husars Pferd lahm stand, und gar nicht in dem Augenblick geritten werden konnte.” Die Raubmörder zwischen Laudenbach und Hemsbach hatten einen Vorsprung von 8 – 14 Tagen voraus, da hätte man wohl ganz ruhig bleiben können, und nicht einmal eines solchen Raisonnements ad Acta bedurft?

Noch that aber jenes Amt einen weitern Schritt, es erließ folgenden Befehl: “Schultheiß und Vorsteher zu Vorhausen haben sich sofort in den Kohlwiesenwald zu begeben und Alles, was von dem nächtlichen Vorfalle noch von Werth etwa allda sich findet, oder sonst auf Spur führen könnte, in Verwahrung zu bringen,und nebst Verzeichniß darüber anher zu senden, auch ihren Bericht über den Bestund zu erstatten.” Dieser Bericht erfolgte dahin, daß nichts mehr gefunden worden, indem bereits Alles nach Mittelgründ geschafft gewesen sey. Später erfuhr das Amt, daß der obgenannte Jude mit den Räubern beisammen gewesen sey; er wurde darüber gehört; obgleich er aber schon damals höchst verdächtig erschien und durch die Angaben von Stephan Heußner noch verdächtiger wurde, so fand das Amt keinen Grund, weiter gegen ihn zu procediren. So das Amt. Eben so auffallend handelte das Physikat. Alles was es that, bestund in der Erstattung des nachstehenden “Visum repertum.”

“Der am 2ten dieses im Ronneburger Wald erschlagene Heinrich Weinel, 53 Jahre alt, von Mittelgründ, zeigte bei der Besichtigung eine Wunde an der linken Seite des Hinterhauptes, diese hat ihm den Tod verursacht; denn, dem Gefühl nach, schien der Hirnschädel darunter entzwei zu seyn. Auch war Blut aus dem Ohr derselbigen Seite geflossen, zum Zeichen der im Innern des Kopfes zersprungenen Blutgefäße. Keine weitere Verletzung von Bedeutung fand sich an dem übrigen Körper. Die Oeffnung des Körpers ward für überflüssig gehalten.” 

1. R. den 4ten Februar 1809.
Dr. R.R. Landphysikus. R.R. Chir. jurat.

Der Werth der Beschädigung an Glas wurde nicht aufgenommen und kann darum auch hier nicht angegeben werden.

BRILL, CARL FRIEDRICH: Actenmässige Nachrichten von dem Raubgesindel in den Maingegenden, dem Odenwald und den angrenzenden Ländern, besonders in Bezug auf die in Darmstadt in Untersuchung befindlichen Glieder desselben, Teil 1 Seite 75 Nr. 9 (Heusner) 

PFISTER, LUDWIG: Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwald, enth. vorzügl. auch d. Geschichte d. Beraubung u. Ermordung d. Handelsmanns Jacob Rieder von Winterthur auf d. Bergstraße, Seite 111 Nr. XCVII